"Cyrano" im Kino: Ausgelassenes Kostümtheater
Er ist wohl der berühmteste Ghostwriter der Geschichte: Cyrano de Bergerac. Das 1897 von Edmond Rostand verfasste Versdrama wurde unzählige Male adaptiert. Eine neue Verfilmung von Regisseur Joe Wright ist jetzt im Kino.
Der modernste Cyrano tauchte vor vier Jahren in einer deutschen Teenie-Komödie auf und eroberte mit Rap-Texten das schönste Mädchen der Welt. Die französische Komödie "Vorhang auf für Cyrano" erzählte dann die Entstehungsgeschichte des Original-Dramas und machte den Dichter Edmond Rostand zum Helden. In dem Film sagt der Dichter: "Mir ist, als hätte ich in dieses Stück all das hineingelegt, was ich nicht habe. Mut, Humor, Heldentum. Liebe? - Liebe!".
Regisseur Joe Wright sah die Cyrano-Verfilmung mit Gérard Depardieu als Teenager
Der Stoff ist so zeitlos, weil er so unglaublich romantisch ist. Cyranos Liebe geht ja so weit, dass er dem ärgsten Nebenbuhler sein poetisches Talent leiht, nur um die angebetete Frau glücklich zu wissen. Und dieses Thema lässt sich offenbar endlos variieren. Es gab kürzlich neben einer homoerotischen Variante eine, die Cyranos körperliche Defizite auf eine weibliche Hauptfigur übertrug. Und bei Joe Wrights Kino-Neufassung ist sein Handicap nun nicht mehr die monströse Nase, sondern seine Kleinwüchsigkeit. "Ich liebe das Stück, seit ich als Teenager die Verfilmung mit Gérard Depardieu gesehen habe.", so Wright. "Und ich glaube, mich hat angesprochen, dass es in der Geschichte darum geht, ob man sich der Liebe würdig fühlt."
Haley Bennett und Peter Dinklage als wunderbar ungleiches Paar
Wrights "Cyrano" ist ein Pop-Musical, basierend auf einer britischen Bühnenshow, deren Stars, Haley Bennett und Peter Dinklage, er gleich mit auf die Leinwand übernahm. Hier geben sie nun ein wunderbar ungleiches Paar ab. Sie als blondgelockte Schönheit voller Lebenshunger, er als so kühner wie wortgewandter französischer Regimentssoldat des 17. Jahrhunderts - nur von Natur aus kleinwüchsig. So wagt er es nicht, Roxanne seine Liebe zu gestehen und drückt stattdessen seine Gefühle in den Briefen aus, die er im Namen des schönen Christian verfasst.
In reizvollem Kontrast zu den historischen Kulissen und Kostümen stehen die modernen Pop-Balladen, die die Dialoge ergänzen. Dass der Regisseur seinen Cast während des Drehs tatsächlich live singen ließ, macht die Performances besonders authentisch. Und Peter Dinklage entpuppt sich als der Mann mit der größten Stimme! Sein tiefer Sprechgesang a´ la Leonard Cohen geht direkt unter die Haut.
Joe Wrights "Cyrano" ist ausgelassenes Kostümtheater, das zutiefst berührt.
Obwohl der Verlauf der Geschichte nach all den "Cyrano"-Verfilmungen vielen bekannt sein dürfte, kann man gar nicht anders, als auch bei dieser wieder mitzufiebern. Denn nach dem zunächst komödiantischen Verwirrspiel um die Liebesbriefe und fulminanten Mantel- und Degen-Einlagen wird es dramatisch. Cyranos und Christians Kommandeur, der ebenfalls ein Auge auf Roxanne geworfen hat, entsorgt die beiden an die Kriegsfront. In einer herzzerreißenden Szene hört man hier verschiedene Soldaten die Abschiedsbriefe an ihre Liebsten vortragen.
Wem da nicht sofort die Tränen kommen, der muss ein Herz aus Stein haben! Joe Wrights "Cyrano" ist zuerst ausgelassenes Kostümtheater, zuletzt ein zutiefst ergreifender Film.
"Cyrano"
- Genre:
- Musical-Drama
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- Vereinigtes Königreich
- Zusatzinfo:
- mit Haley Bennett und Peter Dinklage
- Regie:
- Joe Wright
- Länge:
- 124 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- ab 3. März
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