Kino und Theater 2021: Neue Zielgruppen durch Online-Formate
Was bleibt von den Online-Vorstellungen von Kinos und Theater im Netz? Wie haben sie das Zielgruppen-Kultur-Angebot verändert? Eine Umfrage bei Film- und Theater-Fachleuten im Norden und in München.
Die Kinos gehen langsam wieder an den Start, die Theater stellen ihre neuen Spielpläne vor. Und viele freuen sich drauf, Filme, Konzerte und Stücke bald wieder gemeinsam vor Ort erleben zu können. Ein abwechslungsreiches Programm gab es aber durchaus auch während der Corona-Zeit, weil die Kulturschaffenden unglaublich kreativ wurden und ihre Vorstellungen ins Netz verlegten. Könnte darin vielleicht sogar eine Chance stecken, neue Zielgruppen für Kultur-Angebote zu erreichen? Eine Nachfrage bei Film- und Theater-Fachleuten.
Filmkunstfest MV hat ein Drittel neues Publikum online gewonnen
Nur fünf Wochen hatten die Veranstalter des Filmkunstfests Mecklenburg-Vorpommern Zeit, vor der dritten Corona-Welle ins Internet auszuweichen. "filmkunstzuhause" nannten sie die Online-Version ihres Festivals Anfang Mai. Und siehe da: 2.470 Streams wurden gegen Bezahlung abgerufen. Damit sei man sehr zufrieden, sagt Festival-Sprecher Max-Peter Heyne. Auch weil ein Drittel des Publikums einer Umfrage nach ganz neu dabei war: "Das war auf jeden Fall ein sehr positiver Nebeneffekt dieses Onlinefestivals. Denn dieses Drittel, das woanders wohnt, als hier in der Umgebung, das wollen wir natürlich auch versuchen zu ködern."
Überwältigende Resonanz beim DOKfest München
Eine reine Erfolgsgeschichte: Das DOKfest München @home. Dieses wichtige Dokumentarfilmfestival fand dieses Jahr zum zweiten Mal komplett online statt - mit überwältigender Resonanz. Während beim Präsenz-Festival zuletzt 52.000 Zuschauerinnen und Zuschauer in Münchner Kinos kamen, sahen nun 71.000 die Filme per Stream - 41 Prozent davon mit Wohnort außerhalb Bayerns, ohne weite Anfahrt, ohne Hotelkosten.
Beide Beispiele zeigen, dass gerade Film-Festivals ihr Publikum durch ein Online-Angebot erweitern können. Deshalb soll zumindest etwas davon beim DOK.fest München auch in Zukunft erhalten bleiben, verspricht die stellvertretende Festival-Leiterin Adele Kohout. "Die Branche entwickelt sich weiter, und das Duale, die digitale Komponente wird perspektivisch nicht mehr wegzudenken sein. Und gerade auch für den Dokumentarfilm ist es eine Option, um so mehr Reichweite und Publikum zu erzielen."
Das Internet als neue Theater-Spielwiese in der Pandemie
Auch viele Theater haben während der Pandemie das Internet als neue Spielwiese entdeckt. So auch das Theater Osnabrück. Anfangs habe man, erzählt Dramaturg Jens Peters, einfach mitgefilmte Aufführungen ins Netz gestellt, dann aber immer mehr eigene Formate entwickelt: Interaktive Zoom-Theateraufführungen.
Oder ein punkiges Update des "Götz von Berlichingen", als Video on Demand für neun Euro. Interesse beim Publikum war da. "Gerade die Premieren waren auch ähnlich gut besucht wie eine normale Premiere, Aber auf die Dauer gesehen, hat’s dann nicht die gleich Zahlen erreicht bei uns. Und ich weiß, dass auch Häuser, die größer sind und vielleicht auch noch eine überregionalere Ausstrahlkraft haben, Produktionen hatten, die wahnsinnig gut angenommen wurden, wo es wirklich hohe Klickzahlen gab, aber andere dann auch nicht so sehr", meint Dramaturg Peters.
In Osnabrück war im virtuellen Theatersaal hauptsächlich das Stammpublikum mit Abonnement zu Gast. Ein paar Menschen konnte man aber auch darüber hinaus erreichen, glaubt Peters: "Wir haben an vielen Punkten auch Zuschauer aus dem Ausland gehabt, also deutschsprachig in diesem Falle." Er habe einen konkreten Fall auch beobachtet, wo eine Frau mit Behinderung auch teilgenommen habe. Diese hätte "glaube ich, nicht in die Vorstellung kommen können, wenn wir das normal im Theater gespielt hätten."
Menschen sind inzwischen online-müde
Die Barrierefreiheit ist sicher ein Vorteil des Online-Theaters. Ein anderer, dass man mit interaktiven Formaten eventuell das Interesse eines jüngeren Publikums wecken kann. Theresa Schlesinger, Dramaturgin am Theater Bremen, hat gerade das Online-Theater-Festival OUTNOW! mit organisiert. Ein wenig habe man gemerkt, dass die Menschen inzwischen online-müde seien. Alle freuten sich jetzt wieder auf Live-Vorführungen. Aber: "Ich denke, dass da viel Potenzial für Spielereien auch da ist. Unser junges Theater hat auch so Zoom-Formate, wo es auch um Beteiligung geht."
Die Stücke selbst werden wohl mehrheitlich auf die Bühnen zurückkehren. Im Netz aber könnten künftig Zusatzangebote stehen, wie virtuelle Foyer-Gespräche oder Diskussionen. "Wir haben noch ein paar kleine Formate in der Hinterhand, aber eher als Ergänzung vielleicht, als etwas, was noch eine andere Perspektive bietet auf das, was wir dann im Theaterraum erleben können."
Das Heimkino wird bleiben
Das Heimkino wird bleiben, keine Frage, und auch Arthouse-Filmen eine zusätzliche Plattform bieten. Ob sich übers Netz künftig auch mehr Menschen fürs Theater begeistern lassen? Versuchen wird man es, da ist Dramaturg Jens Peters ganz sicher. "Wir haben sehr viel gelernt, und das wird nicht weggehen. Alle werden sich überlegen, 'wie können wir das, was wir jetzt neu gelernt haben in der Pandemie, in unseren Betrieb reintegrieren und sozusagen das Alte mit dem Neuen verschränken'?"
