Chancen-Gleichheit im Film? Wenige deutsche Regisseurinnen
2020 waren Regisseurinnen so stark in Hollywood vertreten wie noch nie. Allerdings liegt ihr Anteil gerade mal bei 16 Prozent. Wie sieht es mit der Chancen-Gleichheit beim deutschen Film aus?
Als Film-Heldinnen sind Frauen inzwischen gefragt, aber hinter der Kamera dominieren nach wie vor Männer die Branche. Wissenschaftlerinnen der Uni San Diego zählen jedes Jahr nach, wie die Geschlechter bei den großen Hollywood-Produktionen vertreten sind. Ergebnis für 2020: Regisseurinnen waren so stark vertreten wie noch nie. Ihr Anteil hat sich seit 2018 vervierfacht. Allerdings liegt er damit nun bei gerade mal 16 Prozent.
Preise für Fingscheidt, Heinz und Schrader
Für die "gläserne Decke", an die Frauen in der Welt der Konzerne stoßen, gibt es in der Film-Branche das Äquivalent "Zelluloiddecke". Man könnte den Eindruck haben, sie werde in Deutschland gerade durchlässiger: der Preisregen für Nora Fingscheidts "Systemsprenger", die Oscar-Vor-Nominierung für Julia von Heinz' Polit-Drama "Und morgen die ganze Welt", der Emmy für Maria Schraders Serie "Unorthodox".
Nur 20 Prozent Regisseurinnen
Grund zum Feiern haben aber nur einzelne. Denn die Zahlen, die die Rostocker Medienwissenschaftlerin Elizabeth Prommer regelmäßig auswertet, belegen, dass das Geschlechterverhältnis bei deutschen Film-Produktionen genauso unausgewogen ist wie in Hollywood. "Auch bei uns gibt es die Zelluloiddecke, wobei sie eben nicht aus weichem biegsamem Zelluloid ist, was irgendwie vielleicht einreißen kann oder sich verbiegen kann. Bei uns ist es noch nicht mal gläsern, sondern fest zementiert. Wir liegen bei ungefähr 20 Prozent weiblicher Regisseurinnen - und das seit Jahren. Und trotz aller Bekenntnisse, wir wollen was verändern, tut sich im Kino gar nichts", so Prommer.
Mehr als die Hälfte der Regie-Klasse weiblich
Dabei studieren an den deutschen Film-Hochschulen ebenso viele Frauen wie Männer. An der HFF München sind derzeit sogar 53 Prozent der Regie-Klasse weiblich. Aber nur die Hälfte der Absolventinnen findet später dann auch den Einstieg in den Beruf. Denn die Branche, die sich nach außen so modern und cool gibt, sei in Wirklichkeit stockkonservativ, sagt Elizabeth Prommer: "Es ist erschütternd, wie Frauen sozusagen ein Risiko zugeschrieben wird. Die könnte schwanger werden . dann könnte das Projekt platzen. Empirische Erfahrung, dass die Leute tatsächlich mal mit einer Frau gearbeitet haben, die schwanger geworden ist und das Projekt geplatzt ist, hat dann keiner. Aber die Vorstellung, der Frau sind die Kinder wichtiger als der Film ... Und solche Sachen haben wir allen Ernstes in unseren qualitativen Interviews gehört."
Caroline Link und Hermine Huntgeburth erfolgreich

Einige wenige haben es geschafft: Oscar-Preisträgerin Caroline Link oder Hermine Huntgeburth, die beim Kino-Hit "Lindenberg - mach dein Ding!" Regie führte. Schaut man sich aber die Kino-Charts 2020 an, findet man unter 36 deutschen Produktionen in den Top 100 gerade mal sieben Filme von Regisseurinnen. Und Millionen-Budgets werden fast ausschließlich in Männerhand gegeben.
Hoher Frauenanteil beim "Tatort"
Da tun sich beim Fernsehen inzwischen mehr Möglichkeiten für Frauen auf. Beispiel "Tatort": Von 36 Fällen 2020 waren 15 von Regisseurinnen inszeniert. Das sind 41,6 Prozent. Sabine Holtgreve ist als NDR Redakteurin für Kommissar Borowski zuständig. "Ich nehme das ganz klar so wahr, dass sich viel zu Gunsten der Frauen verändert hat, auch durch die Pro-Quote-Bewegung. Uns werden von Produzenten viel häufiger Regisseurinnen vorgeschlagen. Es gab auf der Berlinale mehrere Veranstaltungen, die Pro Quote Regie zusammen mit der Degeto durchgeführt hat, wo wir im Pitching ganz viele spannende Kolleginnen kennengelernt haben", sagt Holtgreve.
Auch Kameraleute und Filmkomponisten überwiegend Männer

Allerdings: Alle 36 Tatort-Drehbücher wurden von Männern geschrieben; Frauen waren nur achtmal Co-Autorin. Sechsmal war eine Kamerafrau im Einsatz und nur zweimal eine Filmkomponistin. Martina Eisenreich lieferte den atmosphärischen Soundtrack zum Jubiläumstatort "In der Familie". "Auf der einen Seite hab ich schon das Gefühl, dass überall noch die Vorbilder fehlen. Man muss sich erst einmal selber klar werden, als Frau oder als junges Mädchen, dass man auch Filmkomponistin werden könnte. Ich denke auch, dass es vielen in der Filmbranche ähnlich geht, dass man das Bild jetzt einfach nicht im Kopf hat. Auf der anderen Seite ist es aber auch so, dass sich ganz viel jetzt gerade auch ändert", hofft Eisenreich.
Als Martina Eisenreich in Ludwigsburg Filmkomposition studierte, war sie noch allein unter Männern. Heute sitzen in den Klassen fast genauso viele Frauen wie Männer. Gut möglich also, dass die Zukunft der Filmmusik auch weiblich ist.
