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Graphic Novel über Elektronik-Pionier Karlheinz Stockhausen

Stand: 10.02.2023 00:01 Uhr

Karlheinz Stockhausen war einer der Pioniere der elektronischen Musik. Die Graphic Novel "Stockhausen - Der Mann, der vom Sirius kam" widmet sich dem Leben des Komponisten.

Karlheinz Stockhausen gilt als einer der bedeutendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts und als Pionier der elektronischen Musik. Ab Mitte der 1950er-Jahre erlangte er Bekanntheit und schuf Klänge, die man zuvor nie gehört hatte. Bis zu seinem Tod im Jahr 2007 entstanden mehr als 360 sphärische Werke. Seine radikalen Neuerungen und Kompositionen und seine avantgardistischen Orchester- und Bühnenwerke strahlten weit über Deutschland hinaus - bis in die Popkultur. Das Buch "Der Mann, der vom Sirius kam" erzählt Persönliches von Karlheinz Stockhausen und vom Schriftsteller Thomas von Steinaecker, der zusammen mit dem Illustrator David von Bassewitz das Leben des Jahrhundertkomponisten in einer Graphic Novel nachzeichnet. So ist ein vielschichtiges Bild des Musikers entstanden.

"Stockhausen, der Mann, der vom Sirius kam", heißt das Buch, und es ist kein Roman, sondern eine Graphic Novel. Bei neuer oder zeitgenössischer Musik würde man vielleicht nicht als Erstes auf eine Graphic Novel kommen. Warum war das für Sie die passende Form?

Ein Mann mit dunklen Haaren lächelt in die Kamera. © picture alliance / ZB | Arno Burgi Foto: Arno Burgi
Der deutsche Autor Thomas von Steinaecker veröffentlicht auch als Journalist regelmäßig Comic-Rezensionen - unter anderem für die "Süddeutsche Zeitung".

Thomas von Steinaecker: Weil die Lebensgeschichte von Stockhausen eigentlich ein bisschen wie eine Superheldengeschichte ist. "Der Mann, der vom Sirius kam" - der Untertitel sagt es schon: Stockhausen hat sich selbst im Lauf seines Lebens komplett neu erfunden, und zwar als eine fast schon übermenschliche oder messianische Figur. Werk und Leben wurden komplett eins. Diese Verwandlung zeichnet dieser erste Band der Graphic Novel nach. Wie ist das eigentlich passiert, dass ein Mensch, der aus einer sehr bäuerlichen Gegend vom Bergischen Land kam, plötzlich am Ende seines Lebens zu einem Sternen-Menschen wurde, der behauptet hat, er käme vom Sirius.

Sie kannten Stockhausen persönlich, in dem Buch verbinden Sie Ihre eigene Biografie mit der von Stockhausen. Sie waren gerade mal zwölf Jahre alt, als Sie auf Stockhausens Musik gestoßen sind.

Von Steinaecker: Mein Vater war sehr interessiert an klassischer und neuer Musik und hat mir dann mit zwölf Jahren aus heiterem Himmel die Platte "Gesang der Jünglinge" geschenkt. Für mich war das total fremd und erstmal traumatisch solche Musik zu hören. Irgendwie hat es mich dann aber gepackt. Warum genau, kann ich jetzt auch nicht mehr rekonstruieren, aber wenn man die Musik öfter hört, ist sie eigentlich viel melodischer und organisierter, als das beim ersten Hören erscheint. Beim ersten Hören wirkt sie, glaube ich, abschreckend und chaotisch. Aber mich hat es gepackt. In Wien gab es ein Musikfestival, wo wir ab und zu hingefahren sind, und bei dem Musikfestival trat Stockhausen mit seinem Ensemble auf. Das ist ein Ensemble, das bestand im Wesentlichen aus seinen Lebensgefährtinnen und seinen Kindern, die aber alle fantastische Musiker sind, das muss man dazusagen.

Zeichnung über Stockhausen, Graphic Novel © NDR
Die Zeichnungen für die Graphic Novel hat Illustrator David von Bassewitz gemacht.

Mein Vater hat mir nicht nur die Platte geschenkt, sondern war auch immer hinterher, mit so großen Künstlern in Kontakt zu treten. Seine Idee war, dass ich dem großen Meister als Zwölfjähriger eine Frage stelle, die ich mir selbst überlegen musste. Ich bin natürlich vor Aufregung gestorben, das ganze Konzert hab' ich mir überlegt, was ich fragen kann. Nach dem Konzert hat mich mein Vater dann zu Stockhausen geschoben und ich habe ihm diese nicht besonders kluge Frage gestellt. Aber Stockhausen war super geschmeichelt, dass da ein Kind kommt, das sich offensichtlich auskennt. Meine Begeisterung war nicht aufgesetzt, ich war wirklich sehr fasziniert von der Musik. Stockhausen hat mir dann seine Adresse gegeben und meinte, wenn ich noch Fragen habe, soll ich ihm gerne schreiben. Das habe ich dann auch getan und habe ihm viele weitere banale Fragen geschickt. So hat sich ein sehr schöner Briefwechsel entwickelt. Ich habe immer mehr Vertrauen gefasst und mich immer mehr geöffnet und auch über meine eigenen Gedanken und Probleme berichtet, die man als Teenager hat. Er hat das extrem verständnisvoll und freundlich, auch bisschen seltsam aufgenommen, weil er ganz in seiner eigenen Welt war, wo es nur sein Werk und seine Musik gab. Irgendwann hat er mich zu sich nach Hause eingeladen. Er wohnte in einer Villa auf dem Land, in Kürten bei Köln, und da habe ich die Sommerferien verbracht. So ging das dann ein paar Jahre, sodass ich immer im Sommer hingefahren bin.

Da hat sich wirklich ein enger Kontakt entwickelt. Ich bin neugierig, was war denn Ihre erste Frage an Stockhausen?

Von Steinaecker: Es gibt ein Werk, was nur für elektronische Musik ist. Aber dann gibt es auch eine Fassung, wo dann zwei Instrumentalisten mitspielen, "Kontakte" heißt das Stück. Die Frage war: Warum hat er da zwei Versionen geschrieben?

Das gibt es häufiger mal bei Stockhausen, dass er verschiedene Fassungen von Stücken geschrieben hat. Dieses allererste Stück, das Sie so gepackt hat "Der Gesang der Jünglinge", das arbeitet auch mit Elektronik. Das kommt bei Stockhausen immer wieder vor. Als Sie gemerkt haben, das packt Sie, wie hat sich das bei Ihnen geäußert? In dem Buch ist auch zu sehen, wie Sie zusammen mit ihrem Bruder auf dem Boden liegen und lachen. Wie haben Sie sich weiter an diese Musik angenähert?

Von Steinaecker: Endlosschleife. Man muss diese Musik 15 bis 20 Mal hören, dann erschließt sie sich einem vollkommen.

Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.

Thomas von Steinaecker © Dirk Skiba Foto: Dirk Skiba
AUDIO: Karlheinz Stockhausen setzt Zäsur in der zeitgenössischen Musik (55 Min)

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | NDR Kultur à la carte | 10.02.2023 | 13:00 Uhr

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