Autorin Katja Lewina lebt mit Karacho - seit der Tod neben ihr geht
Katja Lewinas Sohn stirbt mit sieben Jahren, kurz darauf erhält sie selbst eine Diagnose mit hohem Todesrisiko. Seit der Tod in ihr Leben getreten ist, lebt sie bewusster als je zuvor. Bei DAS! spricht die Autorin ("Sie hat Bock", "Ex") offen über das, was viele verdrängen.
Katja Lewina war zu Gast bei "DAS!" im NDR Fernsehen. Die Journalistin, bekannt durch Bücher über Sexualität und Beziehungen, sprach diesmal über ein ganz anderes Thema: den Tod. Genau darum geht es auch in ihrem aktuellen Buch "Was ist schon für immer". Seit zwei Jahren lebt sie mit der Diagnose einer seltenen Herzerkrankung. Sie weiß, dass jeder Tag ihr letzter sein könnte.
Früher war der Tod für sie weit weg. "Ich hatte, um es mit den Worten meiner Therapeutin zu sagen, so eine kleine Unsterblichkeitsfantasie", sagt sie rückblickend. "Ich dachte immer: Alte Menschen sterben, kranke Menschen sterben - aber doch nicht ich." Ihr Blick auf Leben und Tod änderte sich radikal, als ihr Sohn mit sieben Jahren völlig unerwartet an einem plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand starb. Kurz danach begannen bei ihr selbst massive Herzrhythmusstörungen. Zunächst hielt sie die Beschwerden für eine Folge der Trauer - doch sie waren das Warnsignal einer lebensbedrohlichen Krankheit.
Herzkrank und lebenshungrig
Die Diagnose: Eine genetisch bedingte Herzerkrankung, bei der jede Anstrengung lebensgefährlich sein kann. "Ich hätte sehr gut einfach tot umfallen können", sagt sie nüchtern. Heute trägt sie einen implantierten Defibrillator, der ihr Herz im Notfall wieder mit einem Elektroschock in den Rhythmus bringt. Ein kleines Gerät, das große Sicherheit gibt, aber die Unsicherheit bleibt. Der Defibrillator ist schon mehrfach angesprungen.
"Wenn mein Herz rast, weiß ich: Entweder kommt jetzt der Schock, oder ich sterbe", sagt sie. "Das sind beides keine verlockenden Aussichten - wobei der Schock natürlich wesentlich angenehmer ist." Und doch hat diese ständige Nähe zum Tod bei ihr keinen Rückzug ausgelöst, sondern das Gegenteil: einen neuen Hunger auf das Leben.
"Ich will mir das Leben nicht kaputtmachen lassen"
Die Trauer hat sie nicht gebrochen. "Ich wusste nicht, wie das Leben weitergehen soll, aber ich wusste immer, dass ich weiterleben möchte." Vieles habe sie ihrem Umfeld zu verdanken, ihrer Familie, ihrer Resilienz - aber auch der klaren Haltung, dass sie sich ihr Leben nicht nehmen lassen will. Ein Satz ihres damaligen Mannes wurde zum inneren Kompass: "Ich will mir das Leben nicht kaputtmachen lassen davon."
Heute lebt die Autorin, wie sie selbst sagt, "mit Karacho". Weil ihr Kind nicht mehr leben kann, will sie es umso mehr. Und sie fragt sich: Was ist wirklich wichtig? "Ich glaube, wir verschwenden unser Leben so sehr, wenn wir uns mit Menschen umgeben, die uns runterziehen, wenn wir nicht die Wahrheit sagen, wenn wir irgendwelchen Eitelkeiten hinterherlaufen."
Katja Lewina setzt auf Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Lewina ist überzeugt: Wer wirklich leben will, muss sich dem Tod stellen. Nicht nur emotional, auch pragmatisch. Eine Patientenverfügung, eine Vorsorgevollmacht - das alles hat sie inzwischen geregelt. Anfangs fühlte es sich befremdlich an, so jung solche Dokumente zu unterschreiben. Doch dann war da das Gefühl: Jetzt ist alles klar. "Meine Hinterbliebenen werden sich nicht mit Entscheidungen rumschlagen müssen, die sie vielleicht gar nicht treffen können."
Im Alltag hat sie Wege gefunden, mit dem Verlust ihres Sohnes zu leben. Sie braucht keine großen Rituale. Stattdessen sind ihr kleine Anker im Alltag wichtig: "Hier stehen noch seine Schuhe im Regal, da ist seine Tasse, und an der Wand hängen Fotos. Sich mit Dingen zu umgeben, die mich an meinen Sohn erinnern - das bedeutet mir sehr viel. Einfach, um immer mal wieder so einen Moment zu haben, in dem ich denke: Ah, da bist du ja."
Der Tod als ständiger Begleiter
Was früher Panik ausgelöst hätte, ist heute eine Art stiller Begleiter. Lewina spricht vom Tod wie von einem alten Bekannten, der neben ihr hergeht. "Ich habe keine Ahnung, wann du kommst. Aber wenn du da bist, habe ich vorher wenigstens intensiv gelebt." Dabei geht es ihr nicht um große Ziele oder eine sogenannte Bucketlist. "Diese Listen macht man doch nur, wenn man sich sonst nicht lebendig fühlt, wenn man nicht das gute Leben führt, das man eigentlich führen möchte."
Was für Lewina zählt, ist das Hier und Jetzt: ehrliche Beziehungen, Klarheit, keine kleinen Lügen oder Höflichkeiten als soziale "Schmiermasse" mehr. Auch ihre Ehe hat sie hinterfragt und verändert. Sie und der Vater ihres Sohnes sind heute kein Paar mehr, aber als Eltern gute Freunde geblieben. "Das war eine Konsequenz daraus, dass ich mein Leben überdacht habe: Wie will ich eigentlich leben und wo will ich hin?"
Katja Lewinas Meinung zum Longevity-Trend
Auf den sogenannten Longevity-Trend, bei dem Menschen alles dafür tun, um möglichst alt zu werden, blickt Lewina mit Skepsis. Auch, weil sie selbst so lange dachte, mit Sport und Disziplin dem Tod ein Schnippchen schlagen zu können. Jedoch: "Ich habe die einzige Herzerkrankung, bei der man keinen Sport machen darf - und dachte immer, ich tue mir was Gutes."
Den Tod verhindern könne man sowieso nicht. Und Unsterblichkeit, so glaubt sie, wäre kein Gewinn. "Wir brauchen das Ende - die Deadline. Als schreibende Person weiß ich, wie wichtig diese ist. Um überhaupt zu etwas zu kommen, um Dinge wirklich zu genießen, um zu spüren: Okay, jetzt, einmal, und nie wieder. Darin liegt eine große Qualität." Diese Erkenntnis hat Katja Lewina nicht nur in Worte gefasst - sie lebt sie.
