Cover Kaliane Bradley, "Das Ministerium der Zeit" © Penguin Verlag

"Das Ministerium der Zeit": Zeitreise-Story mit doppeltem Boden

Stand: 14.05.2025 06:00 Uhr

Zeitreisen sind ein uralter Traum der Menschheit. Kaliane Bradley greift in ihrem literarischen Debüt "Das Ministerium der Zeit" diesen Traum auf und präsentiert einen Science-Fiction-Thriller der besonderen Art.

von Katja Eßbach

Die namenlose Ich-Erzählerin arbeitet als Übersetzerin, als ihr ein Job in einem geheimnisvollen Ministerium angeboten wird. Sie soll sogenannte Expats betreuen. Aber die sind keine ausländischen Arbeitskräfte oder Studenten, sondern - Zeitreisende. Darunter ist Graham Gore, ein real-historischer Arktisforscher, der 1847 im Eismeer verschollen ist:

Graham Gore befand sich seit fünf Wochen im 21. Jahrhundert und war wie die anderen Expats erst seit wenigen Tagen bei klarem Bewusstsein. Nach dem Evakuierungsprozess hatte er vierzehn Tage im Krankenhaus verbracht. Gore war wegen Lungenentzündung, schweren Erfrierungen, Skorbut im Frühstadium und zwei gebrochenen Zehen behandelt worden. Leseprobe

Urkomische Szenen

Die Ich-Erzählerin soll Gore nun behutsam helfen, in der Gegenwart anzukommen. Sie werden gemeinsam in einem Haus untergebracht und der Arktisforscher ist - verständlicherweise - beim Anblick von Handys, Flugzeugen und modernen Toiletten perplex:

Er betätigte fünfzehnmal hintereinander die Klospülung und wartete reglos wie ein Falke, vor Staunen oder vor Verlegenheit, bis sich der Spülkasten wieder füllte. Leseprobe

Wie Kaliane Bradley diesen Arktisforscher wieder auferstehen lässt, ist urkomisch. Gore ist alte Schule, höflich, empört über moderne Sexualmoral und anfangs mit der Gesamtsituation überfordert. Das führt zu unterhaltsamen Dialogen und Missverständnissen, wenn auch einige Situationen etwas vorhersehbar sind.

"Das Ministerium der Zeit": Eine wilde Geschichte

Aber die Autorin schafft ein Gegengewicht, indem sie die Geschichte des Zeitflüchtlings Gore mit der der Ich-Erzählerin verknüpft. Die ist die Tochter einer kambodschanischen Einwanderin. Kaliane Bradley zieht interessante Parallelen und zeigt, was Fremdsein unabhängig von Jahrhundert und Gesellschaft bedeuten kann. Gore hat unterdessen noch mit einem ganz anderen Problem zu kämpfen:

Er langweilte sich, so viel war klar. Man hatte ihm ein weich gepolstertes Leben geschenkt, Zeit, um zu lesen, um seinen Gedanken bis zum phantasmagorischen Ende zu folgen (...) und nach Herzenslust zu zeichnen. Und doch langweilte er sich, weil er kein Ziel hatte. Alles langweilte ihn. Ich fürchtete, auch ich. Leseprobe

Das stimmt allerdings nicht wirklich, denn nach einiger Zeit werden die Erzählerin und Gore ein Paar. Natürlich sorgt das für Schwierigkeiten. Und von denen gibt es auch so schon mehr als genug. Denn es stellt sich heraus, dass man im geheimnisvollen Ministerium sehr fragwürdige Pläne verfolgt, die mit dem Wohlergehen der Expats nichts zu tun haben.

Am Ende biegt die Autorin nochmal krass Richtung Science-Fiction-Thriller ab und wartet auf jeder Seite mit einer neuen überraschenden Wende auf. Eine wilde Geschichte!

Das Ministerium der Zeit

von Kaliane  Bradley
Seitenzahl:
384 Seiten
Genre:
Roman
Zusatzinfo:
Aus dem Englischen von Sophie Zeitz
Verlag:
Penguin
Veröffentlichungsdatum:
23.04.2025
Bestellnummer:
978-3-328-60353-5
Preis:
24 €

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Neue Bücher | 14.05.2025 | 12:40 Uhr

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Romane

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