Stand: 15.06.2020 10:02 Uhr

Der ideale Zeitpunkt für neue Konzepte im Tourismus

Der Wandel des Tourismus hat schon vor der Corona-Krise begonnen. "Es gab ein unglaubliches Überangebot an Möglichkeiten", sagt Anja Kirig, Zukunfts- und Trendforscherin, die sich schon lange mit dem Thema Reisen beschäftigt. Vor allem "Erlebnisreisen" hätten sich in der Vergangenheit gut verkauft. Für die nähere Zukunft, in 10, 15 Jahren, sieht Kirig einen Wandel voraus. "Momentan kann man eine Veränderung beobachten in Richtung eines 'Resonanz-Tourismus'."

Darunter verstehen Trendforscher das Bedürfnis nicht nur nach Erholung und Events, sondern nach intensiven Erfahrungen, authentischen Erlebnissen mit Menschen und Dingen. Touristen wünschten sich, von Reiseerlebnissen "berührt" zu werden, prognostizieren die Trendforscher für die Zukunft des Tourismus. Die Corona-Krise hat gezeigt, wie fragil und wie abhängig die Branche von globalen Reisemärkten ist. "Bei vielen Anbietern geht es gerade ums nackte Überleben", so Kirig.

Zukunft des Massentourismus

Abstandsregelungen und Hygienemaßnahmen erfordern eigentlich eine Abkehr vom Massentourismus. Da müssten sich die Massentourismus-Ziele neu aufstellen. Das könne auch eine Chance für manche Orte sein, die vorher von "Overtourism" geplagt waren, also unter zu vielen Besuchern litten.

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"Es gibt einzelne Destinationen, die schon im Vorfeld Beschränkungen an Gästen eingeführt haben", sagt Anja Kirig. So sei schon vor der Corona-Krise eine Straße in Paris gesperrt worden, nachdem zu viele Leute sie als Ort für Instagram-Fotos besucht hatten.

Auch die Malediven, die wegen des Tourismus ein Müll- und Umweltproblem haben, suchten nach neuen Konzepten. Für Venedig könnte es ebenfalls eine Chance sein, über Zugangsbeschränkungen nachzudenken. Im "Live-Experiment" Corona hatte sich gezeigt, wie sich die Umwelt der Stadt erholt. "Es wäre jetzt natürlich die ideale Zeit, wenn Venedig sagen würde, wir verändern was, wir suchen ein neues Konzept für unsere Stadt", so Kirig.

Alternativen zu Strandurlauben und Städtereisen

Wahrscheinlich werden die einen in Zukunft weniger reisen, aber mehr Geld für exklusiveren Urlaub ausgeben. Andererseits wird sich die Rezession in den nächsten Jahren stark auf das Buchungsverhalten auswirken. Manche werden einfach weniger reisen können.

Ein Trend wird sich verstärken durch die Corona-Krise, der schon in den letzten Jahren sehr populär war, sagt Anja Kirig: "Bodengebundene Reisen. Ob es nun Fahrradreisen waren, aber auch Van-Life. Gerade bei jüngeren Leuten hat man gesehen, dass viel mit mit ausgebauten Campern gereist wurde, nicht unbedingt eine ökologische Variante, vielleicht auch nicht immer eine günstigere Variante", so Kirig. Aber es würden bereits alternative Reiseformen gesucht zu klassischem Strandurlaub oder Städtereisen. Dieser Trend werde wachsen.

Haben Kreuzfahrten eine Zukunft?

Die Kreuzfahrtbranche war vor Corona ein Wachstumsmarkt. In der Krise galten die Schiffe plötzlich als schwimmende Virus-Schleudern. "Die Branche hatte unglaublich schlechte Presse", sagt Kirig, weswegen es derzeit ein Zögern gebe, aber die Buchungszahlen für 2021 seien laut der Branche wieder sehr vielversprechend. Bleibt also trotz Corona alles beim Alten? "Es geht nicht nur darum, die Hygiene- und Abstandsregeln an Bord einzuhalten", so Trendforscherin Kirig, sondern aktuell auch darum, "was passiert, wenn ich eine Destination ansteuere, welche Regeln gelten vor Ort? Kann ich überhaupt Landausflüge machen? Unter welchen Bedingungen kann ich die Landausflüge machen?" Da gebe es ganz viel Punkte, die abgearbeitet werden müssten. Für die fernere Zukunft bleibt dagegen die grundsätzliche Frage, ob die Branche noch weiter wachse und der Trend zu immer noch größeren Erlebnis- und Spaßtempeln weitergehe. Da könnte sich etwas ändern.

Für diesen Sommer prognostiziert Kirig erst mal "Staycation", Trendforscher-Jargon für: Wir bleiben zu Hause und machen Urlaub im eigenen Land.

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