Montage zu den Neuzugängen der Nordclubs (v.l.): Francisco ''Javi'' Montero (HSV), Manuel Wintzheimer (Braunschweig) und Francisco ''Javi'' Montero © Witters/IMAGO Foto: Tim Groothuis/Claus Bergmann/Leonie Horky

HSV, Braunschweig, St. Pauli und Co. - der Zweitliga-Transfercheck

Stand: 02.02.2023 09:40 Uhr

Der Hamburger SV, Eintracht Braunschweig und der FC St. Pauli haben die Transferperiode genutzt, um Lücken im Kader zu füllen. Die Datenanalyse zeigt auch, ob Hannover 96, Holstein Kiel und Hansa Rostock ihrem Beispiel besser gefolgt wären.

von Florian Neuhauss

Während die Bundesligisten VfL Wolfsburg und Werder Bremen ihr Augenmerk auf die Verkleinerung des Kaders gelegt haben (je drei Abgänge und nur ein Zugang), war in der Zweiten Liga deutlich mehr los. Besonders Eintracht Braunschweig, aber auch der HSV und der FC St. Pauli haben in der zweiten Wechselperiode der Saison versucht, ihren Kader noch einmal deutlich zu verstärken.

Ein Blick in die Daten zeigt, dass sich alle drei Clubs durchaus Hoffnungen machen dürfen, dass der Versuch geglückt ist. Und war es klug, dass sich Holstein Kiel, Hannover 96 und Hansa Rostock auf dem Transfermarkt so sehr zurückgehalten haben? Nur einer der drei Clubs hatte tatsächlich keinen weiteren Handlungsbedarf.

Eintracht Braunschweig auf dem Transfermarkt sehr aktiv

Mit gleich vier Neuzugängen (und einem Abgang) war Braunschweig in Sachen Transfers der aktivste Nordclub. Kein Wunder: Die "Löwen" haben mit nur einem Punkt Vorsprung auf die Abstiegsplätze und der drittschlechtesten Tordifferenz der Liga überwintert. Der Aufsteiger will unbedingt die Klasse halten, aber: Durch die 2:4-Niederlage beim HSV am Sonntag, bei der schon alle Neuen zum Einsatz kamen, ist er auf den Relegationsrang abgerutscht.

Auffälligster Spieler der Niedersachsen im Volkspark war Tarsis Bonga. Der 1,97 m lange Modellathlet versuchte oft, den HSV früh unter Druck zu setzen und war als robuste Anspielstation an vielen Angriffen beteiligt. Einen gefährlichen Abschluss brachte der 26-Jährige allerdings nicht zustande.

Was dazu passt, dass er in seinen zweieinhalb Jahren beim VfL Bochum (ohnehin nur mit 15 Einsätzen in Erster und Zweiter Liga) ohne Tor geblieben ist. Sein aktueller GSN-Index liegt bei 47,14 - der mögliche bei 48,87. Damit verkörpert er lediglich gehobenes Drittliga-Niveau.

Im Kader könnte er Luc Ihorst ersetzen, der mit seiner Leistenverletzung noch lange ausfällt. Aber: Bonga ist beim BTSV offenbar als Stürmer eingeplant, dabei hat er in seiner Karriere bisher als Rechtsaußen am stärksten agiert.

Lückenfüller und eine ganz neue Alternative

Durch die Verletzungen von Brian Behrendt, Filip Benkovic und Philipp Strompf war die Abwehr die große Baustelle der Mannschaft von Michael Schiele. Linus Gechter (ausgeliehen von Hertha BSC), der beim 0:1 in Hamburg ganz alt aussah, und Hasan Kurucay (zuletzt in Norwegen unter Vertrag) sind neu dazugekommen.

Der U-Nationalspieler Gechter ist mit gerade einmal 18 Jahren ein verheißungsvolles Talent. Mit seinem GSN-Index von 63,35 bringt er Bundesliga-Qualität mit. Schöpft er sein ganzes Potenzial aus (71,43) käme er in die internationale Klasse. Der sieben Jahre ältere Kurucay steht für solide Zweitliga-Qualität (56,16/58,04). Bei beiden bleibt indes die Frage, wie schnell sie sich in der neuen Liga zurechtfinden.

Einen großen Unterschied könnte allerdings mit Manuel Wintzheimer der vierte Neue ausmachen. Der von Liga-Konkurrent 1. FC Nürnberg ausgeliehene Stürmer hofft, in der "Löwenstadt" wieder Fahrt aufzunehmen. Eigentlich hat der 24-Jährige nämlich gutes Bundesliga-Niveau (65,38) und könnte sogar an der internationalen Klasse kratzen (69,58). Für den BTSV besonders wichtig: Wintzheimer ist ein Typ Pressingstürmer, und so einen gab es bisher im Kader nicht.

Vier Neue für St. Pauli und kein Abgang

St. Pauli stand in der Winterpause sogar nur aufgrund der besseren Tordifferenz nicht auf einem Abstiegsplatz. Der bemerkenswerteste Winterwechsel auf dem Kiez war der des Trainers. Timo Schultz musste gehen und wurde durch Fabian Hürzeler ersetzt. Schultz hatte schon im Sommer weitere Kaderverstärkungen gefordert, Hürzeler bekam sie nun. Und die vier Transfers ergeben (auf dem Papier) durchaus Sinn.

Weitere Informationen
Maurides © Witters

Warum Maurides zum FC St. Pauli passt

Bislang waren brasilianische Stürmer am Millerntor keine Erfolgsgeschichte. Das könnte sich nun ändern, wie der Datencheck zeigt. mehr

Die Außenverteidiger Leart Paqarada und Manolis Saliakas schlagen die meisten Flanken in der Liga. Mit dem Brasilianer Maurides ist jetzt ein Stürmer da, der dank Sprungkraft und Timing ein starkes Kopfballspiel hat. Sowohl mit seinem aktuellen (54,35) als auch seinem möglichen (57,50) GSN-Index verkörpert der 28-Jährige Zweitliga-Durchschnitt. Und könnte man das auch am Ende der Saison über den Club sagen, hätte die schwierige Spielzeit ein Happy End gehabt.

Neue Möglichkeiten und ein Rettungsanker

Mit den Außenstürmern Oladapo Afolayan und Elias Saad holte Manager Andreas Bornemann zudem zwei Spieler nach Hamburg, die es so noch nicht im FCSP-Kader gab. Die linke offensive Außenbahn musste bisher Marcel Hartel (am Sonntag ab 22.50 Uhr zu Gast im NDR Sportclub) besetzen, dabei hat der seine Stärken eindeutig in der Zentrale. Afolayan (GSN-Index 62,25 - Bundesliga-Durchschnitt) kam beim 1:0-Sieg in Nürnberg genauso wie Maurides als Joker zum Einsatz.

Mit der Verpflichtung von Karol Mets wurde auf die Verletztenmisere in der Abwehr reagiert. Der vom FC Zürich ausgeliehene Este stand in Nürnberg gleich über 90 Minuten seinen Mann - und hat laut GSN-Index sogar Bundesliga-Potenzial (60,30/64,54).

HSV schließt gleich zwei Baustellen

Der Hamburger SV hatte durch den Abgang vom Tim Leibold in die USA und durch den Doping-Fall Vuskovic zwei Vakanzen im Kader und hat schnell reagiert. Für die Innenverteidigung wurde der Spanier Francisco Montero von Besiktas Istanbul ausgeliehen. Montero hat eine saubere Technik und ein sehr gutes Passspiel.

Als einziger Linksfuß in der Innenverteidigung bringt er zudem eine neue taktische Möglichkeit. Mit einem aktuellen GSN-Index von 61,98 (möglich 66,28) wäre er auch ein durchschnittlicher Bundesliga-Spieler. Mit dem 21 Jahre alten Noah Katterbach vom 1. FC Köln (70,00/78,06) ist zudem ein sehr großes Talent für die Linksverteidiger-Position an die Elbe gekommen.

Weitere Informationen
Mario Vuskovic (M.) vor dem DFB-Sportgericht. © Witters

Vuskovic vor DFB-Verhandlung: Fragen und Antworten zum Dopingfall

Mario Vuskovic ist vom DFB-Sportgericht wegen Epo-Dopings für zwei Jahre gesperrt worden. Wie geht es nun weiter? mehr

Wird Nemeth zum Trumpf im Aufstiegskampf?

Zum großen Trumpf im Rennen um die ersehnte Rückkehr in die Bundesliga könnte sich allerdings vor allem die Verpflichtung von Andras Nemeth entpuppen. Der 20 Jahre alte Ungar, der in Kapstadt geboren wurde, soll Erfolgsgarant Robert Glatzel entlasten.

Hamburgs Torjäger zeigte gerade erst gegen Braunschweig mit zwei Treffern wieder seine Wichtigkeit. Aber was ist, wenn er mal einen schwachen Tag hat oder sogar ausfällt? Sturmtalent Nemeth, der vom KRC Genk verpflichtet wurde, ist ein "Knipser". Sein aktueller GSN-Index liegt bei 65,39 - der mögliche sogar bei 75,98. An Nemeth könnten die Hamburger also noch viel Freude haben.

Holstein Kiel mit nur einem echten Zugang

Auch im Kader von Holstein Kiel hat sich ein bisschen was getan. Neben den beiden Abgängen, die keine Rolle (mehr) spielten, stehen Holmbert Fridjonsson und Robin Himmelmann als Neuzugänge. Allerdings ist Fridjonsson ein alter Bekannter, war zuletzt an Lilleström SK verliehen.

Und auch Robin Himmelmann ist wohl eher eine Ergänzung als eine Verstärkung. Nach dem Ausfall von Thomas Dähne suchte Manager Uwe Stöver zwar einen neuen Keeper, Trainer Marcel Rapp legte sich allerdings schnell fest, dass Tim Schreiber seine Nummer eins sei. Nach einer Station bei KAS Eupen war der erfahrene Himmelmann zuletzt vereinslos. Mit einem GSN-Index von 56,30 (56,56) ist der 33-Jährige ein solider Back-up.

Weitere Informationen
Torwart Robin Himmelmann © Witters

Holstein Kiel verpflichtet Torwart Himmelmann

Der frühere langjährige St.-Pauli-Keeper hat beim Fußball-Zweitligisten einen Vertrag bis zum Saisonende erhalten. mehr

Eine andere Baustelle hatten die Kieler laut der Daten nicht. Sie machen es im Rahmen ihrer Möglichkeiten gut und liegen in allen relevanten Kategorien mindestens im gehobenen Mittelfeld. Die Defensive lässt mit 12,69 Schüssen die fünftmeisten der Liga zu - und die "Störche" haben auch die meisten Gegentore im oberen Tabellenmittelfeld kassiert. Die Probleme sollten sich aber mit dem vorhandenen Personal in den Griff bekommen lassen.

Hannover 96 hätte ein offensiver Mittelfeldspieler gutgetan

Bei Hannover 96 gab es keine Veränderungen am Kader. Dabei hätte dem Team durchaus ein dynamischer, offensiver Mittelfeldspieler gutgetan. Sebastian Kerk, Sebastian Ernst und Louis Schaub strahlen nur wenig Torgefahr aus (alle zusammen nur ein Tor). Sie verschleppen zu oft das Tempo, Cedric Teuchert, Havard Nielsen und Maximilian Beier bekommen so zu wenig Unterstützung.

Weitere Informationen
Symbolbild Fußball-Daten © Imago / STPP

Das steckt hinter dem NDR Fußball-Datenprojekt

Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Zusammenarbeit zwischen NDR und GSN. mehr

96 generiert im Schnitt nur 10,43 Schüsse pro Partie - das bedeutet im Ligavergleich genauso Rang 16 wie bei den Schnittstellenpässen (4,21). Generell ist das Spieltempo der Hannoveraner mit 12,60 Pässen pro Minute Ballbesitz auch eher behäbig (Platz 15). So reicht es nicht für höhere Tabellengefilde.

Hansa Rostock fehlt ein treffsicherer Stürmer

Wie im Kader von 96 ist auch bei Hansa Rostock nichts passiert - doch hätte es Bedarf gegeben. Denn die Mecklenburger haben ein großes Manko: Es fehlen die Tore. Manager Martin Pieckenhagen verweist auf die vielen Optionen. Aber in dieser Saison hat bisher nur Kai Pröger (sechs Treffer) seine Klasse nachgewiesen. Die etatmäßigen Stürmer John Verhoek, Lukas Hinterseer und Nils Fröling haben jeweils genau einmal getroffen.

Andere Offensivkräfte wie Ridge Munsy oder Haris Duljevic sind komplett leer ausgegangen. Dabei hat mit Svante Ingelsson mit sechs Vorlagen durchaus schon ein Hansa-Spieler nachgewiesen, dass er seine Mitspieler in Szene setzen kann.

Auch wegen der schlechten Offensiv-Bilanz musste Trainer Jens Härtel gehen. Sein Nachfolger Patrick Glöckner muss - ohne neue Spieler - dafür sorgen, dass mehr Tore fallen. Die solide Defensive allein dürfte bei nur noch drei Punkten Vorsprung auf die Abstiegsränge nicht für den Klassenerhalt reichen.

Baustellen der Zweitligisten und die Bauarbeiten
ClubTransfers (Zu- und Abgänge)ProblemzonenTransferaktivitäten
Eintracht Braunschweig5 (4/1)AbwehrLücken in der Abwehr geschlossen, neue Möglichkeiten im Sturm
FC St. Pauli4 (4/0)Abwehr, SturmLücke in der Abwehr geschlossen, neue Möglichkeiten im Außenangriff und im Mittelsturm
Hamburger SV4 (3/1)AbwehrLücken in der Abwehr geschlossen, großes Sturmtalent verpflichtet
Holstein Kiel4 (2/2)Torhüterneuen Ersatzkeeper verpflichtet
Hannover 960Offensive-
Hansa Rostock0Sturm-

Dieses Thema im Programm:

NDR 2 Sport | 31.01.2023 | 23:03 Uhr

Mehr Fußball-Meldungen

Hamburgs Ransford-Yeboah Königsdörffer (l.) und Kiels Steven Skrzybski © picture alliance / DPA

HSV gegen Kiel: Hält Holsteins Volkspark-Serie, ist der Aufstieg nah

Die KSV ist in der Hamburger Arena in der 2. Liga unbesiegt. Bleibt das so, wäre das ein weiterer Schritt in Richtung Aufstieg - und der HSV nah am K.o. mehr