Datenanalyse: Darum ist Wolfsburgs Nmecha jetzt Nationalspieler
Bei Fußball-Bundesligist VfL Wolfsburg ist er aktuell der Knipser vom Dienst - und jetzt auch erstmals in der A-Nationalmannschaft dabei: Lukas Nmecha. Was macht den 22-Jährigen so interessant für Bundestrainer Hansi Flick und wo liegt der Stürmer der Stunde im Vergleich mit anderen Angreifern? Eine Datenanalyse.
Die vergangene Woche war wohl eine der bislang besten in Lukas Nmechas Karriere: das Siegtor in der Champions League gegen Salzburg erzielt, ebenso wie gegen den FC Augsburg in der Bundesliga und dazwischen kam ein Anruf von Hansi Flick. "Ich habe nicht erwartet, schon jetzt dabei zu sein. Das war ein bisschen ein Schock. Aber ich freue mich", sagte der VfL-Stürmer, der am Donnerstag (20.45 Uhr) ausgerechnet in Wolfsburg in der WM-Qualifikation gegen Liechtenstein sein Debüt in der A-Nationalmannschaft feiern könnte.
"Man spielt ja Fußball, um immer aufs nächste Level zu kommen. Und jeder möchte Nationalspieler werden." Lukas Nmecha
Beim Blick auf seine Leistungsdaten wird deutlich, dass Nmechas Nominierung Sinn ergibt. Erst recht wenn es für Flick darum geht, nach Miroslav Klose und Co. eine "neue Neun", also einen Stoß- oder Zielstürmer, für die offensivstarke DFB-Elf zu finden.
Sechs Tore in 17 Saisonspielen
Sechs Saisontore in wettbewerbsübergreifend 17 Spielen hat Nmecha erzielt. Sein "Expected goals"-Wert liegt bei 4,90 Treffern. Der gebürtige Hamburger hat also mehr Tore erzielt, als eigentlich von ihm zu erwarten gewesen wären. Nmechas anhand der GSN-Daten errechneter "Performance-Score", also quasi seine aktuelle Leistungsstärke, steht bei 58,00.
Im Vergleich liegt er damit im Ranking aller Bundesligastürmer auf Platz 13 und klar über dem Durchschnitt (53,40). Aus deutscher Sicht wird der Wolfsburger in der Eliteliga zurzeit nur von U21-Nationalmannschaftskapitän Jonathan Burkardt (58,22) vom 1. FSV Mainz 05 getoppt, mit dem Flick bekanntlich schon telefoniert hat. Gemessen an den Daten hätte Burkardt eigentlich auch eine Nominierung verdient. Wenig überraschend ragen Dortmunds Erling Haaland (82,89) und Bayerns Robert Lewandowski (70,44) in dieser Kategorie heraus.
Nmecha in der Kategorie "internationale Klasse"
Hat Nmecha also lediglich einen Lauf? Ja und Nein. Er ist aktuell ohne Frage gut drauf und hat auch vom Trainerwechsel in Wolfsburg profitiert. Florian Kohfeldt setzt auf den U21-Europameister, auch wenn mit Wout Weghorst der nominelle Topstürmer der "Wölfe" nun zurück auf dem Platz ist.
Moukoko auf den Weltklasse-Spuren von Mbappé
Der GSN-Index - also die langfristige Bewertung aller Fähigkeiten, Potenziale und Qualitäten eines Spielers -, zeigt, dass Nmecha generell auf höchstem Niveau mithalten kann. Mit einem aktuellen GSN-Index von 72,61 liegt er im Bereich "internationale Klasse" - aber auch schon fast an seinem errechneten Limit von 78,33. Zum Vergleich: Lewandowski (96,02) und Haaland (92,10) sind mit ihren Werten bereits absolute Weltklasse.
Der vom Potenzial her nächste deutsche Mittelstürmer-Superstar heißt hingegen Youssoufa Moukoko. Mit einem möglichen GSN-Index von 97,94 bewegt sich das erst 16 Jahre alte Ausnahmetalent des BVB in Sphären eines Kylian Mbappé (Paris Saint-Germain), der schon bei 95,82 ist und es auf 98,93 bringen kann.
Was macht Nmecha für Flick interessant?
Moukoko gehört die Zukunft, Nmecha allerdings die Gegenwart: Der Wolfsburger ist ein Spielertyp, den das DFB-Team in vorderster Linie seit Langem sucht. Leroy Sané, Marco Reus oder auch Timo Werner können Abwehrreihen schwindelig spielen, aber sie sind keine Zielstürmer, die gleichzeitig die körperlichen Voraussetzungen mitbringen, um sich auch gegen starke Innenverteidiger aufzureiben und Präsenz im Zentrum zu zeigen.
Nmecha, 1,85 m groß und 80 Kilogramm schwer, kann das. In der bisherigen Saison hat der 22-Jährige 41,36 Prozent seiner Offensivzweikämpfe gewonnen. Ein guter Wert (Ligaschnitt 38,58) und der beste, wenn es um Bundesligastürmer mit deutschem Pass geht. Wenig verwunderlich, dass der Rechtsfuß in der wertvollen Kategorie "Ballgewinne pro Spiel in der gegnerischen Hälfte" mit 0,64 (Ligaschnitt 0,48) überdurchschnittlich performt.
"Er versucht immer wieder, Räume zu schaffen. Er ist ein bisschen ein anderer Spielertyp als die, die wir derzeit haben." Bundestrainer Hansi Flick über Nmecha
Der Wolfsburger bringt viele Attribute für einen guten Stoßstürmer mit, kann aber auch die hängende Spitze wie zurzeit beim VfL geben. Sein Tempo (Topspeed bei guten 34,52 km/h), eine sehr gute Technik und sein starker erster Kontakt machen es Nmecha leicht, taktisch flexibel zu sein. Er bewegt sich regelmäßig aus dem Strafraum heraus und sucht nach Räumen.
Im Kopfballspiel noch Luft nach oben
Luft nach oben hat der Torschützenkönig der jüngsten U21-EM (vier Tore) noch in seinem Pressingverhalten, das mit Blick auf seine Voraussetzungen mutiger sein könnte. Und im Kopfballspiel: 35 Prozent seiner Luftduelle in der laufenden Saison hat Nmecha gewonnen, bei seiner Physis in der Summe zu wenig. Punktuell ist er aber auch hier gefährlich. Den Wolfsburger Siegtreffer gegen Augsburg erzielte Nmecha am vergangenen Sonnabend wie? Genau - per Kopf.
