Sendedatum: 05.10.2020 22:00 Uhr

Schulden: Unseriöse Berater erkennen

von Christian Maltry
Bildmontage: Ein Achtung-Schild vor Euroscheinen und Münzen. © Fotolia.com Foto: Gina Sanders, Helmut Niklas
Praktisch niemand ist davor gefeit, sich zu verschulden.

Viele Menschen verbinden "Schulden haben" mit "Schuld". Doch individuelles Versagen spielt nur eine ganz kleine Rolle. Sich zu verschulden, kann jeden treffen. Denn Schulden entstehen vor allem dadurch, dass sich die Lebensumstände unerwartet verändern. Die Hauptgründe für Überschuldung sind:  

  • Insolvenz des Arbeitgebers
  • Verlust des Arbeitsplatzes
  • Trennung vom Lebenspartner/der Lebenspartnerin
  • Krankheit

Unseriöse Berater nutzen Notsituation der Menschen aus

Beim Geschäft mit der finanziellen Not spielen mehrere Faktoren eine Rolle. Fast jeder Mensch, der in eine Überschuldungssituation geraten ist, versucht erst mal, sich selbst zu helfen. Dazu gehört auch, neue Kredite aufzunehmen. Oftmals hilft aber auch das nichts und der Druck der Gläubiger wird immer größer.

Gast-Autor

Christian Maltry ist seit mehr als 30 Jahren als Schuldnerberater tätig. Der studierte Diplom-Sozialpädagoge arbeitet beim Landratsamt Main-Spessart. Zudem ist Maltry seit 1997 Sprecher des Arbeitskreises "Geschäfte mit der Armut". Seit 1999 berät er seine Klienten zudem in Insolvenzfragen.

Viele Schuldner halten die Situation an einem bestimmten Punkt nicht mehr aus und tendieren dazu, auf jeden Anruf, auf jeden Brief panisch zu reagieren. Briefe etwa werden dann aus Selbstschutz manchmal gar nicht mehr geöffnet. Das Versprechen von schneller Hilfe in so einer verzweifelten Situation ist natürlich verlockend. Und je verzweifelter jemand ist, desto weniger ist er in der Lage, ein Angebot kritisch zu prüfen.

Je nachdem, wo jemand einen Schuldnerberater sucht, etwa im Internet oder in den Gelben Seiten, gerät er mit einer rund 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit an einen Anbieter, der unseriös arbeitet. Es gibt mehrere Millionen Schuldner in Deutschland, aber lediglich 1.100 Beratungsstellen. Diese sind finanziell bescheiden ausgestattet. Die Nachfrage können sie auf keinen Fall abdecken.

Wie gehen unseriöse Anbieter vor?

1. Eine Methode, die häufig in Ballungsräumen beobachtet werden kann, ist es, Arbeitslosengeld-II-Empfänger im Umfeld der kommunalen Jobcenter anzusprechen. Ihnen wird zunächst angeboten, die Höhe des Arbeitslosengeldes nachzurechnen. Das nehmen die dubiosen Geschäftemacher zum Anlass, auch über das Thema Schulden zu sprechen und so gegebenenfalls Aufträge an Land zu ziehen.

2. Die unseriösen Beratungsfirmen bedienen sich zudem auch aus den Adressdatenbeständen von Kreditvermittlern, mit denen sie zusammenarbeiten. Darin finden sich die Kontaktdaten von Personen, die keine Chance haben, einen regulären Kredit zu bekommen, weil sie eben überschuldet sind. Diese Adressen sind natürlich bares Geld wert.

3. Auch die Daten aus den Schuldnerverzeichnissen, also die Daten derjenigen, die die eidesstattliche Versicherung, umgangssprachlich auch Offenbarungseid genannt, abgegeben haben, werden gezielt von einzelnen Anbietern abgegriffen und widerrechtlich zum Versand von Werbung genutzt.

Woran erkenne ich eine unseriöse Schuldnerberatung?

So helfen seriöse Schuldnerberater

  • Klären der persönlichen und wirtschaftlichen Situation
  • Unterstützen bei Anträgen auf gesetzliche Leistungen
  • Überprüfen geltend gemachte Forderungen
  • Führen Verhandlungen mit Gläubigern, mit dem Ziel einer für alle Beteiligten tragbaren Regelung
  • Beraten und vertreten Schuldner im Rahmen eines Verbraucherinsolvenzverfahrens, inklusive außergerichtlichem Einigungsversuch und gerichtlichem Schuldenbereinigungsplanverfahren falls erforderlich

Immer wenn so eine Firma darüber informiert, dass die Schuldnerberatung ohne Rechtsberatung stattfinden soll oder dass die Rechtsberatung auf einen externen Anwalt verlagert werden soll, ist das definitiv ein Warnzeichen. Vermutlich soll dann zweimal kassiert werden. Die unseriösen Anbieter versuchen, sich rechtlich abzusichern, indem sie vermerken, dass es sich bei ihrer Leistung lediglich um eine kaufmännische, nicht aber eine Rechts- oder Steuerberatung handeln würde.

Unseriöse Anbieter treten also in der Regel einfach nur unter der Bezeichnung Schuldnerberatung auf, ohne tatsächlich eine Schuldnerberatung erbringen zu wollen. Bedauerlicherweise gibt es im Rechtsdienstleistungsgesetz aber keine Sanktionen für unzulässige Schuldnerberatungen. Das heißt: Bei unseriösen Beratungen handelt es sich um ein Angebot, das letztendlich verboten ist, aber es gibt keine Rechtsmittel, dieses Verbot durchzusetzen.

Die Politik hat auf diese Entwicklung relativ langsam reagiert. In einzelnen Bundesländern ist mittlerweile ein Bußgeldtatbestand eingeführt worden, der gewerbliche Schuldnerberatung ohne behördliche Anerkennung mit einem Ordnungswidrigkeitsgeld von bis zu 5.000 Euro je Einzelfall bestraft. In der Mehrzahl der Bundesländer müssen die Geschäftemacher eine Verfolgung aber nicht befürchten.

Rechtliche Grundlage für die Beratung von Schuldnern

Bei einer Schuldnerberatung handelt es sich immer auch um eine sogenannte Rechtsdienstleistung. Ein seriöser Schuldnerberater gibt also nicht lediglich Tipps, sondern hilft dabei, die vertraglichen Verhältnisse, die dazu geführt haben, dass eine Überschuldung eingetreten ist, zu verändern. Grundsätzlich muss jede Schuldnerberatung, die ihre Klienten zum Beispiel in ein Insolvenzverfahren bringen soll, von der zuständigen Landesbehörde anerkannt sein.

Im Zweifelsfall sollten sich Klienten den entsprechenden Bescheid zeigen lassen. Ausgestellt wird der aber je nach Bundesland von insgesamt 25 Behörden. In Hamburg ist das etwa das Amt für Soziales und Integration in der Behörde für Soziales und Familie. In Schleswig-Holstein ist wiederum das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume dafür zuständig.

Die Beratung durch solche Schuldnerberatungen ist überwiegend kostenlos, wenn sie von Wohlfahrtsverbänden, Verbraucherzentralen oder Kommunen getragen werden. Eine solche Rechtsdienstleistung ist "erlaubnispflichtig". Jeder, der eine solche Beratung anbietet, braucht deshalb eine Erlaubnis nach dem Rechtsdienstleistungsgesetz.

Geschäftemacher "professionalisieren" ihr Angebot

Innerhalb der vergangenen zehn Jahre ist das Angebot unseriöser Schuldnerberater deutlich "professioneller" geworden. Sie haben teilweise Firmen, die nur dafür zuständig sind, Adressen zu generieren. Andere Firmen sortieren nur Papiere, eine dritte Firma verwaltet irgendwelche Zahlungen und beschäftigt vielleicht noch einen Rechtsanwalt dazu, der dann irgendwelche Verhandlungen mit Gläubigern führen soll. Je nach Anbieter sind das teilweise sogar ganze Netzwerke mit mehreren Firmen, die alle an den Schulden anderer Menschen verdienen wollen.

Dubiose Schuldenregulierer legen es darauf an, so viel Geld wie möglich von ihren Klienten einzustreichen. Doch das dient dann nicht etwa der Tilgung der Schulden, sondern steigert den Gewinn des Anbieters.

Im Durchschnitt liegt der Schaden für überschuldete Verbraucher bei etwa 1.500 Euro, so Schätzungen des Arbeitskreises "Geschäfte mit der Armut". Das bewegt sich im Spektrum von 500 bis 20.000 Euro, im Einzelfall auch noch mehr. Schon mittelgroße Anbieter dieser Branche generieren ohne Weiteres einen Umsatz von mehreren Millionen Euro im Jahr. Insgesamt ist der Schaden natürlich sehr schwer zu beziffern. Schätzungen zufolge handelt es sich um mehr als 150 Millionen Euro im Jahr.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Story | 05.10.2020 | 22:00 Uhr

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