Abzocke mit Bioresonanz- und Zell-Check-Messungen
Zahlreiche Apotheken bieten Messungen mit Bioscannern an. Angeblich können die Geräte Mangelerscheinungen im Körper feststellen. Doch nach Ansicht von Experten sind die Messungen nur vorgetäuscht und unseriös.
"Bioscan", "medX-Vitalscan", "Zell-Check", "SO/Check" oder "Oligoscan" - unter diesen Namen werden die Bioresonanz-Geräte vermarktet. Die Hersteller- und Vertriebsfirmen behaupten, die Geräte seien in der Lage, das energetische Feld der menschlichen Zellen zu messen und könnten so Gesundheitszustände und Mikronährstoffbedarfe bestimmen.
Mehr als 200 vermeintliche Bioresonanz-Messwerte
Für die Bioscan-Analyse halten Patienten eine kurze Zeit einen oder zwei stabförmige Sensoren in der Hand, die über einen kleinen Kasten an einen Computer angeschlossen sind. Zu Beginn der Messung startet ein Programm, das vorgibt, nach und nach einzelne Organe und Körperfunktionen zu überprüfen. In das Computerprogramm werden Geschlecht, Geburtsdatum, Größe und Gewicht des Patienten eingegeben.
Nach Ende der Messung erstellt das Programm ein Protokoll, in dem mehr als 200 Einzelwerte aufgeführt werden. Die mit "Befundbericht" überschriebenen Seiten enthalten beispielsweise Angaben zu den Herz-Kreislauf-Funktionen, der Knochenmineraldichte, dem Immunsystem, den Blutzuckerwerten und dem Gehalt an Vitaminen und Spurenelementen.
Zweifelhafte Messergebnisse: Frau mit männlichen Sexualhormonen?
Unter Aufsicht des Ernährungsmediziners Dr. Matthias Riedl hat Markt an verschiedenen Personen Messungen mit dem "Bioscan" durchgeführt. Dabei beruhten die ausgegebenen Ergebnisse offenbar auf den Merkmalen Geschlecht, Geburtsdatum, Größe und Gewicht, die zuvor in das Computerprogramm eingegeben worden waren - und nicht auf der Messung medizinischer Parameter: Nach Eingabe eines männlichen Patientenprofils hielt eine Frau den Sensorstab - dennoch zeigten die Messprotokolle Werte zu Prostata und männlichen Sexualhormonen an.
Falsche Empfehlung in einer Apotheke
In einer Stichprobe in zwei Apotheken erhielt der Proband nach einer Bioscan-Analyse konkrete Therapie-Empfehlungen auf Basis der vermeintlichen Messwerte - zum Beispiel die Einnahme von Medikamenten und Nahrungsergänzungsmitteln.
In einer Apotheke wurde zum Beispiel wegen eines angeblichen Eisenmangels die dauerhafte Einnahme eines Eisenpräparats empfohlen. Eine Blutanalyse zeigte jedoch, dass kein Eisenmangel bestand.
Haft- und hohe Geldstrafen wegen Betrugs
In einem Prozess vor dem Amtsgericht Reutlingen stellten mehrere Gutachter und Zeugen fest, dass das Bioscan-Gerät keine Messungen durchführen könne. Ende Mai 2022 wurden daraufhin die beiden Geschäftsführer des Bioscan-Herstellers wegen gewerbsmäßigen Betrugs und Verstößen gegen das Heilmittelwerbegesetz zu Haftstrafen von drei beziehungsweise zwei Jahren ohne Bewährung verurteilt. Beide wurden noch im Gerichtssaal verhaftet und in unterschiedliche Haftanstalten gebracht.
Außerdem müssen sie die Brutto-Umsätze aus dem Verkauf der Geräte seit 2015 zurückzahlen - mehr als vier Millionen Euro. Die Vertriebsleiterin kam mit einer Geldstrafe davon. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Verteidiger haben gegen das Urteil Berufung beim Landgericht Tübingen eingelegt. Einer Haftbeschwerde wurde mittlerweile stattgegeben, beide Männer sind wieder auf freiem Fuß.
Zell-Check mittels Spektralphotometrie wissenschaftlich nicht belegt
Die Zell-Check-Geräte arbeiten nach Angaben der Vermarktungsfirmen auf Basis einer Technologie mit dem Namen Spektralphotometrie. Beim angeblichen Messvorgang werden die Handflächen an vier Punkten mit dem Zell-Check-Gerät abgetastet. Kurze Zeit später erscheint auf dem Computer-Monitor eine Auswertung. Die Behauptungen sind jedoch nach Ansicht von Experten aus dem Bereich physikalische Chemie wissenschaftlich nicht haltbar, da die meisten der vermeintlich gemessenen Substanzen in dem angegebenen Spektralbereich kein Licht absorbierten. Folglich könnten die Messwerte somit nicht mit Methoden der Spektralphotometrie bestimmt werden.
Vertriebsfirma bestätigt: "Keine direkte Messung"
Die Vermarktungsfirma des Zell-Check, die Projekt Gesundheit Consulting GmbH, räumt in einem Anwaltsschreiben ein: "Die Zell-Check-Analyse stellt keine direkte Messung dar." Auch handelt es sich bei den im Analyse-Protokoll genannten Werten "nicht um die tatsächlichen Vitaminwerte im Körper".
Geschäft für Ärzte, Apotheken und Hersteller
Offenkundig dienen Bioscan- und Zell-Check-Messungen in erster Linie dazu, vermeintliche Nährstoffdefizite aufzuzeigen, um den Patienten Nahrungsergänzungsmittel und andere Präparate zu verkaufen. Das Urteil der Experten ist eindeutig: Solche Geräte hätten in Apotheken und Arztpraxen nichts zu suchen.
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