Mammutaufgabe neue Grundsteuer - Die Neubewertung SHs
Eine Mammutaufgabe liegt vor Amtsinspektor Holger Marquardsen. Zur Neuberechnung der Grundsteuer muss die Akte aller Grundstücke händisch überprüft werden.
Vielleicht liegt es an der mächtigen Statur oder der ruhigen Sprechweise des Amtsinspektors. Vielleicht liegt es am Interieur seiner Amtsstube. Jedenfalls kann man nicht sagen, dass es besonders hektisch zuginge in der Nebenstelle des Finanzamts Nordfriesland in Husum.
1,3 Millionen Grundstücke vor der Neubewertung
Dabei liegt eine riesige Aufgabe vor Amtsinspektor Holger Marquardsen. Sie lagert im Zentrum des Gebäudes: Grundstücksakten. In Husum liegen etwa 65.000, in Leck noch einmal 45.000. Eine für jedes Grundstück des Landkreises Nordfriesland, zusammen 110.000 Akten. Und jetzt kommt es: Marquardsen und sein Team müssen jede einzelne ansehen. So geht es allerdings nicht nur dem Finanzamt Nordfriesland. Landesweit geht es um 1,3 Millionen Grundstücke.
Uralte Bemessungsgrundlage verfassungswidrig
Wie ist es so weit gekommen? Holger Marquardsen: "Die letzte Hauptfestellung war im Jahr 1964." Hauptfestellung heißt, die letzte systematische Bewertung aller Grundstücke. Sie ist die Basis für die Erhebung der Grundsteuer. "Mindestens ein Drittel unserer Akten haben wir 50 Jahre und länger nicht angefasst." Das bedeutet, die Kommunen erheben die Grundsteuer für diese Grundstücke auf der Basis der Berechnungen von 1964. "Das kann man den Leuten heute so nicht mehr verkaufen." Außerdem ist es ungerecht. Seit den 1990er Jahren gibt es verfassungsrechtliche Bedenken. "Dann hat das Verfassungsgericht im Jahr 2000 nachgehakt, und noch mal im Jahr 2006, aber niemand hat das Thema zur Chefsache gemacht."
Dann hat das Bundesverfassungsgericht im Jahr 2018 geurteilt, Bund und Länder müssten bis 2025 die Grundsteuer auf eine neue Basis stellen. Der Bund machte einen Vorschlag, wie es gehen könnte, die Länder hatten aber auch die Möglichkeit, sich eigene Modelle zu überlegen. Grob gesagt, variieren die unterschiedlichen Konzepte in der Zahl der Parameter, die bei der Erhebung berücksichtigt werden. Hamburg beispielsweise favorisiert ein Modell, bei dem Fläche und Lage des Grundstücks bewertet werden, Bayern will die Fläche und die Nutzungsart zur Grundlage machen, der Bund will Grundstücksfläche und Bodenrichtwert, Immobilienart, die zu erwartende Nettokaltmiete, Gebäudefläche und Gebäudealter in die Bewertung einbeziehen.
Koalitionsstreit kostete wertvolle Zeit
Die Jamaika-Koalition konnte sich lange nicht einigen, deswegen wird sie jetzt das Bundesmodell anwenden, auch wenn das das komplizierteste von allen ist. Holger Marquardsen muss für die Neubewertung der Grundstücke, Daten aus dem Grundbuchamt, Katasteramt und aus dem Bauamt zusammenziehen, dazu gehen Fragebögen an alle Grundeigentümer.
Das Ganze muss schnell gehen. Denn wenn die neue Grundsteuer 2025 kommen soll, muss Marquardsen 2023 fertig sein. "Das ist mit dem jetzigen Personal nicht zu schaffen." Immerhin 114 neue Stellen hat das Finanzministerium bewilligt, um die Mammutaufgabe zu stemmen. Ob sich am Ende die Steuerlast für die Einzelnen sehr verändern wird? "Nee. Das soll ja aufkommensneutral sein. Der eine oder die andere wird vielleicht etwas mehr zahlen müssen, für die meisten bleibt aber alles beim alten." Nur eben auf einer anderen Grundlage.
Am Ende ändert sich kaum etwas
Holger Marquardsen wird das Ende des Projekts nicht im Amt erleben. Im April 2022 ist für ihn Schluss - nach dann 43 Jahren in der Bewertungsstelle des Finanzamts. Zu Hause wartet eine Freundin, ein Pferd, ein paar Hektar Land, die er nebenbei bewirtschaftet. Andererseits, vielleicht rufen sie ihn ja auch aus dem Ruhestand zurück, weil die Arbeit zu viel ist, als 450 Euro Kraft oder so. "Das wäre eigentlich gar nicht so schlecht." Denn am Ende sind Grundstücke für Holger Marquardsen auch eine Leidenschaft. "Die sind etwas Reelles, die haben einen Gegenwert."
