Die grüne Lösung? TT-Line startet mit erster LNG-Fähre
Die TT-Line hat ein neues Flaggschiff. Laut Reederei ist die neue "Nils Holgersson" die zur Zeit größte LNG-Fähre der Welt. Mit ihr will TT-Line einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten.
Einmal um die halbe Welt ist die neue "Nils Holgersson" schon gefahren. 11.600 Seemeilen von einer chinesischen Werft Jiangsu Jinling bis nach Travemünde. Seit der vergangenen Woche liegt sie nun am Skandinavienkai und wird von der Crew vorbereitet für ihren regulären Dienst unter anderem zwischen Deutschland und Schweden, der am Dienstagabend gestartet ist.
Letzte Vorbereitungen vor dem Start
Kapitän Stephan Schipplick ist sichtlich stolz auf die neue rund 40.000 PS starke Fähre. Und er ist derjenige, der die "Nils Holgersson" wohl am besten kennt. Neun Monate begleitete er den Bau in China. Fünf Wochen lang dauerte allein die Überführung bis nach Travemünde. Zeit, in der er das Schiff auf Herz und Nieren prüfen konnte. Nun, kurz vor dem Start des Liniendienstes, laufen die letzten Tests. "Heute früh mussten wir das Schiff komplett runterfahren. Alles, bis kein Licht mehr brennt", erklärt der Kapitän. Hintergrund: Schwedische Schiffahrtskontrolleure waren an Bord und haben Sicherheitschecks durchgeführt. "Jetzt sind wir dabei, alles wieder hochzufahren. Und das dauert mehrere Stunden, bei so einem Schiff."
Stephan Schipplick sieht sich gut vorbereitet für die erste reguläre Fährfahrt ins südschwedische Trelleborg. Und auch sein Team an Bord sorgt gerade dafür, dass es bald losgehen kann. Böden und Treppen werden gewischt, Feuerschutztüren in Betrieb genommen. Überall an Bord legt das Personal letzte Hand an. Auch ein Lichtdesigner ist darunter, der für die richtige Stimmung in den einzelnen Bereichen sorgen soll.
Versorgungslage nach Kriegsausbruch unsicherer
Nicht nur drinnen, auch draußen an der Bordwand laufen die letzten Vorbereitungen vor dem Start. Arbeiter kleben eine Nils Holgersson-Comicfigur in luftiger Höhe auf den weiß gestrichenen Stahl. Dahinter prangt in riesigen grünen Lettern "GREEN SHIP". Denn die neue "Nils Holgersson" fährt mit LNG-Gas. "Das war für uns eine große Challenge", so Andreas Schaerli, Projektleiter von TT-Line. Vor vier Jahren in Auftrag gegeben, ist die Fähre nun einsatzbereit. Allerdings ist nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs die Versorgung mit dem Flüssiggas weltweit eine Herausforderung, auch für TT-Line. Aktuell arbeitet die Reederei mit einem Lieferanten aus Rotterdam zusammen, der das LNG unter anderem aus den USA bezieht. Ein Tanker bringt den Treibstoff dann künftig direkt nach Travemünde. Trotzdem: "Die 'Nils Holgersson' wird vermutlich vorerst nicht jederzeit mit LNG fahren können, sondern auch mit herkömmlichen Schiffsdiesel", erklärt Andreas Schaerli - je nach Versorgungslage.
Trotz der aktuellen Versorgungsproblematik ist er überzeugt vom LNG-Schiffsantrieb. Es sei aktuell das Umweltfreundlichste, was es gibt. LNG verbrenne deutlich sauberer als die herkömmlichen Kraftstoffe. Außerdem verbrauche die neue Fähre deutlich weniger als die alten, so Andreas Schaerli.
Umweltorganisationen sehen LNG-Fähren kritisch
Nicht so überzeugt von LNG-Schiffen sind Umweltschützer. Norbert Pralow vom Bund für Umwelt und Naturschutz BUND beobachtet die Entwicklung seit Jahren kritisch. "LNG-Schiffe werden als umweltfreundlich dargestellt. Der Verbrennungsvorgang ist auch sauberer und die Abgase mit weniger Schadstoffen belastet. Aber bei LNG müssen wir die gesamte Lieferkette betrachten und nicht nur den Verbrennungsvorgang. Am Ende ist LNG sogar umweltschädlicher als Marinediesel", so der studierte Schiffsbauingenieur. Die Darstellung der LNG-Fähren als besonders grün hält Pralow für eine reines Marketing.
Auch die Nicht-Regierungsorganisation Transport & Environment, die sich für einen umweltfreundlichen Verkehr einsetzt, zweifelt an der Klimafreundlichkeit von LNG-Schiffen und verweist auf den sogenannten Methanschlupf. Dabei kann nicht genutztes oder verbranntes klimaschädliches Methan in die Atmosphäre entweichen. Die Organisation fordert von der Politik, die Gasantriebe nicht weiter zu fördern, sondern auf wasserstoffbasierte Treibstoffe zu setzen.
Reederei: "LNG ist eine Übergangstechnologie"
Die Kritikpunkte am neuen Schiffstreibstoff sind TT-Line bekannt. "Es ist sicherlich immer noch eine Übergangslösung", erläutert Projektleiter Andreas Schaerli. Allerdings seien die modernsten MAN-Viertaktmotoren im Schiff verbaut. Die zweite Generation. Der Hersteller habe den Methanschlupf in den vergangenen zehn Jahren um 50 Prozent reduziert. In die Zukunft solle es aber noch umweltfreundlicher gehen als mit LNG, so Andreas Schaerli. Die Reederei denke da an Bio-LNG oder synthetisches LNG aus Windkraft oder an andere Kraftstoffe, die in Zukunft zur Verfügung stehen und dann auch mit den Motoren verwendet werden könnten. "Wir gehen nicht davon aus, dass wir 40 Jahre lang mit LNG fahren werden", so Schaerli. Langfristig sei das Ziel der Reederei, so umweltfreundlich wie möglich zu fahren.
