Dr. med. Manuel Munz, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie. © UKSH

Angststörungen: Kinder und Jugendliche erleben die nächste Krise

Stand: 07.10.2022 13:36 Uhr

In der Corona-Pandemie haben Angststörungen, Depressionen und Adipositas bei Kindern und Jugendlichen in Schleswig-Holstein zugenommen. Das zeigt eine umfangreiche Studie der Krankenkasse DAK. Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren sind demnach besonders betroffen. NDR Schleswig-Holstein hat ein Interview mit dem Oberarzt des Zentrums für Integrative Psychiatrie, Dr. Manuel Munz vom UKSH geführt.

NDR Schleswig-Holstein: Was nehmen Sie denn für Symptome wahr bei den Kindern? Was ist da auffällig?

Manuel Munz: Wir haben viele Kinder mit einer Angststörung gesehen. Das muss man sich so vorstellen, dass der Lebensraum, Schule oder Sportverein und Freizeit eine ständige Erprobung für die Jugendlichen darstellt, wo man mutig sein muss, wo man sich durchsetzen muss, vielleicht Leistung bringen muss. Der sogenannte Lockdown hat eben ganz viel Vermeidung ermöglicht und da konnten sich die Jugendlichen nicht erproben. Und dann hatten die richtig Mühe, viele von denen, nach dem Lockdown wieder reinzukommen. Und so haben sich dann die Angststörungen auch gezeigt.

Sie sind ja schon lange Arzt im Bereich Kinder. Was macht Ihnen aktuell in Behandlungen und in den Gespräch mit den Eltern, Kindern, Jugendlichen am meisten zu schaffen?

Manuel Munz: Ich sag' mal die Folgen des Lockdowns, die haben wir zwar vielleicht noch nicht wieder aufgefangen, aber überlebt. Jetzt haben wir eine neue Krise. Da merke ich schon, dass viele Jugendliche bedrückt sind und auch unsicher sind im Zusammenhang mit der gesamten Unsicherheit jetzt in der weltpolitischen Lage. Und das zweite ist das eben jetzt einerseits mit der Pandemie und jetzt auch mit den Energiepreisen, die Thema in den Medien sind, sich wieder zeigt, dass gerade Kinder und Jugendliche eben aus sozial Schwächeren und bildungsfernen Haushalten mehr zu kämpfen haben als die anderen. Also viele Alltagsprobleme, die gerade dann bei diesen Bevölkerungsgruppen ins Gewicht schlagen.

Laut dieser aktuellen Studie sind Mädchen im Alter zwischen 15 und 17 Jahren besonders betroffen. Warum sind sie offenkundig stärker als Jungen betroffen?

Manuel Munz: Da gibt es vielleicht auch biologische Voraussetzungen, die bedingen, dass Mädchen oder Frauen eher mit Angst und Depression reagieren auf Belastung. Bei Jungs sehen wir dann, dass man sich im Computerspiele flüchtet oder vielleicht mehr Impulsivität ein Thema ist. Bei Jungs zeigt sich die Belastung einfach anders.

Was brauchen Kinder und Jugendliche am meisten jetzt in dieser Situation, wenn sie betroffen sind?

Manuel Munz: Ich finde ganz wichtig, dass Eltern oder auch andere Erwachsene im Umfeld des unbedingt ernst nehmen, wenn Kinder ihre Belastung formulieren. Das ist ja auch eine Ressource, seine Belastung zu formulieren. Wenn es über kürzere Zeit geht, ist es im Rahmen der Entwicklung auch völlig normal, traurig zu sein oder Ängste zu haben und manche Herausforderungen nicht zu schaffen. Wenn es daran geht, dass die Kinder und Jugendlichen nicht mehr regelmäßig zur Schule gehen können oder ihre Freunde nicht mehr treffen, dann wäre der Zeitpunkt auch professionelle Hilfe zu suchen. Und das sollte man dann auch zügig machen. Denn je schneller man Hilfe kriegt, desto besser ist natürlich auch die Prognose dann wieder auf Heilung.

Das Interview führte NDR 1 Welle Nord Moderator Julian Krafftzig.

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