Blick in eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage. © NDR

Wie aus stinkendem Klärschlamm wertvoller Dünger wird

Stand: 28.07.2022 20:21 Uhr

Bei Helmstedt ist die landesweit erste sogenannte Monoklärschlamm-Verbrennungsanlage in den Probebetrieb gegangen. Noch läuft nicht alles rund: An einigen Stellen wird nachjustiert.

von Birte Olig

Bisher landet der Schlamm aus Kläranlagen meist auf Äckern. Doch das ist alles andere als unproblematisch. Denn neben dem wertvollen Phosphor befinden sich im Schlamm auch Medikamentenrückstände und Mikroplastik, die dadurch tief in die Böden eindringen können. Bis 2029 soll deshalb Schluss sein mit dieser Praxis. Dann muss, so hat es der Bund beschlossen, aus dem Klärschlamm kommunaler Kläranlagen der Phosphor zurückgewonnen werden. Die private EEW-Gruppe ("Energy from Waste") hat in Helmstedt die landesweit erste Anlage zur Verbrennung von Klärschlamm in Betrieb genommen. Monoklärschlamm-Verbrennungsanlage heißt sie offiziell, weil in ihr ausschließlich Klärschlamm und nichts anderes verbrannt wird.

Nur getrockneter Klärschlamm kann verbrannt werden

Seit gut 20 Jahren betreibt EEW dort bereits eine herkömmliche Müllverbrennungsanlage. Der Standort an sich dürfte vielen ein Begriff sein: Direkt nebenan im Kraftwerk Buschhaus wurde bis vor ein paar Jahren aus Braunkohle Strom gewonnen. Per Lkw wird der Klärschlamm zunächst angeliefert und in einen 16 Meter hohen Bunker gekippt. Noch besteht die braune Masse zu 75 Prozent aus Wasser - zu viel, um sie direkt in den Ofen zu geben. "Der Schlamm brennt dann nicht richtig", erklärt Projektleiter Helge Goedecke. In der großen Halle nebenan wird der Schlamm deshalb in inem Trockner erst mal getrocknet. "Eigentlich haben wir zwei. Aber für den zweiten fehlt noch ein Bauteil, auf das wir seit über einem halben Jahr warten", sagt Verfahrensingenieur Jan Winkler.

Die Temperatur im Ofen beträgt 860 Grad

Bevor die Anlage auf vollen Touren laufen kann, muss sie aber ohnehin noch richtig eingestellt werden. Diverse Parameter an den Maschinen müssen nachjustiert werden, damit sie optimal laufen. Ein aufwendiger Prozess. Auch der Ofen wird - anders als im Regelbetrieb - derzeit noch mit Öl angefeuert. Später soll das nicht mehr nötig sein. Der Klärschlamm wird hier bei Temperaturen um die 860 Grad verbrannt.

Übrig bleibt die Asche

Nach dem Verbrennen bleibt die Asche zurück. Sie wird zunächst in Silos gelagert, denn die weitere Verarbeitung findet nicht hier bei Helmstedt statt, sondern im benachbarten Haldensleben in Sachsen-Anhalt. Dort wird aus der Asche der wertvolle Phosphor zurückgewonnen und daraus wiederum wird Dünger für die Landwirtschaft hergestellt.

Drinnen riecht es faulig, außen nicht

Blick in eine Klärschlamm-Verbrennungsanlage. © NDR
Der Gestank dringe nicht nach außen, versprechen die Betreibenden.

Naturgemäß riecht Klärschlamm faulig. Insbesondere im Bunker, in dem der Schlamm zunächst gelagert wird, stinkt es nach Ammoniak. Nach außen aber, versichert Projektleiter Goedecke, dringen keine Gerüche. "Dafür haben wir extra Schleusen an den Lkw-Zufahrten und außerdem eine Abluft-Anlage." Und auch Schadstoffe würden nicht freigesetzt, erklärt Ingenieur Winkler, sondern wieder in den Verbrennungskreislauf gegeben. Zudem werde überschüssige Energie in das Stromnetz eingespeist.

160.000 Tonnen Klärschlamm pro Jahr

Der Klärschlamm, der hier bei Helmstedt verarbeitet wird, stammt zum Beispiel aus Uelzen, Celle, Bad Fallingbostel, Wolfenbüttel und Salzgitter. In einigen Wochen soll die Anlage unter Volllast laufen: Bis zu 160.000 Tonnen Klärschlamm könnte sie dann laut EEW pro Jahr verbrennen. Das entspricht in etwa 20 Prozent der niedersächsischen Klärschlämme. Daraus wiederum lassen sich etwa 30.000 Tonnen Dünger herstellen.

Stickstoff und Phosphor

Stickstoff wird in der Landwirtschaft als Dünger eingesetzt. Stickstoffüberschüsse landwirtschaftlich genutzter Böden entstehen, wenn mehr gedüngt als von den Pflanzen aufgenommen wird. Wird der ausgebrachte Stickstoffdünger nicht durch die Pflanzen aufgenommen, kann er in Grund- und Oberflächengewässer oder die Luft ausgetragen werden. Dort gefährdet er als Nitrat das Grundwasser und trägt zur Nährstoffüberversorgung von Oberflächengewässern und Landökosystemen bei. 
Quelle: Umweltbundesamt

Der am stärksten limitierende Faktor für das Pflanzenwachstum in Fließgewässern und Seen ist Phosphor, weil mehr Phosphor im Wasser vorhanden ist, als die Pflanzen benötigen. In unbeeinflussten Gewässern kommt Phosphor meist nur in niedrigen Konzentrationen vor, lediglich Moorgewässer weisen natürlicherweise höhere Phosphatgehalte auf. Phosphor wird in Düngern und Waschmitteln eingesetzt.
Quelle: NLWKN

Weitere Informationen
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Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 28.07.2022 | 19:30 Uhr

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