Klimafolgen: Mehr Starkregen, Hitze und Dürre in Niedersachsen

Stand: 13.07.2023 06:49 Uhr

Der Klimawandel führt immer häufiger zu extremen Wetterereignissen. Eine Umfrage zeigt, wie sich die Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen mit den Klimafolgen auseinandersetzen.

von Theresa Möckel

Mehr Extremwetter wie Starkregen, Hitze oder Dürre: Nahezu alle Landkreise und kreisfreien Städte in Niedersachsen rechnen damit. Datenjournalisten von NDR, WDR, BR und Correctiv haben bundesweit alle 400 Landkreise und kreisfreien Städte befragt, mit welchen Klimafolgen sie sich zukünftig konfrontiert sehen und wie sie dagegen vorgehen wollen. In Niedersachsen haben 43 von 45 Landkreisen und kreisfreien Städten an der Umfrage teilgenommen. Die Ergebnisse: 74 Prozent rechnen mit Dürrephasen, 84 Prozent mit Hitzewellen und 93 Prozent mit Starkregen.

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Braunschweigs Oberbürgermeister: "Folgen des Klimawandels spürbar"

Auch die Stadt Braunschweig hat Starkregen als Problem benannt. Vor knapp drei Wochen brachte das Tief "Lambert" hier gewaltige Mengen an Regen. Keller und Parkgaragen liefen voll, rund 1.000 Einsatzkräfte waren unterwegs. Dieses Starkregenereignis übertraf alle Statistiken der Stadt und alles, womit Bürgermeister Thorsten Kornblum je gerechnet hatte: "Wir bereiten uns auch vor auf Hochwasserereignisse, haben beispielsweise einen mobilen Hochwasserschutzwall für die Innenstadt besorgt und üben das auch." Die Folgen des Klimawandels würden alle auch in Braunschweig bereits spüren.

Was in Zukunft immer häufiger erwartet wird

Bedingt durch solche Extremwetter erwarten rund 80 Prozent der Landkreise und kreisfreien Städte höhere finanzielle Belastungen. Es gibt regionale Unterschiede. Alle Landkreise entlang der Küste gehen zum Beispiel von einem Anstieg des Meeresspiegels aus. Braunschweigs Oberbürgermeister Kornblum sieht die Klimafolgen auch in Verbindung untereinander. "Sie haben eine Hitzewelle, die sorgt dafür, dass der Boden richtig austrocknet. Und das ist natürlich dann etwas, wo Starkregen besonders wirkt. Weil ja nichts mehr versickern kann in diesem harten Boden. Und von daher ist das etwas, worauf wir uns tatsächlich einstellen müssen."

Immer mehr Monate der Dürre

Die Mehrheit der Landkreise und kreisfreien Städte stellen sich laut Umfrage auch auf die Zunahme von Hitzewellen und Dürrephasen ein. So auch die Region Hannover, erzählt Umweltdezernent, Jens Palandt. "Wir werden zunehmend tropische Nächte haben. Da gibt es einen Trend, den wir schon beobachten, und das wird weiter voranschreiten. Wir werden Extremwetterlagen haben an verschiedenen Stellen - entweder sehr trocken oder aber sehr nass." Dem Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung zufolge steigt in vielen Landkreisen die Anzahl der sogenannten Dürremonate. Ein Monat wird als Dürremonat gezählt, wenn mehr als 50 Prozent der Fläche eines Landkreises von der Dürre betroffen sind. Rund die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte erwartet bis 2050 aufgrund von Dürre höhere finanzielle Belastungen.

Klimaanpassung vs. Klimaschutz

Anders als beim Klimaschutz, der sich zum Ziel setzt, die Auswirkungen des Klimawandels vorbeugend zu verhindern, geht es bei den Klimaanpassungen darum, auf die Klimafolgen zu reagieren. Beim Kompetenzzentrum Klimawandel des Landes Niedersachsen können sich Landkreise und Kommunen beraten lassen und Informationen zu Klimaanpassungsmaßnahmen einholen. Dieser Service ist laut Leiterin Lena Hübsch bereits sehr nachgefragt. Trotzdem steht Niedersachsen bei diesem Thema noch ganz am Anfang: "Das ist noch viel Arbeit, denn die Klimafolgenanpassung umfasst eigentlich unser ganzes Leben und alle Handlungsbereiche. Und insofern müssen wir auch alle Handlungsbereiche mitdenken und mitnehmen."

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Welche Maßnahmen sind geplant?

Ein ausformuliertes und beschlossenes Konzept zu Klimaanpassungsmaßnahmen gibt es nur in sieben Landkreisen und kreisfreien Städten. Dazu gehört auch die Region Hannover. Umweltdezernent Palandt hofft, dass dieses nun auch schnell umgesetzt wird. Denn der fortschreitende Klimawandel bringe Schäden. Ein Viertel der Landkreise und kreisfreien Städte, darunter Celle, Emden und Goslar gibt an, aktuell ein solches Maßnahmenkonzept zu erarbeiten, so auch die Stadt Braunschweig. Die Priorität liege für Braunschweigs Oberbürgermeister Kornblum weniger bei einem umfassenden Konzept, sondern bei einzelnen Maßnahmen. "Wir haben gar keine Zeit, erst ein großes Konzept zu schreiben, dann in die Umsetzung zu gehen. Sondern da, wo es schon möglich ist, wird auf allen Ebenen umgesetzt."

Bäume anpflanzen gegen Hitze

Die Region Hannover plant Standorte zu entsiegeln, eine Machbarkeitsstudie zur Fassadenbegrünung oder Regenwasserkonzepte. Braunschweig setzt in Neubaugebieten auf das Konzept sogenannter "Schwammstädte". Das heißt, es sollen Flächen geschaffen werden, auf denen das Wasser verdunsten oder der Regen zurückgehalten werden kann, erklärt Kornblum. Die häufigste Maßnahme, um sich an den Klimawandel anzupassen ist in Niedersachsen laut Umfrage die Begrünung durch Bäume. Mehr als die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte hat das bereits umgesetzt.

Finanzierung ungewiss

Fast 40 Prozent der niedersächsischen Landkreise und kreisfreien Städte finanziert Maßnahmen zur Klimaanpassung laut den Recherchen von NDR, WDR, BR und Correctiv überwiegend oder ausschließlich aus Fördermitteln. Ungefähr ein Drittel ist in der Lage die Hälfte der Kosten aus eigenen Mitteln aufzubringen. Insgesamt 20 Landkreise planen in den kommenden zwölf Monaten Stellen im Bereich Klimaanpassung zu schaffen. Knapp die Hälfte der Landkreise und kreisfreien Städte vermutet, dass erforderliche Maßnahmen für die Anpassung an Klimafolgen in den kommenden Jahren nicht finanziert werden können. Dabei sind mit Blick auf die Zunahme der Extremwetter-Ereignisse auch hier schnelle Lösungen gefragt.

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Hallo Niedersachsen | 13.07.2023 | 19:30 Uhr

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