Weltautismus-Tag: Wenig Hilfe für Betroffene
Autisten haben es schwer in der Gesellschaft. Unter anderem können sie emotionale Signale von anderen oft nur schwer einschätzen und reagieren für Außenstehende oft "eigenartig". Hilfe zu bekommen, ist in Mecklenburg-Vorpommern allerdings gar nicht so leicht.
"Dass unser Sohn ein bisschen anders ist als andere, hab' ich schon früh gemerkt, schon mit 'nem halben Jahr, weil er den Blickkontakt nicht herstellen konnte. Und er hat auch nicht gesprochen." Simone Glawaty aus Kritzkow bei Rostock weiß aus eigener Erfahrung, wie anstrengend das Leben mit einem autistischen Kind sein kann. Oft sei der Junge extrem schwer zu händeln gewesen, er habe viel kaputt gemacht und als er später in einer Behindertenwerkstatt arbeiten sollte, schickte diese ihn nach kurzer Zeit wieder nach Hause - weil er nicht in die Gruppe einzugliedern sei.
16.000 Betroffene in MV - jeder Hundertste
Rund 16.000 Menschen in Mecklenburg-Vorpommern haben autistische Wahrnehmungsstörungen, so schätzt der Landesverband Autismus. Wobei es vermutlich eine große Dunkelziffer gibt. Das Komplizierte daran ist, dass es kein einheitliches Erscheinungsbild gibt - vom frühkindlichen Autismus, der schon in den ersten beiden Lebensjahren deutlich spürbar ist, bis hin zum sogenannten Asperger-Syndrom, bei dem keinerlei Intelligenzminderung vorliegt und das oft sogar mit besonderen Stärken auf Spezialgebieten verbunden ist.
Was alle eint: Autisten haben oft Schwierigkeiten, Gefühle anderer richtig einzuordnen und angemessen darauf zu reagieren - wodurch sie leicht ins Abseits geraten. Viele sind extrem sensibel, hören, riechen oder sehen viel mehr Details als andere, deren Wahrnehmung stärker gefiltert wird. Und um einigermaßen den Überblick zu behalten, flüchten sie sich in Rituale, die dann auf gar keinen Fall gestört werden dürfen.
Diagnose: Viel Aufwand, wenig Geld

Ein großes Problem in Mecklenburg-Vorpommern: Es gibt nur sehr wenige Ärzte, die sich mit Autismus auskennen, so der Verband. Vor allem Erwachsene weichen deshalb häufig zu Spezialisten nach Hamburg oder Berlin aus. Die Vorsitzende Rosita Mewis ärgert sich: "Die Ärzte oder auch die Psychologen müssen sich mit dem Thema richtig beschäftigen wollen. Und sie müssen sich dafür engagieren, dass den Menschen dann auch geholfen wird, weil die viele Zeit, die sie für eine Diagnose aufwenden, nicht bezahlt wird." Die Abrechnungsschlüssel der Krankenkassen seien in dem Punkt vollkommen weltfremd.
Keine Diagnose, keine Therapie
Ohne Diagnose gibt es aber eben auch keine Therapien und auch keine anderweitige Unterstützung. Dabei sei in diesem Bereich vieles möglich - vom Integrationshelfer in der Schule bis hin zur individuellen Förderung. Schwierig wird es laut Landesverband immer dann, wenn Autismus mit geistiger Behinderung und provozierendem Verhalten einher geht. Rosita Mewis kritisiert: "Da etwas zu finden, dass sie nicht nur ruhig gestellt werden und dann den ganzen Tag in einer Wohneinrichtung auf dem Sofa sitzen, sondern wirklich ein erfülltes Leben haben, das ist schwierig, da haben wir zu wenig Angebote im Land." Überhaupt gebe es kaum Wohneinrichtungen für stark verhaltensauffällige Autisten. Simone Glawaty, deren Sohn rund um die Uhr betreut werden muss, erzählt: "Wir stehen in fünf Einrichtungen auf der Warteliste. Wir werden ja auch nicht jünger und irgendwann muss sich ja jedes Kind auch abnabeln." Angemeldet hat sie den inzwischen Erwachsenen schon an seinem 18. Geburtstag - der mittlerweile sieben Jahre her ist.
