Stand: 02.10.2018 06:07 Uhr
Prora: Kreistag stimmt Verkauf von Block 5 zu
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Block 5 auf Prora: Der letzte noch unverkaufte Block hat einen Investor gefunden.
Der Großteil des letzten noch unverkauften Blocks der von den Nationalsozialisten als "Seebad der 20.000" erbauten Häuserkette in Prora soll privatisiert werden. Dort sollen vornehmlich Wohnungen entstehen. Der Kreistag von Vorpommern-Rügen stimmte am Montagabend im nichtöffentlichen Teil seiner Sitzung dem Verkauf von Block 5 zu, wie Landrat Ralf Drescher (CDU) im Anschluss sagte. Zu Käufer und Kaufsumme machte er keine Angaben. Die Blöcke 1 bis 4 hatte der Bund seit 2004 an Privatinvestoren verkauft, die dort Ferien- und Dauerwohnungen sowie Hotels schufen.
Dauerausstellung im Block 5 geplant
Im Block 5 des Gebäudekomplexes befindet sich eine Jugendherberge. Nach dem Willen des Landkreises soll der Käufer die Verlegung des Jugendherbergs-Campingplatzes finanzieren sowie ein Kleinspielfeld und Sanitärgebäude für das Jugendherbergswerk errichten. Zudem soll dort eine Dauerausstellung über die NS- und die DDR-Geschichte des Ortes Prora entstehen.
Zwei Vereine in Prora hatten sich seit Jahren dafür eingesetzt. Für den Aufbau des Zentrums in der etwa 40 Meter breiten Liegehalle hatten Land und Bund jeweils 3,4 Millionen Euro zugesagt. Die endgültige Entscheidung über den Träger des Zentrums steht noch aus. Die Finanzierung der Ausstellung und der Betriebskosten ist bislang noch nicht gesichert. Landrat Drescher äußerte sich besorgt, dass die Landesregierung nicht so wie gewünscht in die Verantwortung tritt und der Landkreis weiter finanziell belastet werden könnte.
Geschichte
Als "Seebad der 20.000" hatten die Nazis die riesige Anlage in Prora auf der Insel Rügen geplant. Lange Zeit verfielen die denkmalgeschützten Gebäude - heute sind sie wieder interessant.
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"Koloss von Rügen" für 20.000 Menschen
Die Anlage war 1936 von den Nationalsozialisten als 4,5 Kilometer lange Ferienanlage konzipiert und im Rohbau errichtet worden. In dem "Koloss von Rügen" sollten sich bis zu 20.000 Menschen erholen. Mit Kriegsausbruch wurden die Arbeiten eingestellt.
Die DDR baute Prora zu einem riesigen Militärkomplex aus. Zuletzt war Prora offiziell zum staatlich anerkannten Erholungsort ernannt worden.
Prora: Aufbau, Verfall und Sanierung
Das von Adolf Hitler in Auftrag gegebene Seebad Prora wird nie komplett fertiggestellt. Die Ferienanlage soll laut Planung 20.000 Menschen Erholung auf der Ostseeinsel Rügen ermöglichen.
Die KdF-Anlage wird vorrangig vom Architekten Clemens Klotz geplant. Am 2. Mai 1936 findet die Grundsteinlegung statt. Das Ereignis wird als Großveranstaltung gefeiert und im Radio übertragen. Kriegsmarine und Luftwaffe bilden den militärischen Rahmen.
Im April 1938 beginnen die Fundamentarbeiten. Bis zum Sommer 1939 werden die sogenannten Bettenhäuser, also die zum Strand parallelen Unterkunftshäuser, im Rohbau fertiggestellt.
In den nach hinten ausgerichteten Gebäudeteilen befinden sich unter anderem die Treppenhäuser inklusive der sanitären Einrichtungen.
Diese Luftaufnahme des "Koloss' von Rügen" zeigt nur vier von insgesamt acht baugleichen Blöcken - geplant sind anfangs sogar neun. Insgesamt erstreckt sich der Gebäudekomplex über viereinhalb Kilometer. Heute steht das längste Bauwerk der Nationalsozialisten unter Denkmalschutz.
Nach Kriegsbeginn stoppen die Nazis die Bauarbeiten. Teile des Rohbaus dienen als Ausbildungsstätte, Lazarett oder auch Flüchtlingslager. 1945 sprengt die Rote Armee den Nordflügel. Komplett zerstört wird das robuste Bauwerk dadurch jedoch nicht - es bleibt eine einsturzgefährdete Ruine.
"Einsturzgefahr" und "Betreten verboten" heißt es in vielen Gebäudeteilen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wird die Nationale Volksarmee in Prora stationiert. Einen der Blöcke nutzt das DDR-Militär als Erholungsheim für NVA-Soldaten und deren Angehörige.
Imposant: Wer einmal selbst neben den langgezogenen Gebäudeteilen - hier die sogenannten Bettenhäuser - gestanden hat, bekommt ein wirkliches Gespür für den Gigantismus der Nationalsozialisten.
Kurios: Ist man erst am Strand, ist das mehrstöckige Gebäude kaum noch zu sehen - dank der Bäume und der Dünenlandschaft.
Grau, schmutzig, unansehnlich: Der "Koloss" zerfällt im Laufe der Jahre immer mehr.
Die KdF-Anlage liegt inmitten idyllischer Natur. Diese hat sich bei den nicht genutzten oder zerstörten Blöcken Stück für Stück das Terrain zurückerobert.
Neben der Natur greifen auch die Menschen immer wieder ein. Die KdF-Anlage bleibt lebendig.
Das bezieht sich auch auf die Vergangenheit: Seit 2000 befasst sich das Dokumentationszentrum Prora mit dem historischen Denkmal. Die Dauerausstellung "MACHTUrlaub" ordnet Freizeit im Nationalsozialismus in den machtpolitischen Rahmen ein. Begleitet wird sie von wechselnden Ausstellungen wie hier über polnische Zwangsarbeiter...
... oder die Sonderausstellung "Im Objektiv des Feindes. Die deutschen Bildberichterstatter im besetzten Warschau 1939 - 1945". Die Ausstellung zeigt über 135 Fotos dieser Zeit.
Die Ferienanlage wird zwischenzeitlich unter anderem für kulturelle Veranstaltungen wie ein Jugendevent genutzt. Ziel des Festivals ist es, junge Menschen zum Diskutieren über Politik und Demokratie zusammenzubringen. Hier entsteht schon 2003 die Idee, eine Jugendherberge in Prora zu etablieren.
Und so kommt es auch - aus alt mach neu: So sieht Block V des Komplexes während der Teil-Sanierung aus. Es entsteht die größte Jugendherberge Mecklenburg-Vorpommerns. Unterstützt wird das Vorhaben mit mehreren Millionen Euro. Der Hotel- und Gaststättenverband kritisiert dabei das öffentliche Engagement. Der Ausbau gefährde die Hotellerie, so der Vorwurf.
Sanierte, helle Fassade: Der Block sieht zumindest etwas freundlicher aus. Die Länge des Gebäudes bleibt eindrucksvoll.
Im Block V wird im Juli 2011 die Jugendherberge eröffnet. Auf fünf Etagen stehen 100 Zimmer für 400 Gäste bereit.
Und so bevölkern inzwischen viele junge Menschen den auf Vordermann gebrachten Block der alten Anlage der Nationalsozialisten.
Feiern soll auch möglich sein - allerdings ist der Ort dafür von einer topmodernen Partymeile weit entfernt. Immerhin gibt es in dem alten Gebäudekomplex eine Disco und ein Restaurant.
In anderen Blöcken tut sich hingegen eine Menge: So entstehen in den südlichen Komplexen viele neue Wohnungen und Appartements. Zwar können hier nicht unbedingt 20.000 Menschen ihren Urlaub verbringen, aber Platz für Feriengäste sowie neue Einwohner ist reichlich vorhanden.
Die Arbeiten ziehen sich über Jahre hin. Dabei wird jede Menge Schutt aus den Blöcken entfernt. Nach der Entkernung beginnt die eigentliche Umgestaltung.
Neue Bewohner oder Mieter müssen mitunter tief in die Tasche greifen. Der Quadratmeterpreis für eine luxuriöse Wohnung reicht bis zu 6.500 Euro.
So sollen die Häuser den Planungen zufolge am Ende aussehen. Das gigantische Ausmaß bleibt, aber die Blöcke wirken nun frisch und sauber - vom Grau der NS-Zeit ist nichts mehr zu sehen.
Weitere Informationen
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NDR 1 Radio MV |
02.10.2018 | 06:00 Uhr