Christoph Morgen (M), vorläufiger Insolvenzverwalter der MV-Werften, informiert auf einem Pressegespräch über die weiteren Schritte nach der Insolvenz. © dpa-Bildfunk Foto: Bernd Wüstneck

MV-Werften: Insolvenzverwalter sucht Lösung mit Genting

Stand: 14.01.2022 13:04 Uhr

Nachdem sich der Insolvenzverwalter Christoph Morgen am Donnerstag bei den drei Werftstandorten vorgestellt hat, folgte nun ein erstes Gespräch in "konstruktiver" Atmosphäre mit dem Mutterkonzern Genting. Derweil sind Experten skeptisch, was die Chance eines Verkaufs der "Global 1" betrifft.

"Wir haben in guter, konstruktiver Atmosphäre ein erstes Gespräch geführt und werden nach Lösungen für die Finanzierung suchen", sagte der vorläufige Insolvenzverwalter der MV-Werften, Christoph Morgen, am Freitag nach seinem Treffen mit Vertretern des Mutterkonzerns der MV-Wertfen, Genting Hongkong. Über Inhalte wollte Morgen nichts sagen. Dies werde er tun, "wenn wir ein Ergebnis erzielt haben".

Morgen: Insolvenzverfahren ab 1. März

Am Donnerstag hatte Morgen den drei Werftstandorten einen Antrittsbesuch abgestattet. Das Insolvenzverfahren werde ab 1. März eröffnet, bis dahin seien die Löhne der rund 1.900 Mitarbeiter gesichert, teilte er den Beschäftigten mit. Zugleich machte Morgen Hoffnung, dass das zu rund 75 Prozent fertiggebaute Kreuzfahrtschiff "Global 1" fertiggestellt werden kann. Außerdem stellte Morgen den Bau der "Global 2" in Aussicht. Unklar ist jedoch, mit welchem Geld das geschehen soll und ob der Mutterkonzern Genting Hongkong das fertige Schiff überhaupt wie geplant abnimmt. Wie groß das Interesse Gentings daran und die finanziellen Möglichkeiten des Konzerns sind, sollte auch Thema des heutigen Gesprächs sein, wie es im Vorfeld hieß.

Schiffbau-Experte ist pessimistisch: "Schwimmendes Glücksspiel-Casino"

Die Frage ist, woher Genting das Geld nehmen soll, um das bestellte Schiff zu bezahlen. Der Konzern, der sein Geld mit Glücksspiel und Kreuzfahrten verdient, ist durch die Pandemie massiv in die roten Zahlen gerutscht. Der Aktienkurs ist eingebrochen, und Genting muss laut Beobachtern damit rechnen, dass Banken Kredite kündigen könnten, was die Krise verschärfen könnte. Der Schiffbau-Experte Jochen Tholen von der Universität Bremen ist eher pessimistisch - insbesondere was die "Global 1" betrifft. Das Schiff sei auf Genting und sein Geschäftsmodell zugeschnitten, so Tholen zu NDR Info: "Die 'Global 1' ist nichts anderes als ein schwimmendes Glücksspiel-Casino. Insofern sehe ich nicht, wo es Abnehmer geben sollte", so Tholen. Der Experte sieht insgesamt schwarz, was den Bau neuer Kreuzfahrtschiffe angeht. Der Markt komme wahrscheinlich erst in drei oder vier Jahren in Schwung - für die MV-Werften sei das zu spät.

Bundesfinanzminister Lindner sagt Hilfe zu

Es scheint also eine echte Mammutaufgabe zu sein, die "Global One" zu Ende zu bauen und dann auch verkaufen zu können. Auch an den Standorten ist die Lage schwierig. Bis Ende Februar gibt es noch Insolvenzausfall-Geld, was dann passiert, ist offen. Die Landesregierung denkt über eine Transfergesellschaft nach. Auch der Bund hat signalisiert, das er helfen werde. Die Bundesregierung werde alles tun, um die Beschäftigten an den Standorten in Wismar, Stralsund und Rostock zu unterstützen, zitieren die Zeitungen des "Redaktonsnetzwerks Deutschland" einen Brief von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an den Gesamtbetriebsrat. Lindner wies dem Mutterkonzern Genting Hongkong die Verantwortung für die Situation zu. Der Werft-Eigner habe sich geweigert, den notwendigen Eigenbeitrag als Voraussetzung für staatliche Hilfe zu zahlen.

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Schwesig: "Unterstützung des Bundes wichtig"

In einer Dringlichkeitssitzung des Landtags am Donnerstag verteidigte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) den Kurs der Landesregierung. Nun müsse nach vorn geschaut werden. Doch dafür sei die Unterstützung des Bundes wichtig. Ob sich der Bund jetzt in Form einer Bürgschaft beteiligt, ist unklar. Zumindest die bisherigen Bundeshilfen waren zuletzt auch an Bedingungen an den Mutterkonzern Genting Honkong geknüpft.

"Die Unsicherheit bleibt leider"

"Es ist der feste Wille von allen Beteiligten - Politik, Kunde, mein Wille -, dass wir die 'Global 1' zu Ende bauen und dass wir auch nicht ausschließen, die 'Global 2' zu bauen", sagte Morgen am Donnerstag. Dafür gebe es allerdings Voraussetzungen: "Wir brauchen das Geld und wir brauchen jemanden, der die Schiffe nicht nur abnehmen möchte, sondern sie auch abnehmen kann." Auf diese offenen Fragen habe er derzeit noch keine Antwort, so Morgen weiter. "Das wird man in den nächsten Wochen klären müssen, ob es Möglichkeiten gibt." Von politischer Seite gebe es ernsthafte Unterstützung, aber "am Ende hängt es eben auch an externen Faktoren, sodass leider die Unsicherheit bleibt."

Rostocks OB Madsen: "Aus Tradition Innovation machen"

Rostocks Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen auf dem Rostocker Gelände der MV-Werften © NDR Foto: NDR
Rostocks OB Madsen sieht die Zukunft des Rostocker Standorts als Energiehafen.

Verhalten optimistisch zeigte sich am Donnerstag auch der Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen (parteilos): "Ich finde es gut, dass alle sich zur Werft bekennen und dass keiner sagt: 'Jetzt müssen wir mal Abstand nehmen'", so Madsen nach seinem Besuch auf der Werft zum NDR. Der Insolvenzverwalter mache einen "positiven Eindruck" und die Eigner seien weiterhin daran interessiert, die Schiffe fertig zu bauen. "Aber wir müssen auch nach vorne schauen und aus Tradition Innovation machen: Energiewende - Deutschlands Energiehafen kann mehr", sagte Madsen.

"Ein bisschen Hoffnung"

Auch aus der Belegschaft kamen nach dem Besuch hoffnungsvolle Stimmen. "Kurzfristig ist das jetzt beruhigend für einen selber", sagte Konstrukteur Alexander Harms. Man spüre, dass es der Politik wichtig sei, dass die Gehälter ausgezahlt würden und dass viel daran gelegen sei, die Projekte weiterzuführen. "Das gibt einem ein bisschen Hoffnung. Nach zwei Jahren Bangen bin ich meiner Familie schuldig, auch 'mal mit guten Nachrichten nach Hause zu kommen."

Herausforderung: Fachkräfte halten

Insgesamt bleibt die Zukunft der drei Werftstandorte Wismar, Warnemünde und Stralsund noch ungewiss - zwischen der Fertigstellung der "Global One" und einer möglichen Umnutzung der Werftgelände für andere maritime Serviceleistungen oder erneuerbare Energien werde eine Lücke liegen, so Morgen. Die Herausforderung sei, die Fachkräfte bis dahin zu halten.

Die MV-Werften hatten am Montag Insolvenzanträge gestellt; dem Schritt waren wochenlange Verhandlungen zwischen dem Unternehmen, dem Bund und dem Land Mecklenburg-Vorpommern vorausgegangen. 

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 14.01.2022 | 12:00 Uhr

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