MV Werften: Genting übt Druck auf Land und Bund aus
Beim Ringen um die finanziell angeschlagenen MV Werften sieht Genting Bund und Land in der Verantwortung. Am Nachmittag berät der Finanzausschuss des Landes in einer Sondersitzung darüber, wie es weitergeht.
Der Werften-Eigentümer Genting Hongkong sieht für die Rettung der Werften den Bund am Zug. "Die Werften jetzt fallen zu lassen, wäre der größte ökonomische Fehler, den die Bundesregierung machen könnte", sagte der Genting-Präsident Colin Au am Sonntag in Wismar. Er appellierte an Bund und Land, ihre ablehnende Haltung bei der Freigabe von Geldern für die Fertigstellung des Schiffs "Global 1" zu überdenken. Neben den Arbeitsplätzen im Nordosten sei zusätzlich eine ganze Branche mitsamt Zulieferern im In- und Ausland bedroht. Bund und Land fordern dagegen eine höhere Beteiligung des Unternehmens.
Zähes Ringen zwischen Genting, Bund und Land
Die Bundesregierung ringt seit Tagen mit dem asiatischen Eigentümer um die Rettung des angeschlagenen Werftenverbunds. Zuletzt waren die Löhne für die rund 2.000 Mitarbeitenden im Land nicht ausgezahlt worden. Für zusätzliche Verunsicherung unter der Belegschaft hatte am Freitag die Meldung gesorgt, dass an der Hongkonger Börse der Handel mit Aktien von Genting ausgesetzt worden war. Der Bund ist zu weiteren Hilfen bereit, wollte bisher aber nicht von seiner Forderung nach einem substanziellen Beitrag von Genting abrücken. Es fehle ein klares Bekenntnis der Eigentümer zu ihrer Werft, hieß es zuletzt aus Berlin. Die IG Metall Küste hat die Werftarbeiter für heute zu einer Online-Mitgliederversammlung eingeladen.
Werften-Chef Haake: Der Bund will nicht, Genting kann nicht
Werftengruppen-Geschäftsführer Carsten Haake sparte am Sonntag nicht mit Vorwürfen gegen den Bund. Dieser habe die aktuelle Problematik verursacht, indem die Auszahlung von Geldern beim Bau des rund 1,5 Milliarden Euro teuren Schiffes "Global 1" beim Erreichen eines Bau-Zwischenstandes - dem sogenannten Meilenstein F - im vergangenen Dezember blockiert worden sei. Dem Bund sind Haake zufolge die Risiken für den Fertigbau des Schiffes aufgrund der Entwicklung in der Kreuzfahrtbranche zu groß. Haake geht davon aus, dass sich die Bundesregierung aktuell nicht bewegen wolle - und dass sich Genting nicht bewegen könne. "Wir haben uns abgearbeitet an den Auflagen des Bundes", sagte Haake. Vier Vorschläge Gentings seien vom Bund abgelehnt worden.
Bundes-Gelder für Fertigbau von "Global 1" im Gegenzug für Eigenbeitrag von Genting
Die Bundesregierung hatte schon vor Weihnachten einen Vorschlag vorgelegt, um die Werften zu retten: Das mehr als 340 Meter lange Kreuzfahrtschiff "Global 1" sollte mithilfe von rund 600 Millionen Euro aus dem staatlichen Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) fertig gebaut werden. Im Gegenzug verlangte das Wirtschaftsministerium einen Eigenbeitrag des Eigentümers von 60 Millionen Euro. Genting hatte bislang jedoch nur 30 Millionen Euro in Aussicht gestellt, soll aber laut "Ostsee-Zeitung" nun weitere elf Millionen Euro angeboten haben. Doch auch das sei vom Bund als noch nicht genug bezeichnet worden. Als Sicherheit für die Finanzspritze des Bundes sollte das Schiff verwendet werden. Auch die Landesregierung ist zu einer Finanzspritze bereit. Finanzminister Heiko Geue (SPD) hatte das am Freitag im NDR Nordmagazin bekräftigt. Eine Rettung um jeden Preis werde es aber nicht geben.
Bundes-Werftenbeauftragte Müller: Genting soll angemessenen Eigenbeitrag leisten
Die neue maritime Koordinatorin der Bundesregierung, Claudia Müller (Grüne), betonte am Sonntagabend, die Bundesregierung sei nach wie vor bereit, umfassend zu helfen. Das Angebot, den Fertigbau der "Global 1" mit 600 Millionen Euro zu unterstützen, stehe weiterhin. "Wir appellieren an die Eigentümer, einzulenken und einen angemessenen Eigenbeitrag zu leisten, um so gemeinsam alles zu tun, um die mehr als 1.900 Arbeitsplätze zu retten", so Müller. Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) appellierte an die Werften-Gruppe, die Verhandlungen fortzusetzen. "Das Verhandlungsangebot des Bundes liegt auf dem Tisch", sagte er am Sonntag. Es sei im Interesse der Landesregierung, der Beschäftigten und des Schiffbaus, die Werftenstandorte zu erhalten. "Das Schwarze-Peter-Spiel, wer hat wann was gesagt, bringt uns nicht weiter", so Meyer.
"Ohne Covid 19 hätten wir die Regierung nie um einen Euro gefragt"
Au betonte in Wismar, dass die Kreuzfahrtbranche in Asien wieder gestartet sei und "profitabel" arbeite. Genting habe die Werften ausschließlich mit dem Ziel übernommen, Kreuzfahrtschiffe zu bauen. Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass das Unternehmen seither mehr als zwei Milliarden Euro in die MV-Standorte aus eigener Tasche investiert habe, die Zahl der Mitarbeiter sei verdoppelt worden. "Ohne Covid 19 hätten wir die Regierung nie um einen Euro gefragt." Aus Sicht von Au ist es mehr als wahrscheinlich, dass die Corona-Pandemie im Frühjahr nachlassen wird. Der Übergang zur Normalität und damit auch die Rückkehr der Kreuzfahrtindustrie stehe an.
Betriebsrat sieht ernüchternde Signale: "Keine Antworten bekommen"
Die Chefin des Gesamtbetriebsrats, Ines Scheel, sagte, sie habe nach den Gesprächen der vergangenen Woche die Hoffnung auf ein Überleben der MV Werften fast aufgegeben. Sie habe mehrfach alle Beteiligten bei Bund und Land aufgefordert, sich noch einmal an den Tisch zu setzen. Nach ihrer Darstellung hat sich in den vergangenen Wochen keiner der verantwortlichen Politiker von Bund und Land auf den Werften sehen lassen. "Wir haben Briefe an den Bundeskanzler, die Bundesministerien und die Landesregierung geschrieben und keine Antworten bekommen", kritisierte sie.
Insgesamt fehlen 148 Millionen Euro
Hintergrund der Krise der MV Werften ist eine Liquiditätslücke, die durch das Unternehmen angezeigt wurde. Konkret geht es dem Vernehmen nach um 148 Millionen Euro, die durch weitere Darlehen von Land und Bund eingenommen werden sollten. Ob diese erneuten Hilfszahlungen ausgereicht werden, ist aber weiterhin unklar. Genting hatte die Werften in Rostock, Wismar und Stralsund 2016 als Reaktion auf den damals boomenden Kreuzfahrt-Markt erworben, um dort für konzerneigene Reedereien Schiffe bauen zu lassen. Doch mit dem Einbruch der Branche infolge der Corona-Krise geriet der asiatische Mutterkonzern in Schwierigkeiten, die bis heute anhalten.
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