Phantastische Geschichten
In den 1950er Jahren bearbeitete Günter Eich für den NDR zehn „Phantastische Geschichten“. NDR Kultur sendet zwei der Hörspiele. Alle Episoden veröffentlichen wir ab 20.06. täglich in unserem Podcast, der NDR Hörspielbox.
Der bis heute wichtigste und stilprägendste deutsche Hörspielautor bearbeitete „Phantastische Geschichten“ von Rudyard Kipling ("Die schönste Geschichte der Welt"), Nikolai Gogol ("Die Nase"), Friedrich Gerstäcker ("Germelshausen"), Pu Songling ("Das lachende Mädchen"), Tania Blixen ("Die Sintflut von Norderney"), Pierre Boulle ("Die Nacht ohne Ende"), Juan Antonio de Zunzunegui ("Don Lukas und das Unverkäufliche"), Wilhelm Hauff ("Der junge Engländer"), Marcel Aymé ("Die Siebenmeilenstiefel") und Wilhelm von Scholz ("Antwerpener Sage"). Leider ist die ursprüngliche Folge 2, die "Antwerpener Sage“, nicht auffindbar, was wir sehr bedauern.
NDR Kultur sendet zwei der neun Hörspiele, alle Episoden veröffentlichen wir vom 20.06. bis 28.06. in unserem Podcast, der NDR Hörspiel Box.
1. Die schönste Geschichte der Welt
Wo liegt die Quelle der Fantasie? Rudyard Kipling glaubt sie in dieser Geschichte gefunden zu haben.
Charlie Mears ist ein unscheinbarer junger Bankangestellter. Aber er fühlt sich zum Dichter berufen, auch wenn er nur "Herz" auf "Schmerz" reimt und "Liebe" auf "Triebe". Doch eines Tages berichtet er Rudyard Kipling von seiner Idee zur "schönsten Geschichte der Welt" - und sobald Charlie zu erzählen beginnt, ist Kipling fasziniert. Charlie schildert das Leben eines griechischen Galeerensklaven in den lebhaftesten und verblüffendsten Details. Es ist, als habe er sie selbst erlebt.
Bald kommt Kipling zu der Überzeugung: Charlie hat diese Geschichte selbst erlebt, in einem früheren Leben. Und Kipling will diese Geschichte unbedingt erfahren, um sie selbst nieder zu schreiben.
Geschichte von Rudyard Kipling - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Hans Paetsch, Jürgen Goslar und Hermann Stelter.
Regie: Hans Rosenhauer.
Produktion: NDR 1956.
2. Die Nase

Der Inhalt ist bekannt: Ein liederlicher Barbier findet (im Frühstücksbrot eingebacken) die Nase eines Kunden. Dieser, der Kollegienassessor und Major Kowaljew, entdeckt morgens im Spiegel denn auch sein vollkommen flaches Gesicht und wenig später auf der Straße die Nase, die nun als Höherer Beamter mit Uniform und Säbel draußen herum kutschiert. Seine Versuche, die Nase wieder zur Raison und ins Gesicht zu zwingen, scheitern. Nichtsdestoweniger befindet sie sich unversehens wieder da, wo sie hingehört, und die Welt ist wieder heil. (Heinz Schwitzke)
Geschichte von Nikolai Gogol - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Heinz Klevenow (Erzähler), Kurt Ehrhardt (Kowaljew), Ludwig Anschütz (seine Nase), Reinhard Brox (Barbier), Margot Bieler (seine Frau), Rolf Boysen (Polizist), Hanns Lothar (Polizist), Inge Birkmann (2. Erzähler), Max du Menil (Doktor), Günther Neutze (Angestellter).
Regie: Heinrich Koch.
Produktion: NDR 1956.
3. Germelshausen
Die "Erzählerin" berichtet: Ein wandernder Malersmann kommt in einen kleinen Ort, über dem eine unheimliche Stille liegt. Ein Mädchen, das er zufällig am Weg getroffen hatte, hat ihn dorthin mitgenommen, und er verliebt sich in sie. Dennoch muss er, weil das von Anfang ausgemacht war, nach einem nächtlichen Tanzfest um Mitternacht das Dorf verlassen. Am nächsten Morgen kann er es nicht wiederfinden. Es ist seit langer Zeit versunken und verschwunden und taucht nur alle hundert Jahre einmal für einen Tag wieder auf. (Heinz Schwitzke)
Geschichte von Friedrich Gerstäcker - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Marlene Riphahn (Erzählerin), Susanne Lynker (Gertrud), Rolf Boysen (Arnold), Gerhard Geister (Schulze), Wolfgang Forester (Bursche), Heinz Klevenow (Förster).
Klavier: Wilhelm Hecker.
Regie: Klaus Stieringer.
Produktion: NDR 1956.
4. Das lachende Mädchen
Ein junger Mann sieht ein Mädchen, verliebt sich, ohne mit ihr sprechen zu können und wird liebeskrank. Sein Vetter tröstet ihn, er wolle sie suchen. Doch das gelingt nicht. Statt dessen lügt er dem armen Kranken vor, sie sei eine leibhaftige Tochter seiner Tante und seine, des Kranken, Base. Leider bringt er sie dadurch nicht herbei, und so macht sich der Liebeskranke selbst auf den Weg.
Erstaunlicherweise findet er nun in der Wirklichkeit alles haargenau so, wie es der Vetter in seiner erfundenen Erzählung behauptet hatte. Er bringt das immerfort freundlich-melodisch lachende Mädchen schließlich nach Hause mit. Da geschieht etwas, wodurch klar wird, dass sie die Tochter einer Füchsin ist, und dass die ganze Welt, in der der junge Mann sie aufgefunden hatte, nur Schein und Zauberei war. Dennoch werden die beiden jungen Menschen glücklich: Mensch und Zaubertier und Schicksal sind eine zwar beängstigende, aber dennoch harmonische Einheit. (Heinz Schwitzke)
Geschichte von Pu Songling - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Jürgen Goslar (Wang Fu), Rolf Boysen (Vetter Wu), Fridel Mumme (Die Mutter), Marianne Prenzel (Das Mädchen Yingning).
Regie: Hans Rosenhauer.
Produktion: NDR 1956.
5. Die Sintflut von Norderney

Die Sintflut von Norderney wird im Jahre 1835 durch eine Dammbruch ausgelöst. Vier Menschen, gegen Abend in einem Rettungsboot knapp dem Tod entronnen, entschließen sich freiwillig, ihre Plätze mit einer Bauernfamilie zu tauschen, die inmitten der Wasserwüste auf einem Heuboden winkt.
Geschichte von Tania Blixen - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Daniel Trudik (Malin Nat-og-Dag), Eva-Maria Bodenstedt (Calypso), Walter Bäumer (Erzähler), Günther Dockerill (Jonathan), Heinz Sailer (Kardinal).
Regie: Klaus Stieringer.
Produktion: NDR 1956.
6. Die Nacht ohne Ende

Ein Zeitreisender aus ferner Zukunft trifft in der Gegenwart auf den Angehörigen einer vor Jahrtausenden ausgestorbenen Zivilisation. Oscar Vincent wird in den Strudel der Ereignisse hineingezogen, als er in einem kleinen Boulevard-Café von einem merkwürdig gekleideten Unbekannten nach dem Jahrhundert gefragt wird. Sein Name sei Amun-Kah-Zailat, und er stelle Experimente mit einer Maschine an, die durch die Zeit gehe. Er komme aus Badari, dessen Zivilisation schon vor Jahrtausenden untergegangen sei. Als sei das des Unglaublichen nicht genug, erhebt sich vom Nebentisch ein Herr, der das Gespräch aufmerksam verfolgt hat und erklärt, er, Djing-Djong, reise auch in der Zeit, komme aber aus der Republik Pergolien, die erst in ferner Zukunft erblühen werde.
Die beiden Reisenden beginnen einander auf das heftigste zu bekriegen, bald verschwindet der eine, bald der andere, um nach jeweils nur wenigen Sekunden während der Abwesenheit zu erklären, was er über den anderen herausbekommen und wie er versucht habe, ihn zu übervorteilen. Die Pergolier planen, ihren Bevölkerungsüberschuss durch die Zeit zurückzuschicken, auf dass das badarische Volk degeneriere und ausstirbt. Aber die Badarier erfahren von diesem Plan und schicken den Pergoliern eine Truppe entgegen. Vor den Augen des fassungslosen Oscar Vincent entspinnt sich ein Kampf, in dem die Gegner trickreiche Finten in Vergangenheit und Zukunft ausführen. Als der Schlachtenlärm verhallt, berichtet Amun-Kah-Zailat, man habe die Vorhut der Pergolier zwar geschlagen, aber diese hätten Badari schon vor seiner Geburt erobert und seien infolgedessen nun seine Vorfahren ebenso wie die Badarier die ihren! Im gleichen Augenblick ist Amuns Antlitz von dem Djing-Djongs nicht mehr zu unterscheiden.
Als Oscar Vincent überstürzt das Café verlässt, findet er eines der Zeitreisegeräte, das ein Kämpfer verloren haben muss. Törichter Weise bedient er es, und im selben Moment verjüngt sich die Welt um zwölf Stunden, so dass er sich wieder am Beginn seines Abenteuers befindet, das er von nun an bis in alle Ewigkeit wieder durchleben muss.
Geschichte von Pierre Boulle - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Wolfgang Golisch (Oscar Vincent), Wolfgang Bäumer (Amun-Kah-Zailat), Jürgen Goslar (Djing-Djong), Hanna Seiffert (Kellnerin).
Regie: Klaus Stieringer.
Produktion: NDR 1956.
7. Don Lukas und das Unverkäufliche
Die Geschichte eines steinreichen Mannes, der vor Sorge, wie er seine Millionen schützen, anlegen oder womit er sie ausgeben soll, krank wird. Bis er, ein passionierter Jäger, eines Tages eine Art „Zaubergewehr“ erwirbt. Es setzt sogar die Wachteln in Angst und Schrecken, und sie schicken eine aus zwei Vögeln bestehende Abordnung und verpflichten sich allsonntäglich freiwillig zwei Wachtelkameraden in die Pfanne zu liefern, falls der reiche Mann auf das Jagen verzichtet.
Geschichte von Juan Antonio Zunzunegui - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Heinz Klingenberg (Erzähler), Wolfgang Golisch (Lucas), Hanns Lothar (Freund), Reinhard Brox (Pförtner), Rolf Boysen (Kapitän), Jürgen Goslar (Arzt), Hermann Stelter (Nachtwächter), Eleonore Schroth (Frau Adele), Evy Gotthardt (1. Wachtel), Heilwig Bergmann (2. Wachtel), Eva-Maria Bodenstedt (3. Wachtel), Alwy Becker (Frauenstimme).
Regie: Klaus Stieringer.
Produktion: NDR 1956.
8. Der junge Engländer

Ein Fremder kommt in eine Biedermeierkleinstadt, wo er durch sein zurückgezogenes Leben zu Geschwätz Anlass gibt. Er holt einen jungen Mann zu sich, den er erst nach einiger Zeit, nachdem er Tanzen und Sprechen gelernt hat, wobei er allerhand Prügel bezieht, in die Gesellschaft einführt, und zwar anlässlich eines Konzerts. Der "junge Engländer" - denn dafür hält man ihn wegen seiner unartikulierten Sprache - kommt allein, ohne seinen verhinderten Herrn und erweist sich, trotz der dümmlichen Geduld, die die Damen und Herren des Gemeinwesens ihm gegenüber aufbringen, da er ja ein Fremder sei, dessen Land eigene Gewohnheiten habe, als befrackter Affe. (Heinz Schwitzke)
Geschichte von Wilhelm Hauff - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Günther Dockerill (Erzähler), Friedel Mumme (Bürgermeister), Evy Gotthardt (Doktorin), Kurt Ehrhardt (Bürgermeister), Günther Neutze (Doktor), Karl-Heinz Worzel (Oberpfarrer), Hanns Lothar (Torwärter), Rolf Boysen (Fremder), Hans Müller (Tanzmeister), Max du Menil (Gelehrter).
Regie: Hans Rosenhauer.
Produktion: NDR 1956.
9. Die Siebenmeilenstiefel
Geschichte von Marcel Aymé - bearbeitet von Günter Eich. Schüler entdecken im Schaufenster eines alten Lumpenhändlers ein Paar Stiefel, die der wunderliche Mann spaßeshalber als Siebenmeilenstiefel ausgezeichnet hat, und wollen sie gern haben. Sie bilden eine Bande, um sie irgendwie zu erobern, aber der Streich misslingt. Es gibt einen Unfall, bei dem sie alle in eine Baugrube fallen und im Krankenhaus enden. Die Mütter wollen nun, und zwar die reichen zuerst, je für ihren kranken Sohn die Stiefel erwerben. Doch der Lumpenhändler verlangt Phantasiesummen... Tausende!
Schließlich kommt die Mutter des Ärmsten, der am längsten im Krankenhaus zubringen muss, ebenfalls auf die Idee, ihrem Sohn mit den Stiefeln zu trösten. Und ihr gelingt es nun, sie für einen Pappenstiel zu erwerben, weil sie zufällig im rechten Augenblick kommt und irgendwie in das seltsame Spiel hineinpasst, das der verrückte Lumpenhändler gerade mit einem großen ausgestopften Vogel spielt. (Heinz Schwitzke)
Geschichte von Marcel Aymé - bearbeitet von Günter Eich.
Mit: Ingeborg Riehl (Germaine), Evy Gotthardt (Krankenschwester), Fridel Mumme (Frau Friolat), Werner Rundshagen (Erzähler), Wolfgang Golisch (Trödler), Günther Neutze (Naudin), Heinrich Wiekenberg (Antoine), Jürgen Pfennigstorf (Huchemin).
Regie: Hans Rosenhauer.
Produktion: NDR 1956.
Redaktion: Michael Becker.
