Deutscher Hörbuchpreis 2025: "DSCHINNS"
Fatma Aydemirs berührende Familiensaga über die deutsch-türkische Familie Yılmaz ist in der Kategorie "Bestes Hörspiel" mit dem Deutschen Hörbuchpreis 2025 ausgezeichnet worden.
Dreißig Jahre hat Hüseyin Yılmaz in Deutschland hart gearbeitet. Er kam als Gastarbeiter aus der Türkei. Und nun erfüllt er sich endlich seinen Traum: eine Eigentumswohnung in Istanbul. Nur um am Tag seines Einzugs an einem Herzinfarkt zu sterben. Zur Beerdigung reist ihm seine Familie aus Deutschland nach: seine Kinder Ümit, Peri, Sevda, Hakan und seine Frau Emine.
Geheimnisse, Wünsche, Wunden
Fatma Aydemir nimmt uns mit auf eine Zeitreise in die 1990er Jahre. Sie erzählt von sechs grundverschiedenen Menschen, die zufällig miteinander verwandt und doch untrennbar verbunden sind. Alle haben sie ihr eigenes Gepäck dabei: Geheimnisse, Wünsche, Wunden. Davon berichtet uns eine Stimme, ein Schatten, ein Dschinn, der die Familie Yılmaz immer begleitet, umkreist und auch ihre dunklen Geschichten kennt.
Zeitreise in die 90er Jahre
Das Hörspiel basiert auf der Theaterfassung von Selen Kara, die für das Nationaltheater Mannheim entstand. Anders als im Roman werden die Kapitel "Sevda" und "Peri" in der Reihenfolge miteinander vertauscht, um die Geschichte der vier Kinder in der Chronologie ihrer Ankunft in Istanbul zu erzählen. Anfang und Ende bilden nach wie vor die Geschichten der Eltern, Hüseyin und Emine.
Begründung der Jury
"DSCHINNS" verschafft Ungehörtem und Unerhörtem einen großen Auftritt – durch das Spiel eines hervorragenden Sprecherensembles in der subtilen und klugen Inszenierung von Florian Fischer und durch die künstlerisch überzeugende Soundkulisse, komponiert von Schneider TM, dessen Klänge hier Welten erschaffen. Zusammen mit dem Dschinn in dieser Geschichte wandern wir durch die Seelenräume der einzelnen Familienmitglieder der deutsch-kurdischen Familie Yılmaz, die sich mit ihren so unterschiedlichen und doch ähnlichen Sehnsüchten, Verstrickungen und schmerzhaften Erfahrungen in unsere Herzen spielen und dabei zutiefst Menschliches offenbaren.
Diese berührende Geschichte vergegenwärtigt beispielhaft das Schicksal von Millionen in die Bundesrepublik immigrierten Familien in der ganzen Bandbreite zwischen gelungener Integration und fortbestehender kultureller Zerrissenheit, Erfolgsgeschichte und Tragödie."
Kurdische Identität, der Verlust eines Kindes, Kriegserfahrungen, Alltagsrassismus in Deutschland und versteckte Queerness

Florian Fischer hat die Bühnenfassung erneut geöffnet, Passagen aus Fatma Aydemirs Roman für das Hörspiel wieder eingeflochten und O-Ton-Material ergänzt. In der Gedankenwelt des Islam steht ein Dschinn für ein übernatürliches Wesen, das jeder Mensch bei sich hat. Die "Dschinns" der Familie Yılmaz sind die unausgesprochenen Leerstellen der Familiengeschichte, Verdrängtes oder Verschleiertes, womit sich die Figuren nicht konfrontieren wollen oder können: Ihre kurdische Identität, der Verlust eines Kindes, Kriegserfahrungen, Alltagsrassismus in Deutschland und versteckte Queerness. Gemeinsam mit Komponist Schneider TM und dem Ensemble blättert Florian Fischer die Konflikte dieser Familie Schicht um Schicht auf, verbindet Erinnerungen der Figuren und die Gegenwart der Geschichte im Jahr 1999.
Die Autorin
Fatma Aydemir wurde 1986 in Karlsruhe geboren, sie lebt in Berlin. Bei Hanser erschien 2017 ihr Debütroman "Ellbogen", für den sie den Klaus-Michael-Kühne-Preis und den Franz-Hessel-Preis erhielt. 2019 war sie gemeinsam mit Hengameh Yaghoobifarah Herausgeberin der Anthologie "Eure Heimat ist unser Albtraum". Ihr zweiter Roman "Dschinns", 2022, wurde mit dem Robert-Gernhardt-Preis und mit dem Preis der LiteraTour Nord ausgezeichnet. Im Auftrag des Schauspiel Essen verfasste Fatma Aydemir ihr erstes Theaterstück "Doktormutter Faust", welches in der Regie von Selen Kara im September 2023 uraufgeführt wurde. "Ellbogen" wurde in der Regie von Aslı Özarslan verfilmt und im Februar 2024 bei der 74. Berlinale uraufgeführt.
