Mark Knopflers "One Deep River": Nostalgisch, romantisch, wehleidig

Stand: 12.04.2024 18:06 Uhr

Fünfeinhalb Jahre ist es her, seit Mark Knopfler neue Musik veröffentlicht hat. Jetzt - nach schwerer Long-Covid-Erkrankung - meldet sich der ehemalige Chef der Dire Straits zurück: "One Deep River" ist sein zehntes Solo-Album.

von Marcel Anders

Hornbrille, fülliger Körper, grummelige Art und behäbige Antworten. Während der Pandemie ist Mark Knopfler sichtlich gealtert - doch als Songwriter gibt er sich weiterhin stark: Seine neuen Stücke lassen kein gutes Haar an der Musikindustrie - an Spotify und Eintrittspreisen. Auch die politische Weltlage macht ihm Sorgen: "Es scheint als hätten wir ein Teddybär-Picknick für Diktatoren. Und da sind so viele. Sie sind alle zur selben Zeit aufgetaucht - was bedauernswert ist", sagt er im Interview.

"This One's Not Going To End Well" ist der einzige explizit politische Song auf "One Deep River". Ansonsten gibt sich Knopfler nostalgisch, romantisch, wehleidig - er schwelgt in Erinnerungen an alte Beziehungen, frühe Jobs und seine Heimat Newcastle. Ironisch ist dagegen "Tunnel 13": Die Gleise, auf denen 1923 ein blutiger Eisenbahnraub verübt wurde, liefern jetzt das Holz für seine Gitarren: "Dieses Rotholz hat eine schreckliche Geschichte. Es stammt aus genau dem Tunnel - dem Schienenholz von damals. Es hat eine unglaublich gute Qualität, aber einen makabren Hintergrund: Ein grausames Verbrechen."

Unaufgeregter Gesang, tiefentspannter Vibe

"One Deep River" dürfte primär eingefleischte Fans ansprechen: unaufgeregter Gesang, tiefentspannter Vibe, viel Atmosphäre und exquisites Gitarrenspiel. Vielleicht eine Spur zu gesetzt, aber handwerklich auf höchstem Niveau - und einem Sound zwischen Blues, Folk, Rock und überraschend viel Country.

"Meine Wurzeln reichen so weit zurück, dass es alles dasselbe ist. Und man muss sich nur Ray Charles anhören. Seine Songs nennen die Leute allein deshalb 'Country', weil es keinen besseren Begriff dafür gibt. Also: Hört Ray und bekommt den Durchblick", so Knopflers Appell.

Knopflers Abschieds-Album?

Das Besondere an diesem Album: Es könnte eines von Knopflers letzten sein. Der Mann, der über 120 Millionen Tonträger verkauft hat, fühlt sich müde. Im Januar hat er einen Großteil seiner Gitarren versteigert, seine Sportwagen und Motorräder kommen als nächstes unter den Hammer. Und eine Tour oder einzelne Konzerte, möchte er nicht mehr bestreiten.

"Ich merke, dass ich an körperliche Grenzen stoße. Und ich würde gerne noch ein paar Jahre mit meiner Frau Kitty verbringen und das Leben genießen. Ich möchte nicht auf einer irgendeiner Autobahn sterben. Es ist etwas für jüngere Leute, so um den Globus zu hasten."

Der 74 Jahre alte Knopfler nennt es "den Abschied vom Rummelplatz" - mit zwölf Songs, die tiefgründig und intensiv sind.