Jochen Distelmeyers Album voller Liebeslieder ist eine Wundertüte
Nach Jahren der Ruhe meldet sich der Hamburger Sänger Jochen Distelmeyer mit dem Album "Gefühlte Wahrheiten" zurück - einer Wundertüte aus einem Guss. Seine Songs erzählen von Liebe und Licht.
Sie handeln von Enttäuschung und ziemlich viel Hoffnung, von dem, was ihm in unserer Gesellschaft nicht gefällt, Gewalt, Armut, Klimakrise und Einsamkeit. Dreimal ist englisch gesungener Country dabei.
"Gefühlte Wahrheiten" - Distelmeyers Album voller Liebeslieder
"Der Sänger Jochen Distelmeyer ist ein spezieller Fall," schreibt "Die Zeit" über den 54-jährigen Sänger und Gitarristen und erklärt ihn und seine ehemalige Band Blumfeld zur "Identifikationsfigur des poplinken Milieus" der 90er Jahre. 17 Jahre lang war Blumfeld aus Hamburg im Spitzenfeld des deutschen Indiepop. 2007 löste sich die Band auf - zwei Jahre später veröffentlichte Distelmeyer sein erstes Soloalbum "Heavy". Nun erscheint mit "Gefühlte Wahrheiten" erstmals wieder ein Album mit neuen Originalsongs.
Zwölf neue Songs von Jochen Distelmeyer
Was meint Jochen Distelmeyer mit dem Album-Titel "Gefühlte Wahrheiten"? Der Musiker überlegt und meint: "Einer der Gründe, warum das Album so heißt, hat auch damit zu tun, dass Irrationalität ja nicht ein Zuviel an Gefühl ist, sondern eher ein falscher oder abwehrender Umgang mit dem Gefühl."
Jochen Distelmeyer spricht gern über Gefühle, seine Gitarren, das Zwischenmenschliche und seine Lieder. Zwölf Songs hat er für seinen neuen künstlerischen Alleingang geschrieben. Darunter dreimal englisch gesungener Country - eine Folge seines letzten Cover-Albums, sagt er.
Händchen für lyrische Melodien
Warum es auf dem Album "Gefühlte Wahrheiten" so viele Liebeslieder gibt, erklärt sich für Distelmeyer aus eben diesem Grund: "In dem Moment, in dem wir jemandem in die Augen gucken, in den wir uns verlieben oder verliebt haben, und das Gefühl, die gefühlte Wahrheit haben, dass das kein Zufall sein kann, ich denke, das kennen viele Menschen. Auch das ist eine gefühlte Wahrheit, die uns leidenschaftlich und sehnsuchtsvoll dorthin zieht."
Nicht immer gehen diese Geschichten gut aus, man kennt das. Der Song "Zurück zu mir" hat in dieser Hinsicht das Zeug zur Hymne für liebeswunde Herzen. Man muss es dem gebürtigen Ostwestfalen lassen: Er hat ein Händchen für lyrische Melodien, die ohne Umwege in die rosarote Ecke unseres Herzens hineinrauschen.
Schon Schlager oder ist das noch Pop?
Seine Antwort auf die Gretchenfrage des Songwritings lautet: "Also bei mir sind grundsätzlich immer die Musik und die Melodien zuerst da. Ich fühle mich mehr in der Musik aufgehoben. Manchmal passiert beides gleichzeitig, wenn ich spiele."
Das tut er auf einer seiner knapp 20 Gitarren: Der passende Text folgt früher oder später: "In der Melodieführung oder den Harmonien ist der Text, der geschrieben werden will, schon aufgehoben." Manche Distelmeyer-Zeilen klingen wie aus einem Poesiealbum. Ist das schon Schlager oder ist das noch Pop? Die Antwort darauf löst sich im geschmeidigen Schmelz dieses Orpheus auf.
Geschichten von Liebe, Licht, Enttäuschung und Hoffnung
Der Grenze zum Kitsch nähert sich seine Hamburger Band entspannt - bis auf Sichtweite, mehr nicht. Eine klasse Band, die Distelmeyer auf seinem ehemaligen Kiez gefunden hat: federnder Groove, das Spiel mit wechselnden Gitarrenfarben, mal hart elektronisch, mal zart akustisch.
Das Album ist eine heterogene Wundertüte - und dennoch aus einem Guss. Die Stimme von Distelmeyer hält seine Geschichten zusammen. Er erzählt von Liebe und Licht, von Enttäuschung und ziemlich viel Hoffnung, von dem, was ihm in unserer Gesellschaft nicht gefällt: Gewalt, Armut, Klimakrise und Einsamkeit. Das ganze Programm. Ganz schön dick. "Die Menschheit wird mir fehlen", heißt es einmal ironisch. Doch bis dahin ist offenbar noch viel "Distelmeyer".
Gefühlte Wahrheiten
- Genre:
- Pop
- Label:
- Four
Schlagwörter zu diesem Artikel
Rock und Pop
