Kate Bush-Phänomen: Wenn alte Songs zu neuen Hits werden
Dank der Netflix-Serie "Stranger Things" feiert der Song "Running Up That Hill" von Kate Bush seinen zweiten Frühling. Aber nicht nur dieser Song feiert heute eine Wiedergeburt.
Im Jahr 1985 veröffentlicht die englische Singer-Songwriterin Kate Bush ihren Song "Running Up That Hill". Die Single ist ein glasklarer 80er-Hit und Vorgeschmack auf ihr Album "Hounds Of Love", das zur erfolgreichsten Platte ihrer Karriere werden wird. Doch knapp vier Jahrzehnte nach der ersten Veröffentlichung darf sich die Künstlerin 2022 über ihre erste Top 10-Single in den USA freuen.
"Schuld" daran ist das Netflix-Zugpferd "Stranger Things": In der erfolgreichen Netflix-Mysteryserie wird mit 80er-Jahre-Referenzen nicht gegeizt. Man kann das Haarspray förmlich riechen und schmecken, möchte sich in seinen schultergepolsterten Seidenblouson kuscheln, um anschließend gerade veröffentlichte Blockbuster wie "E.T." oder "Zurück in die Zukunft" im Kino anzuschauen. Da darf der richtige Soundtrack natürlich nicht fehlen.
"Running Up That Hill" ist heute erfolgreicher als damals
Für den Soundtrack zur gerade angelaufenen vierten Staffel haben sich die "Stranger Things"-Macher*innen "Running Up That Hill" ausgesucht, und der Hit von einst ist heute sogar noch erfolgreicher als damals. Die 63-jährige Kate Bush freut sich jedenfalls und dankt ihren Fans in einem Online-Statement: "Das ist alles sehr aufregend."
Nirvanas "Something In The Way" in Batman-Verfilmung
Mit Batman-Verfilmungen und den dazugehörigen Filmmusiken ist es so eine Sache. Es gibt sowohl gute Batman-Darsteller (Michael Keaton, Christian Bale) und Soundtracks (von Prince oder Hans Zimmer), aber eben auch "die anderen": An George Clooney als Chef-Fledermaus können oder wollen sich bis heute nur die wenigsten erinnern, gleiches gilt für R. Kelly und den Kitsch-Song "Gotham City".
Für den aktuellsten Hollywood-Streifen mit dem dunklen Ritter wollte man neue Wege gehen: Der traumatisierte Superheld sollte möglichst kaputt, wütend und dramatisch rüberkommen - etwa wie Kurt Cobain, der verstorbene Sänger von Nirvana. Deren "Something In The Way" wurde sowohl im Trailer als auch im späteren Film selbst eingesetzt. Der Song aus dem Jahr 1991 vom Über-Album "Nevermind", mit seiner langsamen, bedrohlichen Stimmung, war in den 90er-Jahren keine Single, feiert aber durch die Unterstützung auf der großen Leinwand enormen Erfolg. Allein in den ersten vier Tagen nach Kinostart stiegen die Streamingzahlen um 734 Prozent.
Fleetwood Macs "Dreams" durch TikTok wieder angesagt
Auf einem Skateboard dem Sonnenuntergang entgegenfahren und dabei Saft trinken - das klingt erstmal weitestgehend unspektakulär. Wenn man das aber a) mit seinem Handy filmt und b) dabei "Dreams" von Fleetwood Mac hört und dann das alles auch noch c) bei TikTok hochlädt, dann wird es spektakulär.
Jedenfalls dürften sich die Bandmitglieder von Fleetwood Mac über das Video von Nathan Apocada (bei TikTok jetzt als 420doggface208 bekannt) äußerst gefreut haben. Zwar war ihr Hit "Dreams" vom Meilenstein "Rumours" schon 1977 erfolgreich, doch als im Corona-Spätsommer 2020 81 Millionen Mal aufgerufen wird, wie Nathan Skateboard-fahrend Cranberry-Saft trinkt, steigen die Download-Verkäufe des Titels um 374 Prozent. Katsching! Daraufhin macht sogar Mick Fleetwood selbst ein TikTok-Video.
Dank Stadion-DJ klettert Neil Diamonds "Sweet Caroline" in die englischen Top 20
Dass im Fußballstadion gern möglichst Mitgröl-taugliche Rocksongs (siehe "Seven Nation Army" von The White Stripes, auch bekannt als "DÖÖÖÖH DÖHDÖHDÖH DÖH DÖÖÖÖÖÖÖH") oder auch stumpfe Bumbum-Musik (zum Beispiel Bellinis "Samba De Janeiro") vom Stadion-DJ auf die Zuschauer*innen losgelassen wird - das kann man sich erklären. Alkohol, Fußball, ausgelassene Stimmung und Mitsingen - da gibt es durchaus kausale Zusammenhänge. Was genau war also bei der UEFA Fußball EM 2021 los?
Dort wurde aus zehntausenden englischen Kehlen lauthals "Sweet Caroline" von Neil Diamond mitgesungen, in den UK-Charts kletterte der Song bis auf Platz 20. Bis zum Finale lief es ja gut für die Nationalmannschaft Englands. Verantwortlich für den Schnulzen-Ohrwurm in Multifunktionsarenen ist Tony Perry, der die Spiele im Wembley-Stadion als DJ begleitet hat. "Es ist so etwas wie ein Glücksbringer in diesem Turnier geworden", erzählt er in einem Interview.
Perry hat "die Fähigkeiten des Songs" übrigens bei einem Baseball-Spiel entdeckt. Seit 1997 ist "Sweet Caroline" nämlich bei den Boston Red Sox im Einsatz, damals wurde die Geburt eines Babys gefeiert. Wie es dem Baby heute geht, ist der Redaktion nicht bekannt, der Song jedenfalls ist geblieben und erfreut sich als Fan-Liebling auch in Nordirland großer Beliebtheit.
Mit Jeans-Werbung wird The Clashs "Should I Stay Or Should I Go" ein Hit
Musik in der Werbung zu nutzen, um Fahrzeuge, Nahrungsmittel oder Dienstleistungen möglichst einladend anzupreisen, ist nichts Neues. Steht in jedem Marketingstrategiebuch auch recht weit vorn, dass so etwas gut klappt. Das wusste man so auch schon im Jahr 1991, als ein Jeans-Hersteller den Song "Should I Stay Or Should I Go" der Punk-Legenden The Clash für einen Werbespot einkaufte. Zwar gab es die Band zu diesem Zeitpunkt schon gar nicht mehr - wenn man es genau nimmt, interessierte sich auch niemand mehr für das Genre Punkrock.
Jedenfalls wollten sich The Clash eigentlich niemals für Werbung hergeben, doch Songschreiber Mick Jones gab letztlich grünes Licht, da es für ihn eine inhaltliche Nähe bei Jeans und Rockmusik gab. Der Song wurde ein Hit, auch wenn man sich als eigentlich Anti-Werbung-Punk, Anti-Kapitalismus-Punk, Anti-Alles-Punk im Nachhinein ein wenig dafür geschämt hat. Die Welt ist eben nicht ganz einfach, geschweige denn gerecht (Beweis: The Clash-Chef Joe Strummer starb viel zu früh, und das ausgerechnet beim Gassi-Gehen). Übrigens: Der Song lief auch schon in der ersten Staffel "Stranger Things", und damit schließt sich ja der Kreis, irgendwie.
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