Kathleen Alder lacht mit geschlossenen Augen. © Tony Briggs Foto: Tony Briggs

Wie Kathleen Alder in der Klassik-Branche ihr Ding gemacht hat

Stand: 30.10.2022 14:38 Uhr

Als Anfang 20-Jährige machte sich Kathleen Alder in der männerdominierten Klassikwelt selbstständig. Heute arbeitet ihre PR-Agentur unter anderem für die Bamberger Symphoniker oder das Los Angeles Chamber Orchestra.

von Anina Pommerenke

Kathleen Alder (39) steht an diesem Morgen hinter dem Holztresen in ihrem Laden in Hamburg-Blankenese, zwischen Kaffeemaschine und bunten Macarons. Die langen braunen Haare lässig zum Dutt hochgebunden. Die freundlichen Augen hinter einer markanten schwarzen Brille mit geschwungenem Rahmen. Wie immer ist sie fröhlich, gut gelaunt und grüßt mit ihrer lauten Stimme. Sie müsse sich nicht mehr verstellen, sagt sie heute selbstbewusst. Das habe sie aber erst mit Anfang 30 gemerkt. Früher, erinnert sich Alder zurück, habe sie immer gedacht, sie müsse sanfter sein, sich an die Branche anpassen, ihre laute und derbe Art ablegen - sich eben an gewisse Formen anpassen, die man von ihr in der Klassikwelt erwarte. Mittlerweile ist ihr das zu fake. 

Spezialisiert auf die Kommunikation in der Klassikwelt 

Alder hat sich bereits mit 22 Jahren nach ein paar spannenden Stationen im Ausland und einschlägigen Erfahrungen in der Welt der Musiklabels und Kommunikation mit einer eigenen PR-Agentur selbstständig gemacht. Sie ist spezialisiert auf die Kommunikation in der Klassikwelt. Bereits der Name der Agentur "WildKat" - ein Wortspiel aus dem englischen für Wildkatze und Kathleens Rufnamen "Kat" - lässt vermuten, dass sie sich nicht unbedingt an die von Traditionen und klaren Strukturen gepräge Klassikbranche anpassen wollte. 

Die Karriere als Geigerin hatte sie aufgrund einer enormen Bühnenangst an den Nagel gehängt. Bei Universal war es ihr zu verstaubt und die Festanstellung, merkte sie schnell, war nichts für sie. Kurzerhand ließ sie sich von ihrem Freund eine Homepage bauen und ein paar Businesskarten drucken und war fortan selbstständig. Los ging es für die Deutsch-Britin damals in London. Mittlerweile hat sie fünf Büros auf zwei Kontinenten. Hongkong kommt bald noch dazu. 

"Es war mir egal, ob ich meine Miete zahlen konnte"

Ihre Mission: Alles, was ein bisschen alt rüberkam, auch einer jungen Zielgruppe schmackhaft zu machen. Moderne Kommunikationskanäle für klassische Musik, Tanz und Theater zu etablieren. Alder berichtet, dass sie gezielt auf Konzerte gegangen sei und dort das Gespräch mit wichtigen Menschen gesucht habe, deren Gesichter sie sich vorher bei LinkedIn eingeprägt hatte. Sie sei damals einfach sehr mutig gewesen: "Es war mir egal, ob ich meine Miete zahlen konnte oder ich am Minimum lebe. In dem Alter ist man ein bisschen freier, deswegen war es einfacher, sich selbstständig zu machen." Abgesehen davon genießt Alder einen gewissen Heimvorteil in der Branche. Ihr Vater Chris Alder ist Musikproduzent und arbeitet mit weltberühmten Musikstars der Klassik zusammen. Unter anderem hat er zehn Grammys daheim auf dem Flügel stehen. 

Trotzdem war es für sie ein langer Weg, bis sie die größten Häuser von ihrer Arbeit überzeugen konnte. "Ich hatte damals ein paar echt spannende Meetings mit den typischen Männern von den ganz großen Institutionen. Die haben mir dann gesagt: Komm' mal in 15 Jahren wieder, wenn du einen Magister und zehn Jahre Berufserfahrung hast." Gerade in Deutschland sei es ihr oft zum Nachteil gereicht, dass sie eben nicht den typischen Werdegang durchlaufen habe, findet Alder: "Während ich immer gesagt habe, ich will für die Leute kommunizieren, die in meinem Alter sind. Und die habt ihr hier nicht sitzen und die kommen auch nicht unbedingt freiwillig zu euch." Doch sie habe schnell gemerkt, dass sie auch ohne die Unterstützung dieser Leute erfolgreich sein kann. 

PostKultur schickt Kulturpakete nach Hause  

Heute arbeitet ihre Agentur unter anderem für die Bamberger Symphoniker oder das Los Angeles Chamber Orchestra. Die Taipei Opera, Musikfestivals oder erfolgreiche Ensembles wie VOCES8 sind auf ihrer Homepage als Kunden gelistet. Man könnte meinen, dass die zweifache Mutter damit ganz gut ausgelastet sei, doch Alder beschreibt sich selbst als sehr umtriebig. Sie habe kein Problem damit, sieben Tage zu arbeiten. So habe sie in der Corona-Zeit auch noch das Unternehmen PostKultur gegründet. Weil sie der Meinung war, die Kulturbranche müsse sich noch mehr einfallen lassen, als "nur" Live-Streams anzubieten.

Die Laden PostKultur von außen betrachtet: Hinter einer breiten Fensterfront erkannt man verschiedene Bilder und Bücher. © Kathleen Alder
Kathleens Alders Laden PostKultur in Hamburg-Blankenese

Hinter PostKultur verbergen sich zu einem Thema oder einer Stadt kuratierte Kulturpakete, die nach Hause geliefert werden. Mittlerweile gibt es auch den passenden Laden dazu, in dem sie unter anderem Kunstworkshops für Kinder anbietet und sorgfältig kuratierte Kulturprodukte verkauft, am liebsten von kleinen, lokalen Künstlern und Verlagen. Neben Büchern aus dem Hamburger mairisch Verlag sind Schallplatten und Kunstdrucke von StreetArt-Künstlern im Sortiment. "Das Konzept war sozusagen ein Apple-Store für Kulturliebhaber. Clean und stylish. Mit tollem Gebäck und tollem Kaffee", lacht Alder. Denn genau das habe ihr in Hamburg noch gefehlt. Nachdem ihr Laden für einige Monate auf 2.000 Quadratmetern in der Hamburger Innenstadt angesiedelt war, ist sie jetzt gerade in die Nähe des Blankeneser Bahnhofs gezogen. 

Kathleen Alder: "Ich finde die Branche schwierig"

Eine Bilderbuchkarriere könnte man meinen - doch einfach war es freilich nicht immer: "Ich finde die Branche schwierig. Ich finde sie sehr altmodisch, auch wenn es gerade einen Wandel gibt. Aber Frauen sind immer noch nicht so viele da", gibt sie zu Bedenken. Auch der deutsche Markt komme ihr im Vergleich zu England oder den USA sehr speziell vor. Dort gebe es keine großen Fördersummen und die Institutionen seien viel schneller am Ende, wenn sie nicht kommerziell denken. Die deutsche Branche sei da vergleichsweise gemütlich unterwegs. Alder vermisst das Unternehmerische und wünscht sich mehr Chancen für junge Unternehmerinnen und Ideen. 

Zum Beispiel müsse man bei vielen Stiftungen erst einmal eine Spielstätten-Bescheinigung vorlegen, erläutert sie: "Das heißt, ich muss erstmal zu Kampnagel rennen und fragen, ob die mein Projekt annehmen können, bevor ich überhaupt irgendeine Förderung erhalte." Für Alder ein Problem, da ihrer Meinung nach so nur Menschen von Förderungen profitieren, die ohnehin schon gute Kontakte zu den großen Einrichtungen haben. Ebenso sei es so gut wie unmöglich gewesen, Förderungen zu erhalten, als ihr Unternehmen PostKultur noch ein Online-Unternehmen und zudem auch nicht gemeinnützig, sondern eine GmbH war. Das sehe ganz anders aus, seitdem sie einen physischen Laden besitze. 

Auf der Suche nach Frauen-Netzwerken in der Kulturbranche

Sie sei daher auch stets auf der Suche nach Frauen-Netzwerken in der Kulturbranche. Neugierig hatte sie ein Mentoring-Programm der Bundesregierung vom Projektbüro "Frauen in Kultur & Medien" gemacht. Im Panel, erinnert sich Alder, saßen dann etwa 80 Prozent Männer. Akzeptiert wurde sie weder als Mentorin noch als Mentee. Doch aufhalten lässt sie sich von solchen Erfahrungen nicht. Beim morgendlichen Rudern auf der Alster fand sie gleichgesinnte Frauen. Sie erhielt letztlich doch eine Förderung für ihr Unternehmen von der Claussen-Simon-Stiftung. Die hätten erkannt, dass es für junge Künstler in der Corona-Pandemie einen gewissen Wert habe, wenn PostKultur ihnen plötzlich 250 CDs abnehme. Auch Wacken-Gründer Holger Hübner las in der Presse von der Idee und stieg kurzfristig als Investor mit ein. 

Auch für die Zukunft hat Alder schon Pläne. So ziehe sie in Erwähnung, ihr Unternehmen PostKultur mehr in Richtung Beratung aufzuziehen. Eine finale Entscheidung wolle sie bis Weihnachten treffen. Außerdem könne sie sich gut vorstellen, einen Job in einer großen Kultureinrichtung zu übernehmen - auch wenn sie davon ausgehe, dass sie dort mit ihrer Vita kaum Chancen habe. Auch über einen Branchenwechsel habe sie bereits nachgedacht: "Ich hatte schwierige Teenagerjahre und habe in der Schulzeit Missbrauch erfahren. Ich habe auch schon mal überlegt, ein Netzwerk für Frauen aufzubauen, die Vergewaltigung und Missbrauch erlebt haben." Und auch eine Idee für ein Buch habe sie schon im Kopf. Wohin die Reise geht, ist also noch offen. Fest steht: Langweilig wird Kathleen Alder so schnell sicher nicht werden. 

 

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 18.01.2021 | 07:20 Uhr

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