Goldberg-Variationen: Legendäre Aufnahme mit Glenn Gould
Sie zählt zu den berühmtesten Aufnahmen der Schallplattengeschichte: die "Goldberg-Variationen" von Johann Sebastian Bach mit dem kanadischen Pianisten Glenn Gould, aufgenommen 1981.
Pünktlich zum 90. Geburtstag von Glenn Gould liegt ein ungewöhnliches Präsent vor: sämtliche Ton-Aufzeichnungen, die bei dieser rund dreiwöchigen Produktion entstanden sind. Das Material wird nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt - in einer Box mit elf CDs und einem über 200 Seiten starken Buch.
Glenn Gould, der Technik-Freak
Als der kanadische Pianist Glenn Gould 27 Jahre nach seiner herausragenden ersten Einspielung der "Goldberg-Variationen" von Johann Sebastian Bach 1981 dieses Stück ein weiteres Mal für die Schallplatte dokumentieren wollte, glich dies einer Sensation. Vor allem die damals modernen Möglichkeiten im Aufnahmestudio hatten ihn gelockt.
Auf den jetzt erstmals zugänglich gemachten Aufnahmebändern, ungeschnitten und ungeschönt, hören wir Gould, wie er jede Variation, fast jeden Takt mit seinen Aufnahmeleitern bespricht. Denn es entstehen zwei Produktionen gleichzeitig: eine für die Schallplatte und eine für das Medium Film. Gould fragt nach, ob das Tempo der ersten Variation nicht zu schnell sei, gemessen an der Aria, dem Ausgangsthema dieses Zyklus.
Glenn Goulds Hang zur Perfektion
Zehn CDs mit Protokollen von rund drei Wochen Aufnahmesitzungen, lauter Mini-Puzzleteile. Ein Fall für Freaks? Das sicher auch. Aber vor allem zwingt uns dieses Material zum genauen Hinhören. Stimmen unsere Höreindrücke mit denen der Protagonisten von damals überein? Etwa, wenn Gould am Ende der 28. Variation den Übergang zur nächsten herstellt. Plötzlich ertönt eine Stimme aus dem Studioraum: Der Regisseur der Video-Produktion spricht von "lovely" und "great fun", Gould aber ist unzufrieden, denn der Yamaha-Flügel bereite ihm Probleme. Man könne nicht so klar darauf spielen wie auf einem Steinway.
Mit mehr als 40 Jahren Verspätung werden wir zu Zeugen einer legendären Aufnahme. Produzent Robert Russ wusste von der Existenz der Aufnahmebänder, weil man damals mit zwei Maschinen gleichzeitig aufgenommen hat - Backup in Zeiten vor der digitalen Festplatte. Also hat er sich das Material aus einem Archiv in der Nähe von Pittsburgh schicken lassen, es nun restauriert und zugänglich gemacht. Es sei, so sagt er, als könne man van Gogh beim Malen seiner Sonnenblumen oder Michelangelo beim Einrichten der Sixtinischen Kapelle zusehen.
Auf einer elften CD gibt es die Goldberg-Variationen in voller Länge. Ein ungewöhnliches Projekt, singulär wie die Aufnahme selbst. Denn es bringt uns den oft sphinxhaften Glenn Gould einen Schritt näher. Wir schauen ihm sozusagen hörend auf die Finger und bekommen eine Ahnung von seinem Hang zur Perfektion, von seiner Akribie und seiner Leidenschaft.
The Goldberg Variations: The Complete Unreleased 1981 Studio Sessions
- Label:
- Sony Classical