Bandsalat: Eine Kassette mit herausgezogenem Magnetband © picture alliance / Shotshop | Photology2000
Bandsalat: Eine Kassette mit herausgezogenem Magnetband © picture alliance / Shotshop | Photology2000
Bandsalat: Eine Kassette mit herausgezogenem Magnetband © picture alliance / Shotshop | Photology2000
AUDIO: Das Comeback der Kassette (3 Min)

60 Jahre Kassette: Es lebe der Bandsalat!

Stand: 28.08.2023 13:12 Uhr

Endloser Bandsalat, den man mit dem Bleistift wieder reingefummelt hat. Mixtapes, die man für den oder die Liebste aufgenommen hat. In den 80ern war die Kassette das Medium der Stunde. Dann kam die CD, und spätestens als vor zehn Jahren das letzte norddeutsche Kassettenwerk schloss, schien bei uns die Musikkassette tot zu sein.

von Maike Verlaat

Aber: Die Verkaufszahlen des am 28. August 1963 vorgestellten Tonträgers steigen wieder, in den USA, in England und auch in Deutschland. Selbst Popstars wie Lady Gaga oder der Pianist Lubomyr Melnyk veröffentlichen ihre Alben auch auf Tape. Mehr über das - wenn auch nur kleine - Comeback.

Tape-DJ Rumpelkopf: "Die Qualität ist nicht schlecht"

Samuel Fink legt die nächste Kassette ein. Für ihn taugt das Medium zu mehr, als nur in Kellern zu verstauben. Der Klang sei nicht perfekt, aber er mag das Rauschen, es sei einfach anders als digital oder von der Platte. "Die Qualität der Kassette ist nicht schlecht. Es wird immer nur gesagt, dass sie schlecht ist, aber es kommt natürlich auf die Aufnahme an: Wie ich habe ich es überspielt? Ist es gut oder nicht? Ich habe dafür ein gutes Gerät", sagt er.

Fink oder Rumpelkopf, wie er sich nennt, ist ein Tape-DJ, kurz TJ. Als solcher verbringt er einige Zeit mit dem Zurückspulen seiner sorgfältig ausgewählten Songs: "Ich habe ein großes Kassettendeck und zwei Walkmans dabei. Da lege ich die Kassetten nach und nach rein und versuche damit die Übergänge. Auf dem Mischpult habe ich zwei Kanäle und da ziehe ich das dann rüber - je nachdem, was dran ist."

Sound von der Kassette kommt bei Publikum an

Der 35 Jahre alte Dresdener tourt zusammen mit einer befreundeten Band durch Deutschland, Österreich und Tschechien. An diesem Abend sind sie im Stellwerk in Hamburg-Harburg. Der Sound von der Kassette, eine Mischung aus Polka, Balkan und Ska, kommt bei den Gästen gut an. "Hat mich total überrascht", sagt ein Besucher. "Irgendwie eine Super-Idee. Hat man nicht mehr, aber man besinnt sich immer auf Sachen, die man mal hatte. Und manchmal kommt etwas auch wieder, was verloren gegangen ist."

"Man geht wieder auf 'wahre Werte', auf Handfestes"

"Bandsalat" beseitigen: Einen Bleistift steckt in einem Loch ("Auge") einer Kassette, um das ausgetretende Magnetband wieder aufzuziehen. © picture alliance/vizualeasy | Marco Wadin
Erste Hilfe beim Bandsalat einer Kassette: der Bleistift.

Tatsächlich scheine das Comeback der Kassette bei jungen Leuten ein Zeichen gegen die Digitalisierung zu sein, meint Velvet Bein. Er ist Musiker, nimmt Bands auf Tape auf und hat in Hamburg ein eigenes Label - natürlich mit Kassetten. "Es ist so wie bei vielen Sachen", sagt er. "Dieser digitale Aufschwung ebbt langsam wieder ab und man geht wieder auf 'wahre Werte', auf etwas Handfestes. Man hat das Gefühl, ein Stück Kunst und ein Stück weit auch den Künstler bei sich zu haben."

Vorteil der Kassette: Das Unkomplizierte

Kassetten machen in Deutschland nur etwa 0,1 Prozent am Markt für physische Tonträger aus. Das liegt einmal an den kleinen Auflagen, die Labels wie La Pochette Surprise von der Bein vertreiben: 100 bis 200 Stück pro Album. Es liegt aber auch daran, dass viele kleine Bands Leerkassetten direkt bei den Herstellern bestellen und fern von der GEMA direkt selbst bespielen. Im Untergrund laufen die Tonbänder also heiß. "Ich bin viel auf Konzerten, auch von den Bands, die ich rausbringe und gucke, wie sich die Tapes verkaufen", sagt Bein. "Da merkt man schon, dass die Leute einfach deutlich interessierter sind." Was an einem Tape im Vergleich zur Platte besser ist, sei das Unkomplizierte. "Für fünf oder sechs Euro kann man so ein Tape mitnehmen, in die Tasche stecken und dann weiter in irgendeine Bar gehen, ohne dass man die ganze Zeit eine Platte dabeihat."

Auch TJ Rumpelkopf bietet an dem Abend im Hamburger Stellwerk ein Mixtape von sich zum Verkauf an. Und das steckt sich der eine oder andere tatsächlich in die Tasche.

Weitere Informationen
Ein altes Nokia-Handy, auf dem eine SMS geschrieben wird. © picture alliance / ROPI Foto: Maule/Fotogramma

15 Dinge, die wir früher gemacht haben

... und die niemand mehr kennt, der jünger als 14 ist. Streits um die Telefonleitung, Nachrichten in 160 Zeichen verpacken, den Lieblingssong auf Kassette aufnehmen und mehr - erinnert ihr euch? mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Vormittag | 28.08.2023 | 12:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Rock und Pop

This Band is Tocotronic, Cover
Podcast von ARD Kultur, rbb, NDR Kultur © ARD

"This Band is Tocotronic" in der ARD Audiothek

Der Podcast von rbb und NDR erzählt die Geschichte der Band. extern

Porträt von Philipp Schmid © NDR Foto: Sinje Hasheider

Philipps Playlist

Philipp Schmid kennt für jede Lebenslage die richtige Musik. Egal ob Pop, Klassik oder Jazz. Träumt Euch zusammen mit ihm aus dem Alltag! mehr

Peter Urban © NDR Foto: Andreas Rehmann

Urban Pop - Musiktalk mit Peter Urban

Spannende Stories, legendäre Konzerte, bewegende Begegnungen: Peter Urban hat viel erlebt und noch mehr zu erzählen. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Insa Wilke © IMAGO / CHROMORANGE

"ZEIT"-Artikel um Literaturpreis: "Die Arbeit von Jurys ist bedroht"

Zwei Jurorinnen kritisieren, dass ein Literaturpreis nach politischen statt nach literarischen Kriterien vergeben wurde. Das sei sehr schädlich, findet Insa Wilke. mehr