Ulrike-Wolff Thomsen steht in einem Vorgarten und lächelt in die Kamera. © NDR Foto: Svenja Lanz

Ulrike Wolff-Thomsen: "Man muss Überzeugungstäter sein"!

Stand: 13.08.2022 12:25 Uhr

Ulrike Wolff-Thomsen leitet das Museum Kunst der Westküste auf Föhr. Für sie ist klar: Es braucht Ehrgeiz, um nach oben zu gelangen. Das Problem: Ehrgeiz bei Frauen sei in der Gesellschaft negativ konnotiert.

von Anina Pommerenke

Das Meer könne sie von ihrem Schreibtisch aus zwar nicht sehen, aber auf den wunderbaren Blick auf die Marsch werde sie oft angesprochen, berichtet Ulrike Wolff-Thomsen. Sie würde nicht ausschließen, dass sie in Föhrs schönstgelegenem Büro arbeitet.

Ulrike Wolff-Thomsen: Seit 2013 Museumsdirektorin auf Föhr 

Seit 2013 steht sie an der Spitze des Museums Kunst der Westküste auf der Nordseeinsel. Die Sammlung konzentriert sich auf Malerei und Fotografie der vier Nordsee-Anrainerstaaten Norwegen, Dänemark, Deutschland und die Niederlande. Thematisch finden sich vor allem die Motive Meer und Küste wieder. Auch Wolff-Thomsen kommt aus dem Norden, sie wurde in Celle geboren und verlagerte ihren Lebensmittelpunkt zum Studium nach Kiel. Die Landeshauptstadt blieb lange ihr Dreh- und Angelpunkt, auch wenn sie unter anderem Stationen in Flensburg und den Niederlanden absolviert hat.

Sie habe schon früh Berührungspunkte zur Kultur im Allgemeinen gehabt, erinnert sich Wolff-Thomsen: Immerhin sei ihr Vater Restaurator gewesen, so sei sie mit ihrer Familie selbstverständlich in Museen und anderen Kultureinrichtungen verkehrt. Doch ein Berufswunsch in der Branche manifestierte sich erst im Zuge eines Orientierungspraktikums nach ihrem Abitur. Sechs Monate verbrachte sie damals in einem Museum und entschied sich dann für das Studium der Kunstgeschichte - trotz damals denkbar schlechter Aussichten.

Maue Perpektiven - aber Hartnäckigkeit zahlte sich aus 

In den 1980er-Jahren habe sie in ihrem Studiengang immer wieder gehört, dass gerade einmal zwei Prozent eines Jahrgangs mit einer guten Stelle in diesem Berufsfeld, wie im Museum oder in der Denkmalpflege, rechnen können. "Man muss Überzeugungstäter sein", daran hat Wolff-Thomsen keine Zweifel. Und trotz der mauen Perspektive verstärkte sich ihr Berufswunsch mit jeder weiteren professionellen Station: Volontariat, Promotion, Habilitation. Ohne Hartnäckigkeit wäre sie bis heute nicht so weit gekommen, ist die Museumsdirektorin sich sicher.

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Auffallend: In ihrem Studium habe der Frauenanteil noch bei mindestens 90 Prozent gelegen, schon bei der Promotion habe sich der Anteil auf etwa 50 Prozent reduziert. "Und direkt nach dem Studium haben deutlich mehr Männer als Frauen Stellen bekommen", so Wolff-Thomsen. Eine Beobachtung, die viele andere Frauen ihrer Generation teilen. Wolff-Thomsen erklärt sich das zum einen damit, dass Arbeitgeber immer die Kinder-Thematik im Hinterkopf haben: "Wie lange fällt die Frau aus?". Auf der anderen Seite sehe sie bei den Bewerbungsunterlagen, die auf ihrem eigenen Schreibtisch landen, dass Frauen sich meistens unter Wert verkaufen: "Männer haben ein anderes Auftreten und formulieren ihre Bewerbung anders. Männer haben mehr Selbstbewusstsein, Frauen machen sich in der Regel kleiner und spielen ihre Qualitäten nicht voll aus." Frauen seien auch leichter für schlechtbezahlte Jobs zu gewinnen, so ihre Beobachtung. Für sie sei daher in der gesamten Debatte eine gleiche Bezahlung bei gleicher Arbeit der wichtigste Aspekt.

Zu wenig weibliche Vorbilder 

Generell würden auch für die nachfolgenden Generationen zu wenig weibliche Vorbilder in den Fokus gerückt, abseits der vermeintlich typischen Frauenberufe. Wolff-Thomsen würde sich hier durchaus mehr Engagement von der Öffentlichkeit und den Medien wünschen. Grundsätzlich scheint es, als werde Ehrgeiz von Frauen in der Gesellschaft negativ konnotiert, kritisiert Wolff-Thomsen. Dabei sei Ehrgeiz die Voraussetzung, wenn man eine Führungsposition erreichen wolle. Bei Männern werde die Eigenschaft als selbstverständlich vorausgesetzt. Und dann werde der Begriff eher positiv besetzt.

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Da sie keine eigenen Kinder habe, sei sie selbst in ihrer Karriere nie vor die Wahl Familie oder Karriere gestellt geworden. Doch rückblickend sei sie dankbar, dass sie und ihr Partner immer einen gemeinsamen Wohnort haben konnten: "Das ist in Akademiker-Familien, in denen beide Eltern arbeiten, keine Selbstverständlichkeit." Und auch als sie die Stellenausschreibung für das Museum Kunst der Westküste in der ZEIT entdeckt hatte, habe ihr Mann ihr sogleich den Rücken gestärkt und angeboten, mit nach Föhr zu ziehen. Ihr Mann habe seinen damaligen Job sogar aufgeben müssen. Ein Schritt, den beide bis heute nicht bereuen würden.

"Keineswegs die Schlechtwetteralternative"

An ihrem Haus, das sie seit neun Jahren leitet, schätze sie die Möglichkeit, sehr frei arbeiten zu dürfen. Dadurch, dass das Museum Kunst der Westküste eine private Institution und eine gemeinnützige Gesellschaft sei, habe sie weniger hierarchische Hürden als vergleichbare öffentliche Einrichtungen, ist Wolff-Thomsen überzeugt. Es falle in ihrem Haus leichter, die Kapazitäten besser auszuspielen. Die Insellage sei auch keineswegs ein Nachteil. Wolff-Thomsen glaubt sogar, dass sie auf dem Festland weniger Menschen mit ihrem Angebot erreichen könne: "Föhr wird sehr gezielt besucht und wir haben eine hohe Akzeptanz und sind keineswegs die Schlechtwetteralternative."

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In einer Umfrage habe eine externe Firma herausgefunden, dass ein Besuch im Museum Kunst der Westküste ein zentraler Anlass für Föhr-Besucher sei. Vor der Corona-Pandemie habe das Haus regelmäßig zwischen 35.000 und 45.000 Besucherinnen und Besucher pro Jahr begrüßen können - für ein Museum dieser Größenordnung an einem so ungewöhnlichen Standort ein sehr gutes Ergebnis.    

Museum Kunst der Westküste entwickelt eigene App 

Die Museumsdirektorin führt das auch auf die Hauptthemen der Sammlung zurück, die immer wieder topaktuelle Ausstellungen ermöglichen: So habe sich das Haus mit Themen wie Klimawandel, Migration und Provenienzforschung beschäftigt. Aktuell stehe die Entwicklung der eigenen App "MKdW-Travel" an, mit der Interessierte virtuell anhand der Sammlungswerke entlang der Westküste von Norwegen bis in die Niederlande reisen können sollen. Ulrike Wolff-Thomsen hofft, dass sie damit auch noch mehr Menschen und andere Zielgruppen erreichen kann. Auch weit über Föhr hinaus!

 

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 04.07.2022 | 16:15 Uhr

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