Emil Nolde, "Dampfer auf dem Meer", 1938/1945, Aquarell auf Japanpapier © Emil Nolde, Kunsthalle Emden © Nolde Stiftung Seebüll
Emil Nolde, "Dampfer auf dem Meer", 1938/1945, Aquarell auf Japanpapier © Emil Nolde, Kunsthalle Emden © Nolde Stiftung Seebüll
Emil Nolde, "Dampfer auf dem Meer", 1938/1945, Aquarell auf Japanpapier © Emil Nolde, Kunsthalle Emden © Nolde Stiftung Seebüll
AUDIO: Kunsthalle Emden: Ausstellung über Emil Nolde und Christian Rohlfs (4 Min)

Emder Kunsthalle: Gegenüberstellung von Emil Nolde und Christian Rohlfs

Stand: 12.11.2022 10:00 Uhr

In der Kunsthalle Emden gibt es jetzt eine Ausstellung, die große Aufmerksamkeit bekommen dürfte: eine Gegenüberstellung der deutschen Expressionisten Emil Nolde und Christian Rohlfs.

von Gerhard Snitjer

Die Kunsthalle Emden ist seit ihrer Gründung in den 1980er Jahren ganz besonders der Kunst des 20. Jahrhunderts verpflichtet. Neben großen Ausstellungen mit fremden Leihgaben rückt Direktorin Lisa Felicitas Mattheis die eigenen Bestände der Kunsthalle ins Licht und setzt sie in neue Zusammenhänge.

Nolde und Rohlfs: Farbenrausch, Formenvielfalt, handwerkliche Perfektion und expressives Feuer

Wer in den vergangenen zehn Jahren die Diskussion um das Verhältnis von Künstler und Werk verpasst hat, kann theoretisch immer noch durch die Ausstellung gehen und einfach in der Ästhetik schwelgen. Denn dass sowohl Nolde als auch Rohlfs große Künstler waren, ist unstrittig, findet Kuratorin Kristin Schrader: "Nolde ist der Meister des Expressionismus. Der malt seine Aquarelle nass in nass. Es geht bei ihm immer um den Zufall, die Willkür, und dann findet er darin seine Motive. Rohlfs ist da ganz anders. Er erscheint sehr kontrolliert. Wenn man sich die Bildoberflächen anschaut, sind die sehr rhythmisch, das hat fast was Dekoratives." Farbenrausch, Formenvielfalt, handwerkliche Perfektion und expressives Feuer: All das ist bei beiden Malern vorhanden. Es springt ins Auge und will gesehen werden. "Wenn man sich die Blumenbilder anschaut, die nordfriesischen Landschaften, da hat man natürlich die schöne biografische Parallele, dass sie beide aus diesem Landstrich kommen. Dann gelten sie beide als Expressionisten par excellence. Sie sind Einzelgänger. Es gibt also vordergründig viel Verbindendes."

Nationalsozialisten sahen die Kunstwerke von Nolde und Rohlfs als 'Entartete Kunst'

In den Augen der Nationalsozialisten produzierten sie beide "Entartete Kunst". Der eher unpolitische Christian Rohlfs hat das auf sich beruhen lassen - vielleicht weil er sich in den 1930er Jahren in seiner letzten Lebensphase befand. Aber seit der Aufarbeitung des Emil-Nolde-Nachlasses in den vergangenen Jahren wissen wir: Dieser Maler, fast 20 Jahre jünger als Rohlfs, war glühender Nationalsozialist, Rassist, Antisemit und hat sich der Partei des Führers geradezu verbissen angedient. Er hat allerdings nach 1945 seinen Lebenslauf geschönt, hat sich als Opfer dargestellt, weil seine Kunst den Nazis nicht zusagte, und hat judenfeindliche Sätze aus seinen Schriften gestrichen. Wie können wir als Betrachter seiner Bilder heute mit diesem Wissen umgehen?

Nolde: Wie trennt man das Werk und den Menschen?

Das Künstlerpaar Lotte Lindner und Till Steinbrenner ist im Auftrag der Emder Kunsthalle genau dieser Frage nachgegangen und kann keine abschließende Antwort geben, denn die Frage: 'Wie trennt man das Werk und den Menschen?' hätten sie sich selber gestellt. "Wir haben uns auch der Schwierigkeit gestellt, damit umzugehen und sind der Meinung, dass wir mit solchen Stellen leben müssen." Till Steinbrenner sagt: "Wir können und wollen auch nicht alles abräumen, was Menschen gemacht haben, die wir im Nachhinein ganz zu Recht auch negativ bewerten." Was das Paar zur Emder Ausstellung beigetragen hat, kann man als künstlerische Forschung bezeichnen. Ein Element war intensives Quellenstudium. "Und das andere wichtige Element ist Einfühlung oder Empathie. Also zu gucken, wie mag er sich gefühlt haben. Und da haben wir selber auch wesentlich mit Papier und Farbe gearbeitet und haben teilweise Werke von ihm zerlegt, zerschnitten und neu kombiniert.", erklärt Till Steinbrenner.

'Interventionen' zu den Bildern von Nolde

Das Künstlerpaar hat sogenannte 'Interventionen' entwickelt, die die Besucherinnen und Besucher durch die gesamte Ausstellung begleiten: Collagen, Bilder, Schriftstücke, Video-Installationen. Ein Element stammt aus dem Brief einer jüdischen Kunstsammlerin an Emil Nolde. Sie war entsetzt von antisemitischen Ausfällen in seiner Autobiografie und bot ihm den Rückkauf der von ihr gesammelten Nolde-Werke an, mit den Worten 'Sie machen mir keine Freude mehr'. "Das heißt, sie haben ihr Freude gemacht. Und die Bilder, die ihr Freude gemacht haben, haben sich nicht verändert. Die sind genau gleich geblieben.", sagt Till Steinbrenner. Aber das Wissen um den Maler hat sich verändert und damit die Sichtweise.

Kunsthalle Emden reflektiert Bilder von Emil Nolde

Angela Merkel hat bekanntlich ein Nolde-Bild aus dem Kanzleramt entfernen lassen. Die Kunsthalle Emden dagegen will ihren umfangreichen Nolde-Bestand nicht ins Magazin verbannen, sondern reflektiert, sensibel und zeitgemäß damit umgehen und das mündige Publikum einbeziehen. So wie es aktuell durch die Interventionen von Lotte Lindner und Till Steinbrenner geschieht. Die Ausstellung "Nolde / Rohlfs - Zwei Künstlerleben" ist in der Emder Kunsthalle bis zum 21. Februar 2023 zu sehen.

Weitere Informationen
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Eine Gegenüberstellung der deutschen Expressionisten Emil Nolde und Christian Rohlfs mit interessanten Zusatzinformationen.

Art:
Ausstellung
Datum:
Ende:
Ort:
Kunsthalle Emden
Hinter dem Rahmen 13
26721  Emden
Preis:
9 Euro, ermäßigt 7 Euro
Öffnungszeiten:
Samstag, Sonntag und Feiertage: 11 bis 17 Uhr
Dienstag bis Freitag: 10 bis 17 Uhr
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 12.11.2022 | 08:40 Uhr

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