Fesselnd & humorvoll: "Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona"
Regisseurin Neus Ballús ist eine wunderbar lakonische Komödie gelungen, die von drei Handwerkern erzählt. Es geht darin um soziale Ungleichheit, Alltags-Rassismus und Vorurteile.
Im Kino wimmelt's vor Superhelden und -heldinnen und wir sehen Starbiografien, Künstlerdramen oder britischen Adel in opulenten Kostümfilmen. Klempner und Elektriker kommen eher selten als Hauptfiguren vor. Höchste Zeit, das zu ändern, fand die katalanische Regisseurin Neus Ballús. Für sie stecken nämlich im scheinbar schnöden Alltag der Menschen die spannendsten Geschichten. Und das beweist sie in der Handwerker-Komödie "Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona".
Moha: "Entschuldigung, wissen Sie, ob jemand im Büro nebenan ist?"
Valero: "Ja, natürlich, aber warum fragst Du denn danach"
Moha: "Ich bin für das Vorstellungsgespräch hier."
Valero: "Das glaub ich nicht. Meines Wissens suchen wir niemanden."
Moha: "Aber mir wurde ein Einladung zugeschickt für heute."
Szene aus "Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona"
Es ist Missfallen auf den ersten Blick. Als der kernige Klempner Valero diesen dünnen, dunkelhäutigen Burschen vor der Werkstatt stehen sieht, weiß er schon, dass der kein guter Elektriker sein kann und schon gar kein Ersatz für seinen Partner Pep, der bald in Rente geht. Die Chefin aber findet den jungen Marokkaner Moha tadellos und stellt ihn für eine Probewoche ein.
Neus Ballús' Film gibt Einblicke in fremder Leute Privatsphäre
Moha schildert nun aus seiner Sicht die folgenden fünf Arbeitstage. Jeden Morgen ein neuer Auftrag und ein fremder Haushalt, den das Handwerker-Trio betritt, um lecke Wassertanks oder Elektroleitungen zu flicken. Und während Valero den neuen Kollegen mit jeder Geste seine Geringschätzung spüren lässt, hat das Publikum ihn längst als freundlichen, klugen Menschen ins Herz geschlossen. Denn Moha ist ein wahrer Philosoph seines Berufsstands.
Die Einblicke in fremder Leute Privatsphäre nutzt er für anthropologische Betrachtungen. "Wir müssen höflich sein, jeden mit Respekt behandeln", so Moha im Film. "Es gibt so viele Menschen um uns herum. Die einen sind reich, die anderen sind arm. Manche sind reinlich, manche schmutzig. Manche sind jung, manche alt. Wieso sind wir so verschieden? Das weiß nur Allah."
Philosophische Exkurse und Hinterhof-Ansichten
Die philosophischen Exkurse bebildert Regisseurin Neus Ballús mit Hinterhof-Ansichten: 30 bis 40 baugleiche Balkone, die doch von der Verschiedenheit der Menschen erzählen. Der eine zugemüllt, der andere voll Wäsche, der dritte ein Pflanzenparadies. Gerüst der Handlung aber sind die Arbeitsaufträge, die Moha stoisch gelassen und Valero chronisch schlecht gelaunt erledigt. Sein hemdsärmeliges Macho-Gebaren macht ihn blind für Zwischenmenschliches.
Valero: "Paqui hat einen Fehler gemacht, den Typen einzustellen. Denn die Leute, für die wir arbeiten, Pep, die mögen keine ausländischen Gesichter" Filmszene aus "Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona"
Der Witz ist, dass in Wahrheit Moha bei der Kundschaft besonders gut ankommt mit seiner ruhigen, zurückhaltenden Art.
Aus völlig unspektakulären Zutaten - Handwerker, die ihrem Beruf nachgehen - macht Regisseurin Neus Ballús einen fesselnden, humorvollen, ganz besonderen Film. Man ahnt ja nicht, welch aberwitzige Abenteuer jeden Tag in den Wohnungen der Kundschaft warten. Sogar beim Paartherapeuten landen die Kontrahenten eines Tages.
Hybrider Film - lakonische Komödie erzählt über soziale Ungleichheit
Dass alles in diesem Film so authentisch wirkt, liegt daran, dass Valero und Moha tatsächlich Klempner und Elektriker sind. Die Regisseurin hat sie an einer Berufsschule gefunden und zwei Jahre lang die Szenen mit ihnen erarbeitet. Einen "hybriden Film" nennt sie das. Aus dem wahren Leben wird eine Drehbuchhandlung herausdestilliert. Das ergibt hier eine lakonische Komödie, die von sozialer Ungleichheit, Alltags-Rassismus und Vorurteilen erzählt
Chefin: "Der Junge ist jetzt zweieinhalb Tage dabei. Gib ihm doch erst mal eine Chance!
Valero: "Ich weiß am besten, ob ich mit jemandem klar komme oder nicht."
Chefin: "Valero, du hast von Anfang an dich gemacht. Ohne ihn geht's nicht."
Szene aus "Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona"
Es gibt keine Alternative zum Miteinander. Das ist die schöne Botschaft des Films in einer diversen Welt. Und die Lektion, die die Filmhelden lernen müssen, unterwegs in Barcelona - "Sechs Tage unter Strom".
"Sechs Tage unter Strom - Unterwegs in Barcelona"
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- Spanien
- Zusatzinfo:
- Mit Mohamed Mellali, Valero Escolar, Pep Sarrà u.a.
- Regie:
- Neus Ballús
- Länge:
- 85 Minuten
- FSK:
- ab 12 Jahre
- Kinostart:
- ab 19. Mai 2022
Schlagwörter zu diesem Artikel
Spielfilm
