"Der Atem des Meeres": Eine Liebeserklärung ans Wattenmeer
Die Dokumentation "Der Atem des Meeres" des niederländischen Regisseurs Pieter-Rim de Kroon zeigt Gegensätze, Leben und Tod und die Brutalität der Natur - ganz ohne Text und Kommentar.
Das größte Marschland der Welt: Das Wattenmeer. Die Kamera des Filmemachers Pieter-Rim de Kroon zeigt uns das gigantische Ökosystem, wie wir es noch nicht gesehen haben. Alles Leben hier ist abhängig vom sanften Rhythmus der Gezeiten, Flut und Ebbe. "Für mich ist es ein kontinuierlicher Atemvorgang: Flut, Ebbe, Einatmen, Ausatmen", sagt Regisseur Pieter-Rim de Kroon. "Es ist, als würde die Gegend dadurch mit Sauerstoff versorgt werden. Dieses mystische Erlebnis ist für mich die Magie des Wattenmeers und auch die Seele meines Films.
Pieter-Rim de Kroon: Mit fotografischem Blick filmen
Über 16 Monate sammelt der Niederländer Pieter-Rim de Kroon mit seinem Team Aufnahmen - oftmals an schwer zugänglichen Drehorten im Watt. Dabei ist ihm wichtig, die Kamera möglichst wenig zu bewegen. Ein fotografischer Blick: "Wenn man die Kamera unbewegt an einen Ort setzt, wird man sensibel für wirklich winzige Veränderungen: Eine Kleinigkeit in der Ferne, ein Murmeln im Wasser. Ich nenne es radikale Beobachtung", erzählt de Kroon.
Der Kampf zweier Seehunde wird durch den dreidimensionalen Soundtrack hautnah erlebbar. Auch unter Wasser glaubt man das Schmatzen der Fische hören zu können. Der anmutige Tanz einer Qualle wird ebenso eingefangen wie ihr schonungsloses Ende.
Das Verhältnis zwischen Mensch und Wattenmeer
"Wir lernen das merkwürdigste Lebewesen am Wattenmeer kennen - den Menschen", erklärt der Regisseur. "Wir kommen millionenfach als Touristen auf die Inseln, feiern das ganze Jahr lang. Wir bohren nach Gas, bohren nach Öl. Einerseits zeigen wir Respekt für die Natur. Anderseits nicht."
Um das fragile Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu untersuchen, begleitet Pieter-Rim de Kroon auch einen Kampfjetflieger zu einer Militärübung: "Wir wollten dieses Gefühl festhalten: Wie fühlt es sich für einen F-16-Piloten an, wenn er den Luftraum betritt?" Für die Aufnahmen durften erstmals Kameras in einem Kampfflieger der niederländischen Luftwaffe installiert werden. "Es ist beängstigend. Und gleichzeitig hat es etwas Schönes", sagt de Kroon. "Es gibt diesen großen Kontrast zwischen dem einen Moment der Stille und im nächsten Moment viel Lärm."
"Der Atem des Meeres": Dokumentation ohne Erzählung
Es sind die Gegensätze, die Pieter-Rim de Kroon nebeneinander stellt und die "Der Atem des Meeres" zu einem Film über Leben und Tod machen. Er zeigt uns die Natur auch in ihrer Brutalität. Dabei kommt er ganz ohne Text und Kommentar aus: "Ich mag keinen Erzähltext. Im Film geht's um Emotionen, um das Erleben. In dem Moment, wenn mir jemand sagt, was ich darüber denken soll, verliert der Film an Magie. Meine Kino-Magie verfliegt. Die Story ist im Sound und in den Bildern. Das ist Kino", findet de Kroon.
"Der Atem des Meeres" ist ein emotionaler, poetischer Film über die fragile Beziehung zwischen Mensch und Wattenmeer, die sich auf eine Art gegenseitig bedrohen. "Das Wasser steigt an, aber wir Menschen passen unser Verhalten nicht an", sagt der Regisseur. "Wir machen weiter. Wie ein Tanz auf dem Vulkan. Wir wissen, dass der Pegel steigt, aber wir feiern einfach weiter." Es sind gewaltige Bilder. Eine Liebeserklärung ans Wattenmeer. Und ans Kino.
Der Atem des Meeres
- Genre:
- Dokumentation
- Produktionsjahr:
- 2021
- Produktionsland:
- Niederlande
- Zusatzinfo:
- "Der Atem des Meeres" läuft in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch, den 12. Oktober, um 0 Uhr im NDR Fernsehen.
- Regie:
- Pieter-Rim de Kroon
- Länge:
- 102 Minuten
- FSK:
- 6