Szene aus dem Ruben-Östlund Film "Triangle of Sadness" im Wettbewerb von Cannes © Fredrik-Wenzel ©Plattform Foto: Fredrik-Wenzel

Ruben Östlund über seine "wilde Achterbahnfahrt für Erwachsene"

Stand: 29.05.2022 10:48 Uhr

Das Filmfest Cannes hat seine Preise vergeben. Die Satire "Triangle of Sadness" von Ruben Östlund hat die Goldene Palme erhalten - und wurde in Hamburg gefördert. Vor dem Festival hatte der Schwede mit NDR Kultur gesprochen.

Am 17. Mai starteten die 75. Filmfestspiele Cannes. Der schwedische Regisseur und Drehbuchautor Ruben Östlund ("Höhere Gewalt", "The Square") war mit seinem dritten Spielfilm "Triangle of Sadness" dabei. Mit "The Square" gewann er bereits vor fünf Jahren eine Goldene Palme.

Ruben Östlund freut sich mit seiner Goldenen Palme für "Triangle of Sadness" in Cannes. © Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Vianney Le Caer
AUDIO: Cannes: Regisseur Östlund über seine Achterbahnfahrt für Erwachsene (2 Min)

Goldene Palme für "Triangle of Sadness" - in Hamburg geförderte Sozialsatire von Östlund

Ruben Östlund freut sich mit seiner Goldenen Palme für "Triangle of Sadness" in Cannes. © Vianney Le Caer/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Vianney Le Caer
Regisseur Ruben Östlund mit seiner Goldenen Palme für "Triangle of Sadness" in Cannes.

In der aktuellen Sozialsatire, für die er nun die zweite Goldene Palme hintereinander erhalten hat, geht es um zwei Models, die eine Luxus-Kreuzfahrt mit Milliardären in der Südsee machen. Die Reise endet in einem absurden Desaster, als das Schiff sinkt und einige Überlebende sich auf eine verlassene Insel retten können.

Die aktuelle, von der Moin Filmförderung unterstützte Arte-Koproduktion, konkurrierte gegen 20 weitere Titel um die Goldene Palme von Cannes. Am 21. Mai feierte "Triangle of Sadness" Weltpremiere an der Croisette.

"Triangle of Sadness": Sozialsatire über Supermodels und Milliardäre nach Schiffbruch

Der 38-jährige Regisseur Östlund hatte kurz vor dem Festival mit NDR Kultur über seinen dritten Spielfilm gesprochen. Östlund erzählt von Schönheit als Währung, schwärmt von der brillanten Iris Berben in seinem Film und darüber, wie viel Hamburg in dem Film steckt - und dass er das Beste vom intellektuellen europäischen mit dem unterhaltsamen amerikanischen Kino verbinden möchte.

 

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Ruben Östlund mit seiner Goldenen Palme für  "Triangle of Sadness" in Cannes - © Joel C Ryan/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Joel C Ryan

Hamburger Hoffnung "Triangle of Sadness" holt Goldene Palme

Der Schwede Ruben Östlund hat die 75. Goldene Palme von Cannes für seine Sozialsatire erhalten - in der viel Hamburg steckt. mehr

Das Filmfest Cannes feiert 75. Geburtstag, Sie sind mit Ihrem neuen Spielfilm dabei. Wo treffe ich Sie bei unserem Telefonat an, so kurz vor Beginn des Festivals: in Schweden?

Der schwedische Regisseur Ruben Östlund in Göteborg im Frühjahr 2022 © IMAGO / TT
Ruben Östlunds Sozialsatiren stehen für Heldinnen und Helden, die mit moralischen Dilemmata kämpfen und sich dabei lächerlich machen. Der 38-Jährige lebt mit seiner Hamburger Ehefrau und dem gemeinsamen Sohn auf Mallorca.

Ruben Östlund: Ich lebe jetzt auf Mallorca mit meiner deutschen Partnerin, Sina Östlund, und unserem Sohn, davor haben wir bis November in Göteborg gelebt. Im September wurde der Kleine geboren. Wir wollen ein paar Jahre irgendwo leben, bevor er zur Schule muss. Wir haben noch nicht entschieden, ob in Schweden oder in Deutschland. Ich glaube, Schweden - aber mal sehen.

Ihre Partnerin stammt doch aus Hamburg? Sie war 2017 mit bei der Hamburg-Premiere, als Sie damals ihren Goldenen-Palme-Sieger "The Square" in der Hansestadt beim Filmfest Hamburg vorgestellt haben.

Östlund: Genau, sie ist Modefotografin aus Hamburg. Das war auch der Auslöser für meinen aktuellen Film "Triangle of Sadness". Wir haben uns 2015 kennengelernt, ich war sehr neugierig, von ihren Erfahrungen aus der Welt der Mode zu hören, was sie so erlebt hat.

Die ganzen Geschichten aus der Modebranche haben mich dazu gebracht, über das Konzept von Schönheit nachzudenken. Schönheit als eine Art Währung. Professionelle Models stammen aus sehr unterschiedlichen Schichten der Gesellschaft. Sie haben es geschafft, die gesellschaftliche Leiter hochzusteigen, weil sie gut aussehen. Das ist also eines der wenigen Talente, das nicht mit Bildung verbunden ist, oder mit Geld. Wer bei dem genetischen Lotto gewinnt, kann in diese Branche einsteigen.

Mich hat auch interessiert, was die Me-Too-Bewegung ausgelöst hat. Ich wollte wissen, was passiert, wenn man Schönheit als Währung betrachtet. Wir wissen alle, wie sich Schönheit auf die gesellschaftliche Stellung auswirkt.

Was darf das Publikum von "Triangle of Sadness" erwarten? Kann es, wie in Ihren Vorgängerfilmen, etwas über Feigheit lernen, über Selbsttäuschung, vielleicht über innere Schönheit?

Östlund: (lacht) Nein, nichts über innere Schönheit. Ich würde es so ausdrücken: Ich liebe Filme, die Fragen stellen. Die das Publikum dazu zwingen, darüber nachdenken und zu diskutieren, was sie soeben gesehen haben. Mein Ziel, als ich diesen Film geschrieben habe, war: Ich wollte eine Achterbahn der Gefühle schaffen, ein Abenteuer. Wer also in diesen Film geht, soll danach das Bedürfnis haben, sich mit anderen darüber auszutauschen, was sie gemeinsam im Kinosaal erlebt haben, um das Gesehene zu verarbeiten.

"Triangle of Sadness" ist eine Achterbahn der Gefühle für Erwachsene: Der Film wird intellektuell sein, gleichzeitig unterhaltsam und sehr verrückt. Das ist mein Ziel. Ich möchte das Beste vom intellektuellen europäischen Kino mit dem unterhaltsamen amerikanischen Kino verbinden. 

Aus der Zusammenfassung des Filmes wissen wir, der Film spielt in der Modebranche, es geht um Topmodels, um Milliardäre auf einer Yacht und ihren marxistischen Kapitän. Was passiert auf dem Schiff?

Szene mit Woody Harrelson als Kapitän einer Luxusjacht aus dem Ruben-Östlund-Film "Triangle of Sadness" im Wettbewerb von Cannes © Fredrik-Wenzel ©Plattform Foto: Fredrik-Wenzel
Östlund möchte "das Beste vom intellektuellen europäischen mit dem unterhaltsamen amerikanischen Kino verbinden". Woody Harrelson spielt den marxistischen Kapitän einer Luxusyacht mit MIlliardären und Models an Bord.

Östlund: Der Kapitän ist Woody Harrelson. Der Film folgt Karl und Yaya, zwei Models. Sie sind ein Paar. Am Anfang erleben wir sie in der Modewelt, dann folgen wir ihnen auf eine Luxusyacht und enden auf einer einsamen, verlassenen Insel. In diesen drei Situationen wird das Publikum typische Ruben-Östlund-Szenen erleben, wenn die Helden mit Dilemmata moralischer Art konfrontiert werden.

Die Figuren werden sich sehr unterschiedlich in den drei Situationen verhalten. Zum Beispiel: Auf der verlassenen Insel gehen alle alten Hierarchien bei den Überlebenden über Bord. Ausgerechnet die Putzhilfe der Yacht kennt sich mit dem Angeln und dem Feuermachen aus. Und die Milliardäre und die Models sind dafür am Boden der Hierarchie. Der Film betrachtet die Auswirkungen des Materialismus auf die Menschen. Ich würde sagen, der Film ist eine humorvolle Studie über Schönheit und Reichtum.

Iris Berben steht auf der Besetzungsliste. Wen spielt sie im Film mit hauptsächlich skandinavischer Besetzung, den sie in Griechenland gedreht haben?

Östlund: Iris Berben hat für mich die beste Szene gespielt, die ich je als Regisseur bei einem Schauspieler oder Schauspielerin erlebt habe, mit denen ich zusammengearbeitet habe. Ihre Figur ist von der Mutter meiner Partnerin inspiriert. Sinas Mutter hatte vor einigen Jahren einen Schlaganfall. Danach konnte sie nur noch einen Satz sagen: "in den Wolken". Und ihre komplette Kommunikation wird über diesen Satz ausgedrückt, über "in den Wolken". Das Erstaunliche daran ist, dass sie sehr viel mit diesem einzigen Satz ausdrücken kann.

Iris Berben spielt eine Frau, die ebenfalls einen Schlaganfall hatte, die nur noch diesen Satz sagen kann: "in den Wolken." Auf der verlassenen Insel hat sie einmal eine unerwartete Begegnung. Davon kann sie nur nur mit diesem Satz berichten. Sie hat fantastisch gespielt!

Wie viel Hamburg steckt in diesem von der Moin Filmförderung geförderten Film?

Östlund: Durch meine Beziehung zu meiner Frau Sina, die aus Hamburg stammt, habe ich natürlich viel Zeit in Hamburg verbracht, die Leute der Moin Filmförderung habe ich mehrfach getroffen. Hamburg hat immer eine wichtige Rolle in meiner Filmkarriere gespielt, weil ich hier beim Kurzfilmfestival war - mit einem meiner Kurzfilme.

Das war ein wichtiger Moment für mich, weil er das Festival gewonnen hat, ein wichtiger Kick für die Karriere. Am Anfang braucht man diese Unterstützung, dieses Feedback. Wenn man das im richtigen Moment bekommt, ist das sehr wichtig. Seitdem bin ich oft zurückgekehrt, war beim Kurzfilmfestival, beim Hamburger Filmfestival - und ich muss Ihnen sagen: Ich liebe ein bestimmtes Kino! Ich denke, das Abaton Kino ist eines der besten in Europa. Ich liebe das sehr!

Mit welchem Gefühl gehen Sie in diesen Wettbewerb, an dem die nächsten Tage Park Chan-wook, Claire Denis, David Cronenberg, die Dardenne-Brüder und Kelly Reichardt am Wettbewerb teilzunehmen?

Östlund: Mit Stolz, auf derselben Bühne zu stehen, wie diese Größen, die man bewundert, die mich als Regisseur geformt haben. Es ist eine Ehre, mit ihnen am Wettbewerb teilzunehmen. Für meine Filme ist es besonders wichtig, Cannes als Bühne zu haben, dort schaut die ganze Welt hin.

Ruben Östlund mit seiner Goldenen Palme beim Filmfest in Hamburg.  Foto: Patricia Batlle
2017 brachte Ruben Östlund seine Goldene Palme für "The Square" mit zum Filmfest Hamburg. Es war die 70. Goldene Palme.

Cannes bildet den Gegenpol zur kommerziellen Filmbranche. Das Festival ist so einzigartig, weil es schafft, den Blick auf die Filmkunst zu richten, und damit ein Gleichgewicht zur Übermacht der angelsächsischen und der Hollywood-Industrie herstellt, um zum aktuellen Streamingwahn. Cannes ist immer ein Leuchtturm für mich gewesen. Ich bin sehr glücklich, dabei zu sein.

21 Filme kämpften bis zum 28. Juli um die Goldene Palme und die weiteren Preise der 75. Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele Cannes. "Triangle of Sadness" im Verleih von Alamode Film hat bereits einen deutschen Filmstart: den 13. Oktober 2022.

Das Gespräch führte Patricia Batlle NDR.de

 

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Ruben Östlund mit seiner Goldenen Palme für  "Triangle of Sadness" in Cannes - © Joel C Ryan/Invision/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Foto: Joel C Ryan

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Der schwedische Regisseur Ruben Östlund mit seinen Schauspielern Jean-Christophe Folly (l-r), Vicki Berlin und Woody Harrelson beim Photo-Call zu "Triangle of Sadness" in Cannes, wo der Film im Wettbewerb läuft © IMAGO / TT

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch unterwegs | 17.05.2022 | 16:20 Uhr

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