Oscarphänomen "Parasite" aus Südkorea im NDR Fernsehen
2020 wurde der Film "Parasite" mit sechs Oscars ausgezeichnet, darunter als "Bester Film". Die Sozialsatire des Südkoreaners Bong Joon-ho lief am 5. November im NDR Fernsehen.
In seiner Heimat und der gesamten asiatischen Kinoregion zwischen China und Malaysia ist Regisseur Bong Joon-ho schon lange ein Superstar - mit "Parasite" gelang ihm auch in den USA und Europa der endgültige Durchbruch - gleich sechs Oscars bekam der Film. Im Oktober 2019 hat NDR Kultur den Film "Parasite" besprochen.
Familie Kim lebt am Rand der Gesellschaft
Lustig ist es normalerweise nicht, wenn eine vierköpfige Familie in einem Kellerloch wohnt, das von der Stadtverwaltung der Millionenstadt Seoul mit Unkrautvernichtungsmitteln besprüht wird - so als handele es sich bei den Bewohnern um Insekten. Und doch ist der Film "Parasite" unterhaltsam. Die Familie Kim haust in einer niedrigen Souterrainwohnung, in die sich kaum ein Lichtstrahl verirrt. Allabendlich werden die Fenster von Besoffenen bepinkelt. Die Kims leben vom Zusammenfalten von Pizzakartons, ernähren sich von Instantnudeln und nutzen das WLAN der darüber liegenden Wohnungen und Cafés - manchmal ohne Erfolg und manchmal mit akrobatischen Verrenkungen.
Kims unterwandern die reiche Familie Park
Fast spiegelbildlich erzählt "Parasite" von einer weiteren Familie: Die wohlhabenden Parks residieren mit ihren zwei Kindern in einer durchgestylten Betonvilla, beschäftigen Chauffeur, Haushälterin und Nachhilfelehrer. Die armen Kims werden sich in die reiche Familie einschleichen und nach und nach alle Bediensteten ersetzen - mit gefälschten Zeugnissen und gemeinen Intrigen. Der mit familiärer Einigkeit und großem Einfallsreichtum durchgezogene Masterplan besitzt die Virtuosität eines Gangstercoups. Vater Kim ist jedenfalls stolz auf den von seiner Tochter gefälschten Universitätsabschluss, mit dem sich sein Sohn bei den Parks als Nachhilfelehrer vorstellen wird.
Eins kommt zum anderen: Der arbeitslose Herr Kim schleust sich bei den Parks als hochqualifizierter Chauffeur ein. Diesen Fahrer und Familienvater spielt Song Kang-ho, der Stammschauspieler des Regisseurs, mit einer Mischung aus Unterwürfigkeit und langsam erwachendem Stolz. Frau Kim übernimmt den Job der Haushälterin. Die Tochter wiederum wird dem kleinen Sohn der reichen Familie Kunstunterricht geben. Die Auftritte sind minutiös vorbereitet und geplant: Unterschicht spielt Bildungsschicht.
"Parasite": Unterhaltsamer Film über den Klassenkampf
Natürlich wird der in dieser Konstellation angelegte Klassenkampf auch ausbrechen. Die Versuchsanordnung von "Parasite" mag plakativ klingen - und sie ist es auch. Doch immer wieder überrascht uns der Film: durch beiläufige Szene, die die Brutalität der sozialen Verhältnisse offenbaren. Etwa wenn Frau Park dem neuen Nachhilfelehrer ihres Sohnes klipp und klar erklärt, wo es langgeht. Gute Umgangsformen überdecken hier nur notdürftig die strukturelle Rücksichtslosigkeit einer Lebensform.
Bong Joon-ho zeigt soziale Realität statt Heldenepos
In "Parasite" spürt man die Verbundenheit des Regisseurs Bong Joon-ho mit den Bewohnern des feuchten Souterrains. Man ahnt, dass das Leben für seine Figuren einmal heller war, dass es Aussichten, Hoffnungen gab. Dass der Abstieg keine Frage von Tüchtigkeit ist, dass eine Karriere an der fehlenden Studienfinanzierung scheitern kann. Dass Resignation manchmal eben doch die legitime Antwort auf vieles ist.
Menschen wie die Kims zu Helden eines global durchschlagenden Unterhaltungskinos zu machen, ist das große Verdienst von Bong Joon-ho. Der Keller, in dem seine Filmfamilie lebt und immer wieder landen wird, weist weit über Korea hinaus.
Parasite
- Genre:
- Sozialsatire
- Produktionsjahr:
- 2019
- Produktionsland:
- Südkorea
- Zusatzinfo:
- mit Kang-Ho Song, Woo-sik Choi, Park So-Dam
- Regie:
- Bong Joon-ho
- Länge:
- 132 Min.
- FSK:
- ab 16 Jahren
- Kinostart:
- 17. Oktober 2019