Berlinale-Film "Tides": Fehlbaum über magischen Dreh im Watt
Der von Roland Emmerich produzierte Thriller "Tides" läuft auf der Online-Berlinale. Er wurde im Hamburger Watt, vor der Insel Neuwerk, gedreht. So kam der Schweizer Regisseur Tim Fehlbaum auf die Idee zum Film.
Am Montag hat der Science-Fiction-Thriller "Tides" Weltpremiere bei der Online-Ausgabe der Berlinale in der Reihe Berlinale Special gefeiert. Ein Gespräch mit dem Schweizer Regisseur und Autor Tim Fehlbaum über den magischen Dreh im Hamburger Schlick - zu dem das Filmteam mit Kutsche und Treckern gebracht wurde.
Wie ist das Gefühl, mit seinem zweiten Spielfilm auf so einer prominenten Reihe der Berlinale zu laufen?
Tim Fehlbaum: Eine sehr große Ehre. Wir hatten nicht damit gerechnet, mit einem Science-Fiction-Film auf der Berlinale zu laufen. Wir haben uns alle wahnsinnig darüber gefreut. Das ist eine tolle Bestätigung für die Arbeit, die das ganze Team da reingesteckt hat. Es war auch ein sehr komplexer Dreh mit entsprechend langer Finanzierung.
Nach einer ersten Szene im Trailer kommt - bäm! - der Hinweis: produced by Roland Emmerich! Wie kam es zu Emmerichs Mitarbeit am Film?
Fehlbaum: Genau, da muss ein "bäm" dahinter, wie Sie das gemacht haben. Das ist das zweite Mal, dass ich die Ehre hatte, dass Roland Emmerich, meinen Film als 'executive producer' begleitet. Der hat schon bei meinem Debütfilm "Hell" diese Funktion übernommen.
Interessant ist die Verbindung, wie es einen Schweizer Regisseur nach Norddeutschland verschlägt, um einen postapokalyptischen Sci-Fi-Thriller zu drehen. Für alle, die den Film bislang nicht sehen können - was erwartet das Publikum? Eine Art "Waterworld" im Watt?
Fehlbaum: Ich mag den Film "Waterworld" (lacht). Ich verstehe die Assoziation, der Film heißt "Tides" und Wasser spielt eine wahnsinnig wichtige Rolle. Aber es ist etwas ganz anderes. Es ist ein Science-Fiction-Film, der zum großen Teil im Wattenmeer spielt.
Das Setting ist ungewöhnlich: Eine Astronautin kehrt auf die Erde zurück… man würde erwarten, dass eine Astronautin das All oder fremde Planeten erforscht. Wie ist das gedacht?
Fehlbaum: Ich hoffe, eine neue Geschichte zu erzählen, denn in letzter Zeit hat man viele Filme gesehen, die erzählen, wie die Menschheit die Erde verlässt und sich auf anderen Planeten niedersiedelt. Wir haben in unserer Geschichte diesen Schritt schon hinter uns. Die Elite der Menschheit hat sich auf einem Exoplaneten niedergelassen, muss dort aber feststellen, dass sie über die Generationen hinweg aufgrund der kosmischen Strahlung unfruchtbar geworden ist. Man weiß ja aufgrund der kosmischen Strahlung nicht, wie überhaupt unser Körper gemacht ist, um im Weltall zu leben.
Deshalb geht die erste Mission zurück auf die Erde. Sie soll feststellen, ob denn eine Rückkehr für die Menschheit möglich wäre und prüfen, was hier auf unserem Planeten überlebt hat. Ich finde es schwierig zu sagen, dass der Film eine Botschaft hat. Aber in unserem Film schwingt mit, dass wir mehr auf unser zu Hause aufpassen sollten, als zu sehr Expansionspläne zu schmieden.
Wie sind Sie denn überhaupt auf die Idee mit dem Watt als Kulisse kommen??
Fehlbaum: Ich bin der Schweiz aufgewachsen, dann stand ich im Wattenmeer und habe mir gedacht, das ist doch eine großartige Kulisse! Warum hat man das noch nicht für einen Science-Fiction-Film gebraucht? Da hat man für umsonst ein riesiges Production Value! Da müsste ich doch nur noch eine Astronautin im Schlamm liegen und aufwachen sehen und im Hintergrund steht ihre Raumkapsel und schon wäre ich im Science-Fiction-Setting des Filmes.
Wie war der Dreh denn praktisch gesehen im Watt - mussten Sie alle sechs Stunden abbrechen, weil die Flut kam?
Fehlbaum: Das ist eine sehr gute praktische Frage, die wir uns auch im Vorfeld bei der Drehplanung überlegt haben. Uns war natürlich klar, dass es enorme logistische Herausforderungen geben wird, tatsächlich im Wattenmeer zu drehen, weil, wie Sie schon sagen, die Flut kommt unausweichlich. Ich fand interessant, dass man das auf die Minute genau auf Hunderte von Jahren vorausberechnen kann, wann die Flut kommt. Wir hatten natürlich einen Wattenmeer-Führer, der den Plan genau kannte.
Wir haben früh angefangen zu drehen und sind da morgens sehr früh rausgefahren mit Kutschen und Traktoren - da kommt man nur so hin. Das hatte schon mal so einen ganz besonderen Vibe. Dann ist noch alles dunkel und dann kommt der erste Lichtstrahl. Die Schauspielerin liegt im tollen Space Suit da und dann fällt die erste Klappe. Es war tatsächlich ein magischer Moment, wie der Dreh begann. Aber es war uns klar, dass wir das nicht mehr als drei Drehtage durchhalten, das wäre zu komplex geworden. Das hätte enorme Kosten verursacht.
Wo war der genaue Drehort?
Fehlbaum: Auf der Insel Neuwerk. Wir sind von Cuxhaven aus mit der Kutsche rüber auf diese kleine Insel, und da haben wir gedreht. Dort haben wir die weiten Bilder gedreht, wo man diese eindrücklichen Landschaftstotalen einfangen konnte, bei der besten Lichtstimmung. Wir haben für etwas komplexere Sachen, zum Beispiel wenn Action involviert war, in einem Studio gedreht, dass das Wattenmeer simuliert.
Haben Sie zufällig aktuell verfolgt, wie die NASA mit ihrer Marsmission erste Bilder vom Planeten gesendet hat?

Fehlbaum: Oh ja, das habe ich mit großem Interesse verfolgt. Das fand ich sehr spannend, aber sonderlich lebensfreundlich sieht es da nicht aus. Im Gegensatz zum Wattenmeer. Bei einer der ersten Motiv-Touren hat der Wattenmeer-Führer gesagt, dass dort pro Quadratmeter nach dem Regenwald die höchste Anzahl an Organismen zu vorzufinden ist. So sehr blüht da das Leben. Deshalb steht es zurecht unter Naturschutz.
Wie sehr haben sich denn die Schauspielerinnen und Schauspieler abends nach dem Dreh im Schlick eine Dusche herbeigesehnt?
Fehlbaum: (lacht) Das war nicht mehr nötig, die waren schon den ganzen Tag nass. Aber nein, nicht nur die Darstellerinnen und Darsteller haben sich darauf sehr gefreut, sondern das ganze Team. Das war Teil unserer Devise, dass wir gesagt haben, wir wollen wirklich im Schlamm rumliegen, sei es nun die Hauptdarstellerin oder wir mit der Kamera. Das Publikum soll das Gefühl haben, dass es gerade selber diese Reise erlebt.
Das Gespräch führte Patricia Batlle.
