Schauspielerin Ute Lemper sitzt verkleidet als Marlene Dietrich lasziv auf einem Barhocker © picture alliance/dpa | XAMAX

Ute Lemper zum 30. Todestag von Marlene Dietrich

Stand: 06.05.2022 11:28 Uhr

Am 6. Mai 1992 - vor genau 30 Jahren - starb Marlene Dietrich in Paris. Im Interview spricht die Schauspielerin Ute Lemper über ihr dreistündiges Telefonat mit der Dietrich und die daraus entstandene Show "Rendezvous with Marlene".

Ihre letzten zehn Lebensjahre verbrachte die Schauspielerin und Sängerin Marlene Dietrich sehr zurückgezogen in Paris. Sie kommunizierte hauptsächlich über das Telefon. Unter anderem sprach sie 1987 auch mit ihrer Kollegin Ute Lemper, die damals in Paris arbeitete. Es war ein Gespräch, das damals großen Eindruck auf Lemper machten, wie sie im Interview bei NDR Kultur erzählt hat. Mit der davon inspirierten Show "Rendezvous mit Marlene" wird Lemper weltweit auf Tour sein.

Warum glauben Sie, wird Marlene Dietrich auch 30 Jahre nach ihrem Tod immer noch verehrt?

Ute Lemper: Marlene Dietrich ist eine komplizierte Geschichte. Wir wissen, dass sie viele Jahre zunächst nicht verehrt wurde, nach dem Krieg. Ich würde sagen von 45 bis fast zu ihrem Tod war ihre Geschichte in Deutschland eher dunkel, da sie für die Amerikaner im Zweiten Weltkrieg gekämpft hatte und von den Deutschen dafür sehr - nicht gehasst - aber wirklich angetestet worden ist. Das hat ihr das Herz gebrochen. Das ist erstmal das Allerwichtigste: Dass ihr Herz gebrochen war, da sie nicht nach Hause nach Deutschland zurückkehren konnte, wie sie wollte.

Dann ist sie 1992 gestorben. Ich kann mich ja sehr gut an die Zeit erinnern, da ich selbst in diesem Moment im Theater des Westens in Berlin die Lola war. Ich war damals auch 28. Sie war damals 28 Jahre alt gewesen, als sie die Lola gespielt hat. Zehn Tage vor unserer Premiere starb sie. Sie kehrte nach Berlin zurück, um dort begraben zu werden, wie sie es sich gewünscht hatte. Es gab immer noch Menschen, die es ihr vorgeworfen haben, dass sie gegen die Deutschen gekämpft hatte im Krieg. Sie hat immer gesagt, man brauchte nicht viel Gehirn, um ein Anti-Nazi zu sein.

Nach 1992 hat es noch einige Jahre gedauert, und dann kam 2001 die große Feier: Marlene Dietrich wird 100 Jahre alt. Ich war wieder mal dabei, im Friedrichstadtpalast war eine große Gala geplant. Nun hatte sich das Blatt gewendet. Nun war sie zum Statussymbol von Berlin geworden. Das hatte aber lange gedauert und leider Gottes bis zehn Jahre nach ihrem Tod.

Philipp Schmid: Sie haben vor vielen Jahren mehrere Stunden mit Marlene Dietrich telefoniert. Welche Erinnerungen haben Sie an dieses Gespräch?

Ute Lemper: Ja, ganz eklatante Erinnerungen. Das hat mich dazu bewogen, auch einen Theaterabend, eine Show, zu schreiben: "Rendezvous mit Marlene". In dieser Show erzähle ich von diesem Telefonanruf und bin gleichzeitig die junge Ute damals, 1987 in Paris. Ich war dort als Schauspielerin, als Sally Bowles in "Cabaret". Marlene war 87 Jahre alt, lebte allein in ihrer Wohnung in der Avenue Montaigne. Sie hatte das Haus für über ein Jahrzehnt nicht verlassen und wollte mit mir sprechen als junge Deutsche. Sie fühlte eine Verbindung zu mir und wollte mit mir über ihre Geschichte sprechen.

Ich war damals sehr jung. Wenn ich heute mit ihr geredet hätte, hätte ich noch wesentlich mehr Fragen gehabt. Aber sie hat sowieso sehr viel geredet. Insofern war ich eher der Zuhörer. Das Wichtigste, was wirklich in diesem Gespräch herauskam, war ihre Melancholie und ihre Bitterkeit, dass sie Deutschland so sehr vermisste, dass sie Deutschland so sehr im Herzen trug. Sie sagte immer nur: Die wollen mich ja nicht zurück. Und an diese Worte werde ich mich ewig erinnern. Da war eine Melancholie in ihr, in ihrem Herzen, die auch durch das Telefonkabel kam und wirklich in mein Herz hineinschoss.

"Rendezvous mit Marlene" heißt Ihre Show. Ein Rendezvous ist ja weit mehr als eine Annäherung, eine Begegnung?

Rendezvous ist natürlich ein rhetorisches Wort, ein symbolisches Wort, denn es war ein langes Telefongespräch, drei Stunden. Eine Frau, die ihrer Zeit weit voraus war, die im Stil, in ihrer Androgynität, in ihrer Allüre, als Femme fatale, als Verführerin, aber gleichzeitig als emanzipierte Frau eine große Schauspielerin war. Sie hatte ein unheimlich gutes Timing. Sie hatte Humor. Sie war natürlich unglaublich schön. Sie war eine der großen Hollywood-Schönheiten, und sie hat sich selbst in dem Sinne stilisiert - vielleicht zu sehr in einer Künstlichkeit, die heute nicht mehr gefragt ist.

"Rendezvous mit Marlene" - Tourtermine in Norddeutschland

4. Juni 2022: Hildesheim, Theater für Niedersachsen
23. Juli 2022: Lüneburg, Liebeskind Auditorium (SHMF)
24. Juli 2022: Flensburg, Deutsches Haus (SHMF)
24. September 2022: Stade
8. November 2022: Flensburg

Aber sie war eine Frau, ein Freidenker, ein Paradiesvogel. Sie war polygam in ihrer Ehe, bisexuell. Sie hatte Männer als Liebhaber, Frauen als Liebhaber. Sie war jemand, der im Leben überhaupt keine Grenzen kannte. Und das war eben für ihre Zeit damals unfassbar.

Ihre Bewunderung hat sich ja auch in einem Bühnenprogramm niedergeschlagen, das "Rendevous with Marlene" heißt - was ist das für ein Stück?

Ute Lemper: Die Show existiert also in zwei oder drei Sprachen. Natürlich habe ich sie erstmal in Englisch kreiert, hier in New York, und ich gebe sie dann auch in Italien, Spanien, Griechenland. Ich bin nächstes Jahr in London, in Paris und dann wieder zurück in Amerika. Die amerikanische Version ist wunderbar, etwas anders als die deutsche Version. Die Liedauswahl ist etwas anders in der deutschen Version, aber die liebe ich besonders, da es natürlich meine Muttersprache ist. Und da Marlene damals mit mir auch in der Tat Deutsch gesprochen hat. Die deutsche Version geht auch wirklich in die Tiefe hinein. Das liegt mir sehr auf der Zunge und im Herzen und in der Kehle. Ihre Geschichte dann mit ihrer Stimme zu erzählen, das bedeutet eben doch etwas ganz Besonderes in Deutschland. Es hat so eine symbolische Tragweite.

Ich freue mich auf all die Konzerte in all den verschiedenen Ländern. Man kriegt wirklich einen Hauch ihrer Existenz und ihrer Seele mit, denke ich. Der Abend ist breit gefächert mit Liedern aus der deutschen Zeit, aus der französischen Zeit, aus der amerikanischen Zeit. Viele Erzählungen. Aber es geht natürlich auch wirklich um die gebrochene Frau, mit der ich damals gesprochen habe.

Das Gespräch führte Philipp Schmid.

Weitere Informationen
Schauspielerin Marlene Dietrich (1901-1992) in einem Cabriolet im Film "Perlen zum Glück", im Original "Desire", USA 1936, Regie: Frank Borzage, © picture alliance / United Archives | United Archives/Impress
15 Min

Marlene Dietrich: Blauer Engel und Hollywood-Legende

Geboren in Berlin, ging sie Anfang der 30er-Jahre nach Hollywood und wurde zur Stilikone. Sie starb am 6. Mai 1992 in Paris. 15 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Klassisch in den Tag | 06.05.2022 | 07:20 Uhr

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