Lisa Eckhart stellt "Boum" vor: Sprachbilder, die begeistern
Vor genau zwei Jahren war Lisa Eckhart für ihre Sendung "Mitternachtsspitzen" Antisemitismus-Vorwürfen ausgesetzt. Nun ist die Kabarettistin mit ihrem zweiten Roman in Hamburg aufgetreten.
Ein bisschen enttäuscht ist Lisa Eckhart schon, dass sich vor dem Magazin-Kino keine Anti-Lisa-Eckhart-Demo gebildet hat: "Also wenn sie ihr Gesäß nicht einmal mehr hier vor die Tür kriegen, dann ist es wirklich bitter, aber vielleicht beim nächsten Mal. Jetzt sind sie ja wahrscheinlich alle beim Set von 'Winnetou' versammelt, da ist für die Eckhart kein Platz."
Durch den Hintereingang hätte sie Literaturhaus-Chef Rainer Moritz in den übervollen Saal geführt, beklagt sie. Und dann: nichts. Kein geworfener Farbbeutel, kein Geschrei, null Empörung: "Ich hab meinen Agenten noch gebeten, wenn wirklich niemand da ist, dass er sich wenigstens eine Skimütze überzieht und mich bewirft."
Lisa Eckharts Roman ist ein grotesker Trip durch Paris
Mit dem Sektglas in der Hand, in fast royaler Attitüde, nimmt sie auf dem Podium Platz. Sie ist gekommen, um aus ihrem neuen Roman "Boum" zu lesen, eine Weltpremiere, sagt sie, und sie liest wie eine Gossenkönigin: "Wir brauchen Verstärkung, wir haben hier eine Aktivistin und 20 nackte Weiber, die schreien und toben, als wären sie besessen, das müsst ihr gesehen haben. Wo? Vorm deutschen Pavillon, jaja, ich weiß, die Nazis wissen, wie man Spaß hat."
Der Roman ist ein grotesker Trip durch Paris, das hier wie eine Kloake unter Goldstaub anmutet: "Und natürlich, es stinkt bestialisch, in der U-Bahn. Es riecht immer nach Urin, aber man hat den Eindruck, selbst der Urin riecht nach Croissants." Ihre Heldin ist eine etwas tumbe österreichische Touristin, die zur Edelprostituierten aufsteigt. Ob sie Hemmungen gehabt habe, den Roman in Paris anzusiedeln? Dieser fast zum Literatur-Klischee verkommenen Stadt? Nö. "Also dass Sie mich nach Hemmungen fragen … Die hab ich natürlich nicht."
Literaturhauschef haut es vor Lachen fast vom Stuhl
Hemmungslose Sprachbilder, viel Sex, viel Gemächt und Gemensch. Es gibt tote Straßenmusiker, irre Bettlerkönige, coole Kommissare und nackte Aktivistinnen mit Parolen auf den Brüsten. Lisa Eckhart liest: "Wie zwei dicke Zöpfe baumeln sie ihr bis zur Hüfte. Wo sonst nur ein paar Parolen Platz finden, steht hier ein Manifest geschrieben." Man muss es ihr lassen: Lisa Eckhart ist eine überragende Entertainerin, die ihr Publikum immer im Griff hat.
Literaturhauschef Rainer Moritz kann sich selbst vor Lachen kaum auf dem Stuhl halten. Das Publikum ist begeistert: Angesprochen auf die Vorwürfe gegen die Kabarettistin und Autorin, ist die Meinung einhellig, wie dieser Gast: "Dass sie eine Antisemitin ist, halte ich für ausgeschlossen." Dass ihr Roman wie eine Körperschau klingt mit viel Oberfläche und wenig Tiefenbohrung, steht auf einem anderen Blatt. Der Skandal bleibt aus, die Demo bleibt aus.