Florian Illies, Journalist, Mithu Sanyal, Kulturwissenschaftlerin, und Volker Weidermann, Literaturkritiker, sitzen auf der Bühne im Thalia Gaußstraße zum Projekt "Bücher meines Lebens" im Rahmen des Harbour Front Literaturfestivals. © picture alliance/dpa | Georg Wendt Foto: Georg Wendt

Mithu Sanyal und Florian Illies: Bücher über Lieblingsbücher

Stand: 13.10.2022 14:00 Uhr

Beim Harbour Front Literaturfestival wurde eine Buchreihe vorgestellt, bei der prominente Autorinnen und Autoren Bücher über ihre Lieblingsbücher schreiben. Die ersten beiden haben Mithu Sanyal und Florian Illies geschrieben.

von Danny Marques Marcalo

Jeder hat ein anderes Lieblingsbuch. Die Autorin Mithu Sanyal sagt ganz klar: "Sturmhöhe", "Wuthering Heights" von Emily Brontë. Über dieses Buch habe sie auch viel Sekundärliteratur gelesen, also Bücher über das Buch. Einmal auf einer Reise nach Kuba sei sie während langweiliger politischer Vorträge ganz vertieft darin gewesen: "Auch als Fidel Castro uns die Hände schütteln wollte, weil wir die einzige Delegation aus Westdeutschland waren, war ich zu beschäftigt damit Emily Brontë zu lesen."

Florian Illies: "Man muss Werk und Autor trennen"

Auch Florian Illies hat viel Bewunderung für seinen literarischen Helden Gottfried Benn. Ein Dichter, der nicht ganz unproblematisch ist. Er konnte sich zu Beginn der 30er-Jahre sehr für die Nazis begeistern. Ein komplizierter Mann, den Florian Illies nicht so ganz verstehen konnte, dessen Gedichte er aber liebt: "Es führt mich zu dem großen Dilemma, das so schwer anzuerkennen ist für uns alle. Wir hätten so gerne, dass gute Menschen gute Bücher schreiben. Ich hätte es so gerne, dass anständige Menschen anständige Bilder malen. Ich hab mein ganzes Studium schon lernen müssen, dass man Werk und Autor trennen muss. Und Gottfried Benn ist wirklich die Rosskur dafür."

In seinem Buch über Benn versucht er seine Gedanken zu ordnen: "Je länger ich Gottfried Benn liebe, desto weniger verstehe ich meine Liebe. Doch mit jedem neuen Nicht-Verstehen, liebe ich ihn noch ein kleines bisschen mehr."

Mithu Sanyals persönliche Anekdoten zu Emily Brontë

Mithu Sanyal hat sich ebenfalls umfassend mit Emily Brontë beschäftigt, hat die Orte ihres Lebens besucht, gar nicht so düster wie in "Sturmhöhe", und sich als Tochter einer Polin und eines Inders Gedanken zum Held Heathcliff gemacht - einer der ersten schwarzen literarischen Helden überhaupt. Sie hat eine unendliche Batterie von Anekdoten mit persönlichen Verbindungen zum Buch. Fast alle amüsant: "Dann hat mein damaliger Freund mich mit einer Frau betrogen. Und sich für mich von ihr 'Wuthering Heights' ausgeliehen, ungelogen. Ich hab das dann so begeistert gelesen, dass ich dabei nicht die ganze Zeit an die beiden gedacht habe. Das spricht für die Kraft dieses Buches."

Es ist ein schöner Abend in der Gaußstraße beim Harbour Front Literaturfestival Festival in Hamburg. Ganz persönlich erzählen da zwei von ihrer ganz eigenen Lesereise, die sie in den Ausschnitten aus ihren Büchern auch faszinierend aufgeschrieben haben. Nach dem Abend über das Lesen geht man mit Lust aufs Lesen nach Hause. Die Bücher von Mithu Sanyal über Emily Brontë und Florian Illies über Gottfried Benn erscheinen bei Kiepenheuer und Witsch und kosten 20 Euro.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 13.10.2022 | 17:30 Uhr

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