Opa und Enkel lesen auf einem Tablet © picture alliance / Westend61 | Joseffson Foto: Joseffson
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AUDIO: Streit um KI-Kampagne der Stiftung Lesen (4 Min)

Kampagne der Stiftung Lesen: Fatales Signal versus Spielerei

Stand: 10.10.2024 08:50 Uhr

Künstliche Intelligenz verändert aktuell alle Lebensbereiche, auch die Kreativwirtschaft. Nun sorgt die neue Vorlesekampagne der Stiftung Lesen für Aufruhr, denn dafür wurden KI-generierte Illustrationen genutzt.

von Florian Schmidt

"Also, ich finde, dass da gerade zurecht ganz viel Aufregung stattfindet", sagt die Illustratorin Anne-Kathrin Behl. "Als ich von dieser Kampagne erfahren habe, ist mir auch erstmal die Kinnlade runtergefallen." Auch zwei Wochen nach dem Start der Stiftung Lesen Kampagne spürt man, wie aufgewühlt die Zeichnerin noch ist. Behl hat an der HAW in Hamburg Illustration studiert, lebt mit ihrer Familie in Celle und zeichnet mit Vorliebe Tiere. Ausgerechnet Tiere sind zentraler Bestandteil der fünf Kampagnen-Motive "#MachmitLiesvor" der Stiftung Lesen zu sehen.

Da ist zum Beispiel ein von KI-generierter Wolf im Schafspelz. Darunter der Satz: Populisten hassen diesen Trick: Vorlesen. Oder ein Eisbär, der seinem Eisbärkind aus einem Buch vorliest. Ob nun Anne Behl, Patrick Wirbeleit oder noch einige andere Illustratoren - sie alle haben in den letzten Tagen bei Instagram großes Unverständnis über die Social-Media-Kampagne der Stiftung Lesen geäußert, die in der Branche als "Schlag ins Gesicht" empfunden wird.

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Anne Behl © Anne Behl

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Stiftung Lesen-Kampagne: Fatales Signal vs. Spielerei

"Ich finde, dass die Benutzung von KI ein fatales Signal an alle Urheber und Urheberinnen generell ist. Also, was die Stiftung Lesen damit signalisiert, ist: 'Ihr seid austauschbar. Ihr seid euer Geld nicht wert'", so die Illustratorin im Interview. Genau das sei natürlich nicht die Absicht dieser Kampagne gewesen, stellt Laura Trost klar, die Leiterin der Kommunikationsabteilung der Stiftung Lesen: "Für uns stellt sich da überhaupt nicht die Frage, ob KI Illustrator*innen ersetzt, sondern wir arbeiten natürlich auch mit Illustrator*innen zusammen. Das haben wir in der Vergangenheit getan, das machen wir in den größten Leseförderungsaktionen Deutschlands und das werden wir auch in der Zukunft nach wie vor machen."

Der Grund für die Nutzung von KI für die aktuelle Vorlese-Kampagne sei lediglich Spielerei gewesen, das Ausprobieren von technischen Möglichkeiten, so Trost: "Aus unserer Sicht ist KI ein Tool, das uns dabei unterstützt, kreative Ideen umzusetzen. Ich bin da kein Fan von Schwarz-Weiß-Denken. Ich kann eine gute Kampagne kreieren mit fünf KI-generierten Bildern und trotzdem Illustratoren unterstützen. Das schließen wir nicht aus, im Gegenteil."

KI kein harmloses Spielzeug

Als harmloses Spielzeug wird die Verwendung der Künstlichen Intelligenz in der Illustratoren-Branche aber ganz und gar nicht angesehen. Anne Behl: "Man muss einfach wissen, dass die KI kein Tool ist, mit dem man hübsche Bildchen macht, sondern KI ist Diebstahl geistigen Eigentums. Es werden Bilder generiert, weil eine KI gefüttert wird durch unsere Bilder. Und wir sehen dafür keinen einzigen Cent."

Die Stiftung Lesen betont, man arbeite mit einem Programm, das nicht mit Inhalten aus dem Web gefüttert werde, erklärt die Leiterin der Kommunikationsabteilung, "sondern zum Training ausschließlich Bilder genutzt werden, die von diesen Unternehmen, mit dem wir zusammenarbeiten, das die Rechte hat oder eben gemeinfreie Inhalte nutzt, die nicht mehr urheberrechtlich geschützt sind". Einen direkten Austausch zwischen der Stiftung Lesen und der Illustratoren-Branche hat es - außer ein paar kurzen Kommentaren auf Social-Media-Kanälen - bisher nicht gegeben.

Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Vorlesens

Bei dem Streit droht in den Hintergrund zu geraten, dass es beiden Seiten um eine gute Sache geht, nämlich darum, Aufmerksamkeit für die Bedeutung des Vorlesens für Kinder und Gesellschaft zu schaffen.

Darum, wie Laura Trost betont, aufzuklären, wie Lesekompetenz mit gesellschaftlichen Herausforderungen zusammenhängt. Zum Welttag des Buches habe man im vorigen Jahr beispielsweise über eine Million Comicbücher in die Schulen gebracht, "weil wir die Arbeit toll finden", so Trost. "Wir mögen Graphic Novels. Wir sind Kinderbuchfans. Wir werben bei jeder Gelegenheit dafür, dass man Comics gut nutzen kann, um die Leselust bei Kindern zu wecken. Daran ändert auch eine Kampagne nichts, dass wir total hinter Illustratoren stehen und der Arbeit, die Illustratoren jeden Tag machen."

Insofern sollte doch Einigkeit herrschen zwischen dieser für die Lesekompetenz und -förderung so wichtigen Stiftung und einer Branche, ohne die Kinderbücher niemals ihre magische Wirkung entfalten könnten. Oder wie es Anne Behl formuliert: "Es geht um Kinder. Kinder sollten es uns doch wert sein, dass wir Qualität liefern - und das kann eine KI einfach nicht leisten."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Nachmittag | 09.10.2024 | 16:20 Uhr

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