Eine Roboterhand legt einen Würfel mit der Aufschrift "C" neben zwei andere Würfel mit den Aufschriften "A" und "B". © picture alliance / Zoonar Foto: Alexander Limbach
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AUDIO: Künstliche Intelligenz: Können Maschinen dichten? (8 Min)

Künstliche Intelligenz: Können Maschinen dichten?

Stand: 04.01.2023 14:39 Uhr

Wird es Maschinen mit künstlicher Intelligenz in naher Zukunft möglich sein, selbständig literarische Texte zu verfassen? Das hält Autor Fabian Navarro zum jetzigen Zeitpunkt für nicht realistisch. Ein Gespräch.

Alles hat begonnen mit einem eher lästigen Schreibauftrag: Der Dichter, Autor und Poetry Slammer Fabian Navarro sollte Folgen für eine Krimiserie schreiben. Diese hatte nach immer ähnlichen Muster recht vorhersehbare Handlungsstränge. Das müsste man doch automatisieren können, dachte sich Navarro und begann zu programmieren. So ist Eloquentron3000 entstanden, ein Schreibautomat, der mittlerweile Gedichte dichtet und diese auf Instagram oder anderen Social-Media-Kanälen mit relativ großem Erfolg veröffentlicht.

Herr Navarro, ob ein Text Lyrik ist oder nicht, ist doch eine Frage der Zuschreibung. Oder?

Fabian Navarro: Selbstverständlich. Eine Maschine, die von sich aus Literatur generiert, halte ich zum jetzigen Zeitpunkt für unmöglich. Es braucht einen menschlichen Input auf irgendwelche Art und Weise. Zudem entstehen Literatur und generell literarische Verfahren sowieso immer im Wechselspiel aus Rezeption und dem Text. Dementsprechend ist es eine Spielerei und nicht das Ersetzen von Literatur durch Maschinen, sondern eher ein erweiterndes Handwerkszeug.

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Im Ihrem Band "Poesie.exe" sieht man jeweils ein Gedicht von einem Menschen und eins von einer Maschine nebeneinander, ohne dass Autorin oder Autor genannt werden. Worum geht es Ihnen bei diesem Experiment?

Navarro: Der Band "Poesie.exe" ist ein Sammelband, eine Anthologie, wo es die Gegenüberstellung von vermeintlich menschlichen und vermeintlich maschinellen Texten gibt. Wir verraten nicht, was von wem ist. Das ist auch nicht so wichtig. Denn die Frage ist nicht, ob ein Text von einer Maschine besser ist als der von einem Menschen. Deswegen haben wir diese Zuschreibung da erstmal weggenommen. Das lässt sich nur bei einer Auflösungsseite herausfinden. Die Idee ist eher eine Einladung dazu, sich mit neuen Methoden der Texterstellung auseinanderzusetzen. In Literatur gibt es häufig eine Auseinandersetzung mit digitalen Medien, es wird über Digitales geschrieben, aber selten mit digitalen Methoden. Abgesehen davon, dass wir natürlich Textverarbeitungsprogramme benutzen und vielleicht auch Textkorrekturen. Aber dass zum Beispiel Autor*innen eigene Algorithmen schreiben, um damit neue, interessante Texte zu generieren, das gibt es noch selten. Und das ist eine Einladung, sich damit auseinanderzusetzen. Hinten stehen ganz viele Methoden drin, mit denen diese Texte erstellt wurden. Das ist eine kleine Spielwiese für Autor*innen und vielleicht eine kleine Inspiration, wie man noch über Texte denken kann.

Wir haben es hier mit abstrakten Formen zu tun, vielleicht manchmal mit zufälligen Prinzipien. Aber nehmen wir etwa Rilke, wo das Versmaß stimmen muss, wo alle Reime ausgearbeitet sein müssen - wäre es auch schon möglich, so etwas durch selbstlernende Systeme zu schaffen?

Navarro: Es ist sehr schwierig, insbesondere was Versmaß und Reime angeht. Im Deutschen zumindest kenne ich wenige Systeme, die das können. Im Englischen gibt es tatsächlich ein paar Lexika für Silbentrennung und Betonung, die es möglich gemacht haben, dass es Bots auf Twitter gab, die zum Beispiel in einem Hexameter gereimte Tweets gepostet haben. Ich glaube, das ist nur eine Frage der Zeit, bis das auf der formalen Ebene funktioniert. Vielleicht gibt es schon ein System, was ich noch nicht kenne - die Übersicht darüber zu behalten, ist aktuell ganz schwer. Ich weiß auch nicht, ob das etwas ist, wovor ich "Angst" hätte. Ich finde es eher eine interessante Spielerei, weil es das Arbeiten mit Texten noch einmal verändern würde.

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Bleibt die Frage nach dem Warum: Sie werden als Dichter wissen, dass die Verlage nicht gerade hinter Ihnen her rennen. Warum braucht es noch Textproduzenten digitaler Art?

Navarro: Die Frage ist nicht: Braucht es das? Sondern: Können wir es uns leisten, uns nicht damit auseinanderzusetzen? Denn diese Systeme gibt es jetzt und die wird es weiterhin geben. Sich als eine Person, die mit Texten arbeitet, nicht damit auseinanderzusetzen, halte ich eher für gefährlich. Es ist vor allen Dingen an den Menschen, die sich sehr gut mit Texten, sich mit diesem System auseinanderzusetzen, um vielleicht Forderungen zu stellen, wie diese Systeme auf einer gesetzlichen Ebene reguliert werden sollten. Denn es gibt ganz viele Fragen: Wie ist es mit dem Urheberrecht, wenn Systeme ohne Einverständnis mit den ganzen Textmengen trainiert werden, die man gar nicht mehr überblicken kann? Müssen Texte gekennzeichnet werden, die mit solchen Systemen erstellt worden sind? Wie überprüft man das? All diese Sachen sind nur möglich, wenn Menschen, die sich bereits mit Texten auskennen, auch damit beschäftigen. Eine Reaktion wie: Das sollten wir nicht benutzen, weil es schlecht ist - ist kein guter Gedanke, denn Menschen benutzen es schon imd werden es auch benutzen. Da finde ich eine Auseinandersetzung eher sinnvoll, um vielleicht neue Fragestellungen zu formulieren.

Ich finde es sympathisch, dass Sie immer nur von "Maschinen" sprechen. Wie stehen Sie in diesem Zusammenhang zu dem Begriff "künstliche Intelligenz"?

Navarro: Es ist ein sehr schwammiger Begriff. Es gibt keine einheitliche Definition von dem, was Intelligenz ist, und von dem, was künstlich ist. Es ist sehr häufig der Versuch, mit einem System das Gehirn so nachzustellen, wie wir uns vorstellen, dass es funktioniert - wir aber wissen nicht hundertprozentig, wie es funktioniert. Von daher finde ich es sehr schwammig, von Intelligenz zu sprechen. Für Unternehmen klingt das nach einem super Marketing-Buzzword, aber es steckt meistens viel weniger dahinter, als draufsteht.

2017 oder 2018 gab es ganz viele Meldungen, dass eine KI neue "Harry Potter"-Kapitel generiert hat. Aber was am Ende dahinter stand, war ein Predictive Text Tool, der von Menschen benutzt wurde, um quasi ein Kapitel auszuwählen. So, als hätte man alle Kapitel "Harry Potter" mit dem Handy abgetippt, bei der Autovervollständigung auf die nächsten Vorschläge geklickt und sich dann die besten Ergebnisse davon ausgesucht. Ich finde, Meldungen über künstliche Intelligenz sollte man immer mit Vorsicht genießen und genau nachrecherchieren, was an System dahintersteckt. Man muss verstehen, wie die Systeme funktionieren und was da letztlich wirklich gemacht wurde, statt nur zu rufen: Hilfe, ich brauche Arnold Schwarzenegger, der mich von den Robotern befreit.

Das Interview führte Mischa Kreiskott.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Journal | 04.01.2023 | 16:45 Uhr

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Künstliche Intelligenz (KI)

Lyrik

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