Der Moderator Steffen Hallaschka © Steffen Hallaschka Foto: Arne Weychardt
Der Moderator Steffen Hallaschka © Steffen Hallaschka Foto: Arne Weychardt
Der Moderator Steffen Hallaschka © Steffen Hallaschka Foto: Arne Weychardt
AUDIO: Gott und die Welt mit Steffen Hallaschka (9 Min)

Hallaschka: "Tod bedeutet das Ende unserer irdischen Existenz"

Stand: 28.03.2023 12:51 Uhr

Vielen kennen ihn als Moderator von Stern TV. In der neuen Doku-Serie "Sterben für Anfänger" geht Steffen Hallaschka zusammen mit Olivia Jones auf Expedition. Es ist eine sehr persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben und Tod.

Was war der Grund, eine Serie über Tod und Sterben zu machen?

Steffen Hallaschka: Mich hat immer schon genervt, dass wir uns vom Tod so in Schockstarre versetzen lassen. Ich habe gemerkt, dass in mir die Unruhe steigt. Dass ich das nicht akzeptieren wolle. Es ist doch bescheuert, warum wir dem Tod diese Macht in unserem Leben geben, … dass er uns zum Schweigen bringt und, dass er uns in Angststarre versetzt. Und deswegen fand ich das eine charmante Idee: Visier hochklappen und dem Sterben begegnen."

Dass die Unruhe steigt … hat das auch was mit Ihrem Alter zu tun? Dass Sie gesagt haben, so, jetzt muss ich mich dem mal stellen …

Hallaschka: Ja, das hatte auch etwas mit meinem Alter zu tun, dass ich 50 geworden bin und gedacht habe, jetzt mal ehrlich - also bei Lichte betrachtet - der Halbzeitpfiff ist wahrscheinlich schon ertönt?, ohne, dass du ihn zur Kenntnis genommen hast. Und jetzt sei mal bitte erwachsen und stell dich mal den Fragen von Patientenverfügung, Testament, Beisetzung. Was will ich eigentlich meiner Familie sagen? Möchte ich eine Erdbestattung, möchte ich ins Feuer?. Wie soll das alles laufen? Das ist doch meine Entscheidung. Ich muss das doch mal festlegen. Und wer weiß, wie lange ich noch hab'? Tatsächlich ist mein Vater 53 geworden. Ich habe einen sehr engen Freund mit 54 verloren. Da bin ich nicht mehr weit von weg.

Gab es so eine besondere Frage, mit der Sie an die Serie herangegangen sind?

Hallaschka: Ja, ich habe erst mal für mich persönlich den Wunsch gehabt, die Angst davor verlieren. Ich möchte eine Sprache finden, um über Endlichkeit sprechen zu können, und auch die Angst verlieren, darüber zu sprechen. Ich habe auch Sterbende getroffen. Ich habe Vanessa kennengelernt, die ganz klipp und klar sagt - auch öffentlich sagt - ich werde sterben. Ich bin Palliativpatientin. Und das erste Gefühl, für viele von uns, ist Beklemmung. Wie rede ich mit Betroffenen? Es war so schön zu erfahren, dass man natürlich eine Sprache dafür findet und natürlich miteinander ganz lange tiefe Gespräche führen kann. Und sich danach reifer und erwachsener und gewappneter fühlt - und weiß, okay das geht, das ist kein Tabuthema.

Aber, das ist interessant. Sie haben gesagt trösten kann ich nicht, weil wir wissen alle, wie es ausgeht. Das heißt ja, dass es nur dann Trost gibt, wenn man gute Besserung sagt - im Sinne von: Du wirst nicht sterben. Aber vielleicht gibt es ja trotzdem Trost …

Hallaschka: Ja, klar gibt es trotzdem Trost. Also, es ist ja auch die Frage, was ist Trost. Aber man kann da sein, ein offenes Ohr anbieten und auch neugierig fragen. Und das Gegenüber erzählt ja auch gern. Ich habe gelernt, dass Menschen mit einer palliativen Diagnose ganz oft gar keine Ansprechpartner im Alltag finden. Nachbarn und Freunde vermeiden das Gespräch, haben keinen Umgang damit und sind auch in dieser blöden Schockstarre. Huh, der Tod wohnt nebenan. Und das ist Mitnichten so. Für Menschen, die betroffen sind, ist es natürlich auch tröstlich darüber reden zu dürfen.

Ja, und dass jemand da ist, und einfach bleibt ...

Hallaschka: Man muss auch gar nichts Schlaues sagen übrigens … auch habe ich auch von der Sterbebegleiterin Johanna Klug gelernt. Du musst nicht das Richtige sagen. Du musst vor allem erstmal zuhören: geh mal rein, sperr dein Herz auf, fühl mal nach. Was möchte der andere Mensch gerade, was braucht der?. Braucht der einfach mal ein bisschen Stille, braucht er eine starke Schulter zum Anlehnen?. Und dann ergibt sich der Rest.

Gab es bei den Dreharbeiten ein Schlüsselerlebnis, wo Sie gemerkt haben, jetzt verändert sich meine Einstellung zu dem Thema?

Hallaschka: Diese Serie und diese Dreharbeiten waren eine Aneinanderreihung von Schlüsselerlebnissen. Ich habe noch nie etwas gemacht, was mich so nachhaltig berührt und weitergebracht hat. Wir haben ziemlich zu Beginn einen Bestatter besucht und konnten die Versorgung eines Verstorbenen begleiten. Ich war am Ende dieses Tages so erfüllt und so beseelt, fast euphorisch, dass ich mich das getraut habe. Das Gefühl zu haben, auch so etwas ganz Sinnvolles gemacht zu haben. Einem Menschen, den ich nicht kannte, die letzte Ehre zu erweisen, dem die Haare zu waschen und selber zu merken, da fällt man selber nicht tot um, da kriegt man keine Flecken an den Händen. Es passiert gar nichts, außer dass man sich dann nach einem Stückchen reifer und gewappneter fürs Leben fühlt.

Und dann war ich bei einer Obduktion und habe gedacht, das wird ja jetzt der nächste Trip. Das traue ich mich überhaupt nicht. Nach fünf Minuten hatte ich einen pseudomedizinischen Forscherdrang und wollte alles ganz genau erfahren und genau sehen. Ich habe Organe berührt und angefasst, und es war total gut, um wirklich im buchstäblichen Sinne zu begreifen, was Tod bedeutet - für einen Menschen und für einen Körper.

Und, was bedeutet das?

Das bedeutet das Ende unserer irdischen Existenz. Und ich habe begriffen, dass das, was da bleibt auf Erden wirklich eine unbewohnte Hülle ist. Ich habe gespürt, da ist kein Licht mehr an, da ist keine Seele mehr im Raum. Da liegt ein abgelegter Mantel, ein abgelegtes Haus, und es braucht auch keiner mehr. Das ist gut, dass man das herrichtet. Aber ob das dann in den Sarg unter die Erde kommt, verbrannt wird?. Es ist eigentlich dann nur noch wichtig für die Angehörigen, welche Form der Erinnerung oder welche Form der Gedenkstätte sie haben wollen. Und was mich dann natürlich interessiert, was ist mit dem Rest, der Seele.

Und was ist mit der Seele? Sind Sie da für sich irgendwie weitergekommen?

Der Moderator Steffen Hallaschka © Steffen Hallaschka Foto: Arne Weychardt
"Ich glaube, dass meine Seele aufgefangen wird", sagt Steffen Hallaschka.

Hallaschka: Ein kleines bisschen bin ich da weitergekommen. Ich halte natürlich auch an dem Glauben fest, dass die Seele auf Reisen geht und irgendwo bleibt, weil ich das für mich selber am tröstlichsten finde. Und ehrlich gesagt, wenn es am Ende aller Zeiten nicht so sein sollte, war der tröstliche Gedanke auf dem Weg dahin trotzdem hilfreich.

Der Satz, Margot Käßmann hat ihn ja geprägt, 'ich kann nicht tiefer fallen als in Gottes Hand' - hat das für Sie auch eine Relevanz gehabt bei dieser Erfahrung mit dem Tod?

Hallaschka: Ja, ich habe schon in meinem Alltag erfahren, dass auch in Momenten, die aussichtslos erscheinen, sich die Dinge mit einer kleinen Zeitverzögerung manchmal gut auflösen und im Nachhinein viel versöhnlicher erscheinen. Und das ist für mich so ein Beleg dafür, dass ich darauf vertrauen kann, wenn ich falle, trotzdem in Gottes Hand zu fallen und irgendwann aufgefangen zu werden. Auch wenn die Zeit dahin vielleicht schmerzlich ist.

Spielt es auch eine Rolle in Bezug auf Sterben und Tod? Also, in der Serie kommt ziemlich oft Jenseits vor. Da ist aber nicht explizit von Gott die Rede, ob der irgendetwas ist, was mich auffängt, sondern das ist so ein bisschen eher spooky Totenreich …

Hallaschka: Ja, weil wir auch niemanden konfessionell missionieren wollen. Aus der Erfahrung meines Leben übertragen in den Tod, erscheint es mir schon sinnvoll, dass ich und meine Seele aufgefangen werden. Und das ist für mich verbunden mit einer Gottesvorstellung. Aber die kann ja auch jeder so belegen, wie er möchte. Ich glaube schon, dass Energie nicht einfach spurlos verlorengeht.

Und hat sich für Sie, weil wir jetzt vom Glauben gesprochen haben, Ihr Glaube dadurch in irgendeiner Form verändert, im Diesseits?

Hallaschka: Mein Glaube ist schon sehr von diesem altmodischen Wort Demut geprägt. Ich bin halt sehr demütig vor dem Geschenk des Lebens. Ich habe gelernt in meinem Leben, dass es nicht selbstverständlich ist, und dass ich dankbar sein kann für jeden gesunden Tag, den ich auf diesem Erdenball verbringen darf. Und das hat die Arbeit an dieser Serie eher noch verstärkt. Also dieses Gefühl von Demut vor dem Leben.

In der Serie sieht man den Tod schon auch drastisch. Das sind krasse Bilder. Was würden Sie sagen, jetzt im Rückblick auf diese Szenen, was ist stärker als das Sterben?

Hallaschka: Was ist stärker als das Sterben? Stärker als das Sterben ist ganz sicherlich der zwischenmenschliche Zusammenhalt. Also wenn man Menschen an seiner Seite hat, die bereit sind, ohne Berührungsängste diesen Weg mitzugehen. Das ist von unschätzbarem Wert.

Das Interview führte Susanne Richter. Redaktion: NDR

Dieses Thema im Programm:

NDR Info | Gott und die Welt - der Podcast | 01.04.2023 | 07:40 Uhr

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