Zwei Spiegelkästen mit der Aufschrift "80 Jahre" und "Kriegsende" stehen vor dem Brandenburger Tor. © picture alliance/dpa Foto: Hannes P Albert

Kolumne: "Zur Freiheit befreit"

Stand: 08.05.2025 05:00 Uhr

Diese Woche wird an das Ende des Zweiten Weltkrieges vor 80 Jahren erinnert. Pastorin Susanne Richter fragt sich: Wie können wir uns heute von Demokratiefeindlichkeit und Fremdenhass befreien?

von Susanne Richter

Ich will, dass wir frei leben können. Besonders jetzt merke ich das so deutlich, weil ja in diesen Tagen an das Kriegsende vor 80 Jahren erinnert wird. Seltsamerweise hat sich für den 8. Mai in den letzten Jahrzehnten der Begriff "Tag der Befreiung" etabliert. Seltsam, weil es so wirkt, als hätte die Bevölkerung von einigen schlimmen großen Nazis befreit werden müssen und hätte sie nicht selbst gewählt und mitgemacht bei den Verbrechen.

"Die kleinen Nazis sind eingebürgert worden"

Auf jeden Fall ist Deutschland vor 80 Jahren besiegt worden und der Krieg war damit zu Ende. Die großen Nazis sind vor Gericht gekommen oder untergetaucht und die mittleren bis kleinen Nazis sind eingebürgert worden und haben vergessen, was sie gemacht haben. Ich bin sehr dankbar, dass die Alliierten Deutschland zum Aufhören gezwungen haben. Aber befreit wurden die anderen Länder, die von den Deutschen überfallen wurden, befreit wurden Konzentrationslager.

"Die Gegenspielerin von Freiheit ist Angst"

Susanne Richter © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
"Lahmarschigkeit ist leider eine Gegenspielerin von Angst", meint Pastorin Susanne Richter.

Für Deutschland als Ganzes passt der Begriff so nicht. Mein Grundgefühl in den letzten Tagen: 80 Jahre nach Kriegsende bräuchten wir dringend eine Befreiung. Eine Befreiung von Demokratie- und Menschenfeindlichkeit und Fremdenhass. Und eine Freiheit hin zu mehr Geschwisterlichkeit und Solidarität miteinander und mit der Schöpfung. Aber wie kann das gehen? Dieser Freiheit steht nicht nur eine rechtsradikale Partei entgegen. Wir sind es auch selbst. Ich glaube ja: Eine Gegenspielerin von Freiheit ist Angst - und leider auch Lahmarschigkeit.

"Die Freiheit von niemanden nehmen lassen"

Wer Angst hat, baut sich enge Gedankenwelten und Grenzen auf. Und wer lahmarschig ist, guckt lieber eine Serie als sich zu engagieren. Wenn wir uns in Richtung Freiheit bewegen wollen, dann brauchen wir Mut. Und wir brauchen uns gegenseitig. Wir müssen wachsam, aktiv und solidarisch sein, wir müssen widersprechen, wenn Freiheit bedroht wird. In der Bibel steht, dass wir zur Freiheit befreit sind. Diese Freiheit dürfen wir uns von nichts und niemandem nehmen lassen.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Radio MV | 11.05.2025 | 07:30 Uhr

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