Viele alte analoge Wecker stehen auf einem Tisch. © claudiarndt Foto: -

Kolumne: "Himmel, wie die Zeit vergeht"

Stand: 11.05.2022 15:20 Uhr

Zeit hat keine Pausentaste. Sie lässt sich nicht sparen oder stehlen, nicht erobern, nicht besitzen. Sie ist das Wertvollste, was wir haben, und Gottes wohl wundersamste Erfindung.

von Julia Heyde de López

"Meine Güte, ist wirklich schon Mitte Mai?!" Mein Zeitgefühl ist gerade etwas aus dem Takt, und so geht es vielen in meiner Familie und im Freundeskreis. Da liegen zwischen uns und Weihnachten gefühlt nur noch ein paar Sommer-Wochenenden. Verrückt ist das.

Die Zeit rennt - und ich versuche, Schritt zu halten. Denn natürlich verstreichen die Wochen nicht einfach so. Ich arbeite, organisiere, erledige; versuche, die Zeit zu managen. Trotzdem quillt der Mail-Eingang regelmäßig über, und zu den Dingen, die mir wirklich wichtig sind, komme ich kaum. Dann steigt der Druck, die innere Unzufriedenheit. Und ich schaue auf die Uhr und schimpfe auf die Zeit, die nie reicht.

Zeit entzieht sich unserer Kontrolle

Zeit ist Gottes wohl wundersamste Erfindung. Wir können sie messen, sogar bis auf den Minibruchteil einer Sekunde genau, und doch entzieht sie sich unserer Kontrolle. Sie hat keine Pausentaste. Sie lässt sich auch nicht sparen oder stehlen. Sie macht Haare grau und Gesichter faltig, und manchmal heilt sie Wunden. Sie ist eine Ressource - doch Kriege werden nicht um sie geführt. Denn sie lässt sich nicht erobern, nicht besitzen. Zeit wird uns geschenkt. Sie ist das Wertvollste, was wir haben. Und doch haben wir sie nicht - wir sind ein Teil von ihr und sie von uns.

Julia Heyde de López © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka
Zeit ist Gottes wohl wundersamste Erfindung, sagt Kirchenredakteurin Julia Heyde de López.

So beschreibt es auch der englische Journalist Oliver Burkeman in seinem Buch "4000 Wochen": "Wir haben nicht eine begrenzte Zeit, wir sind eine begrenzte Zeit", erklärt er. Die eigene Sterblichkeit zu bedenken, findet Burkeman dabei nicht beängstigend, sondern befreiend.

Damit führt er aus, was wir vom biblischen Psalmbeter kennen: "Herr, lehre uns bedenken, dass wir sterben müssen, auf dass wir klug werden." (Psalm 90) Klug, das nutzlose Streben nach Kontrolle über die Zeit aufzugeben, unsere To-Do-Listen auch mal beiseitezulegen und uns zu entscheiden - für die Dinge und die Menschen, die uns wichtig sind. Und dann einfach zu sein, ohne Plan und ohne Uhr, dankbar, hier und jetzt.

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Jeden Donnerstag vergeben die Radiopastoren und Redakteure ein Kreuz für Glauben, ein Herz für die Liebe oder einen Anker für das, was hoffen lässt.

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | 15.05.2022 | 07:30 Uhr

Ein Herz, Kreuz und Anker aus Silber vor blauem Hintergrund © Kirche im NDR Foto: Christine Raczka

Kreuz - Herz - Anker

Kreuz, Herz oder Anker? So heißt die Kolumne der Kirche im NDR. Regelmäßig vergeben unsere Autoren ein Kreuz für Glauben, ein Herz für Liebe oder einen Anker für Hoffnung. mehr

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