Nummer gegen Kummer: Wenn Kinder oder Eltern nicht mehr weiter wissen
Wenn Kinder und Jugendliche Sorgen haben, dann können sie beim kostenlosen Kinder- und Jugendtelefon anrufen. Der Kinderschutzbund in Greifswald beteiligt sich auch am Sorgentelefon für Eltern.
Allein im Jahr 2020 wurden deutschlandweit über 128.524 Beratungen durchgeführt. Während die Zahlen bei den Kindern und Jugendlichen etwas nach unten gingen, sind die Beratungen am Elterntelefon im Vergleich zum Vorjahr um 64 Prozent gestiegen. In Greifswald bietet der Kinderschutzbund Kreisverband Vorpommern-Greifswald e.V. Beratungen sowohl am Kinder- und Jugendtelefon als auch am Elterntelefon an.
Genaues Zuhören ist ganz wichtig
Es beginnt immer mit einem Klingeln. Sobald sich die Beraterinnen und Berater an ihrem Arbeitsplatz eingewählt haben, werden die Anrufe der Hilfesuchenden nach einem bestimmten System auf freie Telefone in ganz Deutschland verteilt. "Hallo, hier ist das Kinder- und Jugendtelefon, was kann ich denn für dich tun", fragt Beraterin Jennifer. Und damit ist sie bereit, sich die Probleme und Sorgen des Anrufenden anzuhören. Und wenn man genau zuhört, erkenne man sehr schnell, wo der Schuh drückt. Häufig gelingt es, gemeinsam eine Lösung zu finden. Über diese individuellen Tipps hinaus, werden den Kindern und Jugendlichen aber auch weitere Hilfsangebote außerhalb des Sorgentelefons gegeben.
"Wir können natürlich im ersten Schritt eine emotionale Entlastung geben. Also aktiv zuhören und signalisieren, wir sind jetzt im Moment für dich da. Wir sind aber nicht vor Ort. Also müssen wir es schaffen, dass die Kinder und Jugendlichen auch Hilfe aus ihrem Umfeld bekommen", erklärt Jennifer. Es rufen übrigens alle Altersgruppen an. Das können auch Sechsjährige sein, die gerade einmal wissen, wie ein Telefon funktioniert. Vor allem aber sind es Jugendliche im Alter zwischen 14 und 16 Jahren.
Breites Spektrum an Problemen
Derzeit gibt es 76 Standorte in ganz Deutschland an denen Beraterinnen und Berater am Kinder- und Jugendtelefon (KJT) sitzen. An Werktagen stehen 76 offene Leitungen zur Verfügung, die von rund 2.235 ehrenamtlich tätigen, ausgebildeten Personen besetzt sind. Die Themen, über die am Sorgentelefon gesprochen werden, sind total unterschiedlich. Es gibt Kinder und Jugendliche, die sind einfach nur alleine fühlen und kurz mit jemandem sprechen wollen. Gerade durch die Corona-Pandemie sei die Einsamkeit und der Verlust von Freunden ein sehr aktuelles Problem, so Beraterin Jennifer.
Auch Fragen zu Sexualität, Liebeskummer oder zu Schulproblemen hört sie sich geduldig an. Natürlich sind Mobbing, Gewalt in der Familie und sogar sexuelle Übergriffe oder Selbstmordgedanken auch Themen am Sorgentelefon. Besonders wenn Kinder von Übergriffen der Eltern erzählen, ist das für die 21 Jahre alte Beraterin immer sehr schwer. "Denn eigentlich sollten gerade die Eltern für ihre Kinder da sein. Hier soll man sich doch zu Hause fühlen. Aber so perfekt funktioniert unsere Welt leider nicht." Egal wie klein oder groß die Sorgen sind, jeder der das Gefühl hat, dass er Hilfe benötigt, sollte zum Telefon greifen und die Nummer gegen Kummer wählen.
Anonymität ist unverzichtbar
Wenn jemand anruft, dann wird keine Nummer angezeigt. Niemand muss sagen, wie er heißt, wie alt er ist und auch das Geschlecht spielt keine Rolle. Niemand erfährt woher der Anruf kommt. Ohne diese Sicherheiten würde die Idee der "Nummer gegen Kummer" nicht funktionieren. Gerade weil es so schwer fällt, über private Dinge zu sprechen, die belasten, ist es so wichtig, den Anrufenden eine Situation zu bieten, in der Anonymität herrscht und wo man sich ohne Bedenken aussprechen kann. "Manche Fragen stellt man nicht einfach so, nur dann wenn man weiß, es gibt einen geschützten Raum. Und diesen geschützten Raum brauchen auch die Berater", erklärt Doreen Hohm. Sie ist seit 2016 Ausbilderin beim Kinderschutzbund in Greifswald. Sie selbst sitzt auch immer wieder am Sorgentelefon, damit sie die Praxis nicht aus den Augen verliert.
Nur in ganz extremen Situationen und nur nach Rücksprache mit den Koordinatoren und der anrufenden Person darf die Anonymität aufgehoben werden. So ein Fall wäre zum Beispiel die Selbstgefährdung eines Menschen oder ein bevorstehender Anschlag. "Die Hürden dafür liegen aber ganz hoch und ich selbst habe einen solchen Fall noch nie erlebt", so Hohm. Vielmehr geht es darum, die Person anzuleiten, dass sie sich selbst weitere Hilfe holt oder dass man sie davon überzeugt, die Polizei oder den Rettungsdienst anzurufen. Der Schutz der Anonymität muss - so lange wie es geht - immer an erster Stelle stehen.
Auch Eltern brauchen Hilfe und Beratung
"Ich denke, dass es viele Menschen gibt, die in schwierigen Situationen leben und es immer noch so sehen, dass es ein Fehler ist, sich Hilfe vor Ort zu suchen. Und da bietet das Elterntelefon die Möglichkeit, sich anonym zu melden", erklärt Beraterin Katharina. Sie ist seit einem Jahr dabei. Das Elterntelefon der "Nummer gegen Kummer" bietet für alle, die sich um die Erziehung von Kindern und Jugendlichen kümmern, ein wichtiges Gesprächs-, Beratungs- und Informationsangebot. Die Probleme der Eltern mit den Kindern sind dabei abhängig vom Alter des Nachwuchses, wie Katharina deutlich macht: "Da geht es manchmal um ganz banale Dinge, wie das Wechseln der Windeln, dass Kinder nicht schlafen wollen, dass man einfach überlastet ist. Aber auch um größere Probleme, wie Alkohol- und Drogenkonsum der minderjährigen Kinder."
Genau wie beim KJT können in den persönlichen Gesprächen kleinere Rückfragen oder Probleme sofort geklärt werden. Darüber hinaus bieten die Beraterinnen und Berater Informationen über weiterführende Hilfsangebote an. "Und wenn die Gespräche gut laufen, dann bedanken sich die Leute zu 99 Prozent bei uns", so Katharina. Und natürlich seien auch solche Gespräche dabei, die stark belasten und noch lange nachwirken. Man müsse aber lernen, diese Probleme nicht mit nach Hause zu nehmen, sondern sie im Beratungsbüro zu lassen. Das falle gerade am Anfang sehr schwer, aber mit den Jahren lerne man, immer besser damit umzugehen.
Ausbildung als Berater ab 21 Jahre möglich
Um sowohl am Kinder- und Jugendtelefon als auch am Elterntelefon zu sitzen, sind keine speziellen Voraussetzungen notwendig. "Ich denke, dass das jeder Mensch kann, der Interesse an anderen Menschen hat und am Zuhören. Am richtigen Zuhören. Und Empathie, das ist unglaublich wichtig", meint Katharina. Niemand müsse Psychologie studiert haben oder vorher eine therapeutische oder pädagogische Ausbildung absolviert haben.
Bevor es aber mit den Beratungen losgeht, muss man eine Ausbildung durchlaufen. Diese dauert ungefähr 80 Stunden und findet hauptsächlich an einem Abend in der Woche und manchmal auch am Wochenende statt. Dadurch ist die Qualifikation zur Beraterin beziehungsweise zum Berater auch problemlos für berufstätige Menschen möglich. Leider ist bei der letzten Ausbildungsrunde in Greifswald keine Beratergruppe zusammengekommen. Hier wünschen sich sowohl Katharina als auch Ausbilderin Hohm, dass sich mehr Menschen melden, um beim Sorgentelefon mitzuarbeiten.
Beratungen am Sorgentelefon sind kostenlos
Wer Hilfe benötigt oder sich einfach nur mal aussprechen möchte, der erreicht das Kinder- und Jugendtelefon von Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr unter der kostenlosen Rufnummer 0800/111 0 333. Eltern wählen die Nummer 0800/111 0 550. Hier ist eine telefonische Beratung montags bis freitags von 9 bis 17 Uhr sowie dienstags und donnerstags bis 19 Uhr möglich.
Schlagwörter zu diesem Artikel
Psychische Erkrankungen
