Sabine Mammitzsch © IMAGO / Revierfoto

Mammitzsch: Viele merken jetzt - die Frauen können Fußball spielen

Stand: 30.07.2022 06:00 Uhr

Sabine Mammitzsch ist während der kompletten Fußball-EM hautnah dabei - als DFB-Vizepräsidentin für Mädchen-und Frauenfußball. Die Kielerin erzählt im Interview: "Im deutschen Team herrscht einfach eine super Stimmung." Dank der Erfolge passiert hoffentlich in Zukunft einiges beim Thema Frauenfußball, hofft die Vizepräsidentin Spielbetrieb im Schleswig-Holsteinischen Fußballverband (SHFV).

Frau Mammitzsch, Sie sind bei der EM im Team wirklich mittendrin. Wie ist denn jetzt die Stimmung im Team bei den Spielerinnen und Trainerinnen?

Schon nach dem Viertelfinalgewinn merkte man: Die Erleichterung ist richtig von den Schultern gerutscht. Das ist tatsächlich auch wichtig gewesen, einfach den Step zu machen, ins Halbfinale zu kommen. Und seitdem lacht die Trainerin auch mehr. Da war vorher schon die Anspannung nicht wieder im Viertelfinale auszuscheiden. Und seitdem ist hier wirklich auch Späßchen am Werk. Und auch das Team hinter dem Team ist gut gelaunt - wir sitzen hier zusammen beim Essen und quatschen. Das ist wirklich eine ganz, ganz schöne Atmosphäre.

Was macht denn das Team eigentlich aus in diesem Jahr? Viele sagen ja, es ist der Teamgeist und die Fröhlichkeit, die jetzt auch da sind?

Ich glaube, das ist alles von allem. In der Dokumentation "Born for this", da gab es ja so einen Break und die Spielerinnen haben dann mal ihr Herz ausgeschüttet - auch mit der Psychologin und ich glaube auch Birgit Prinz [Rekordnationalspielerin und aktuell Sportpsychologin bei der TSG 1899 Hoffenheim] hat da einen großen Anteil gehabt. Und die haben dann festgestellt, wie sie besser zusammenwachsen können. Und dann gibt es jetzt die Rückmeldung von allen Freunden drumrum, die sagen: 'geile Doku' und 'super gemacht' und 'ich gucke jetzt das nächste Spiel' und 'ich bin dein Fan'. Also, das macht was mit dir und das macht viel aus. Und auch die Trainerin war ja sehr ehrlich und auch die anderen haben über sich was preisgegeben. Alle haben sozusagen auch Emotionen gezeigt. Und ich glaube, das macht es auch so aus. Als ich nach dem Halbfinalspiel noch auf dem Feld war, da war das eben auch so, dass einige noch Tränen in den Augen hatten, also vor Rührung und vor Glück, und da merkt man eben auch, wie die Emotionen auch frei werden.

Hannah Böhme und Christine Pilger schauen in die Kamera. © Janis Röhlig/NDR Foto: Janis Röhlig
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Die Einschaltquoten lagen Mittwoch bei über 12 Millionen. Wie ist Ihr Gefühl: Hält die Aufmerksamkeit an?

Ja, ich hoffe natürlich. Wir haben jetzt noch ein Länderspiel in Dresden, Anfang Oktober, und da wünschen wir uns natürlich die gleiche Medienpräsenz. Eine vernünftige Sendezeit, das spielt hier jetzt eine große Rolle, weil wir jetzt um 21 Uhr deutscher Zeit spielen. Das ist ja der Wahnsinn, da können alle gucken, da sind alle zu Hause und haben gegessen, und das sind natürlich Anstoßzeiten, die wir uns wünschen. Da muss uns auch geholfen werden und ich glaube schon, dass viele jetzt auch merken, auch durch die Dokumentation: Die Frauen sind es auch wert, geschätzt zu werden. Und die können Fußball spielen! Die sind mit Herz dabei. Und ich bin sicher, dass viele Menschen auch sagen, so, jetzt gehe ich einfach mal in ein Länderspiel oder guck mir mal zuhause an, wenn Holstein Kiel Women spielt. Das wird übrigens an einem Montagabend im Holstein-Stadion gezeigt, das Pokalspiel erste Runde. Da fangen wir schon an. Wir gehen tatsächlich in ein großes Stadion. Das sind so Kleinigkeiten, die ich schon realisiere, beziehungsweise auch merke, dass da so ein bisschen eine Aufbruchstimmung ist. Und da brauchen wir natürlich auch alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die jetzt vor dem Fernseher gebannt zu gucken, dass die auch mal sagen: Ich gehe jetzt auch mal zum Frauenspiel.

Haben Sie die Hoffnung, dass nun vielleicht auch noch mehr Mädchen und junge Frauen sagen: Ich habe Lust drauf, Fußball zu spielen. Kann das Turnier eine solche Signalwirkung haben?

Davon gehe ich aus. Dafür brauchen wir aber auch wieder die Vereine, die sagen: Natürlich räumen wir ein, dass wir gleiche Bedingungen wie die Männermannschaft zur Verfügung stellen - also zum Beispiel einen vernünftigen Trainingsplatz. Wir haben ja auch viele Vereine in Schleswig-Holstein - neben Holstein Kiel, den VfB Lübeck und Weiche Flensburg, die natürlich auch gute Strukturen haben. Und da würde ich mir genauso wünschen, dass die auch sagen: So wir bauen hier jetzt parallel mal den Frauen- oder den Mädchenfußball auf und geben das, was wir hier an Trainingsmöglichkeiten haben gleich weiter, sodass die auch unter vernünftigen Bedingungen trainieren können und auch eine vernünftige medizinische Betreuung haben. Das ist ja alles bei der Nationalmannschaft gegeben. Der DFB hat die gleichen Voraussetzungen geschaffen: Wir haben die gleiche Anzahl an Betreuern, Medienbetreuung, Ärzten, Physiotherapeuten wie bei der Männer-Nationalmannschaft. Also, da ist der DFB super aufgestellt und sorgt natürlich für solche Rahmenbedingungen. Wir brauchen es, dass auch große Vereine jetzt sagen, da unterstützen wir jetzt einfach mal, weil das für uns auch ein Zugewinn ist. Denn ich bin ganz sicher, wer auch Frauen unterstützt, wird auch das als Zugewinn bekommen. Wolfsburg ist so ein schönes Beispiel: Da sind die Frauen auch so sympathisch und die haben das ja auch geschafft zur Champions League, dass da auch 20.000 hin marschieren. Das ist schon toll.

Gucken wir noch mal auf Sonntag: Mehr Traumfinale geht ja eigentlich gar nicht, oder?

Nein, das ist natürlich genau das klassische Finale! Das haben alle immer schon gesagt: England gegen Deutschland, das wäre natürlich geil. Also, ich freue mich total und bin auch stolz auf die Leistungen des Teams. Wir haben das erreicht, was wir wollten, dass wir mehr Sichtbarkeit haben. Das haben wir. Wir bekommen eine Wertschätzung von so vielen. Ich bekomme auch Nachrichten von vielen, die sich freuen, das zu sehen und was das für eine Dynamik hat und was für ein tolles Spiel es ist.

Geben Sie denn einen Tipp ab?

Also, es kommt an dem Tag immer wieder darauf an, ob ich ein gutes Gefühl habe. Das hatte ich beim Halbfinale auch - da hab ich gesagt: Wir gewinnen. Also ich glaube, dass es knapp wird, eins zu null oder zwei zu eins für uns, weil wir auch die Zuschauerinnen nicht auf unserer Seite haben. Von 90.000 sind wahrscheinlich 80.000 Engländer und Engländerinnen und die anderen sind unentschieden. Aber ich glaube, wir werden ein wunderschönes Fußballfest haben. Und so soll das sein. Und dann hoffe ich natürlich, dass wir die Glücklicheren sind.

Das Interview führte Christine Pilger, NDR Schleswig-Holstein

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Moin! Der Tag in Schleswig-Holstein | 29.07.2022 | 15:15 Uhr

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