Stand: 17.08.2020 08:49 Uhr

Raststätten: Autofahrer ärgern sich über hohe Preise

von Sebastian Dubielzig

Die Autobahnen in Deutschland sind mehr als 13.000 Kilometer lang, ein allgemeines Tempolimit gibt es nicht. Aber spätestens, wenn der Tank leer ist oder der Magen knurrt, hat die große Freiheit ein Ende. Direkt an der Autobahn zahlen Verbraucher meist deutlich mehr als an Tankstellen oder in Supermärkten innerorts. Warum ist das so? Und wie steht es mit der Hygiene von kostenlosen und kostenpflichtigen Autobahn-Toiletten?

16 Cent mehr pro Liter Benzin an der Autobahn

Dass Benzin und Diesel an der Autobahn teurer sind als an einer Tankstelle im Ort, ist nicht neu, aber der Preisunterschied nimmt seit Jahren rapide zu. 2015 lag der Aufschlag für Sprit direkt an der Autobahn noch bei 6,5 Cent pro Liter. 2018 waren es schon mehr als 16 Cent mehr pro Liter Kraftstoff.

In einer Stichprobe hat Markt drei Tankstellen in der Nähe der A7 verglichen:

  • Direkt an der Autobahn bei der Raststätte "Allertal West" (A7 zwischen Hamburg und Hannover) kostet 1 Liter Super 1,689 Euro, Diesel 1,519 Euro. Eine Ausfahrt weiter zahlt man auf einem Autohof 16 Cent weniger pro Liter Super und sogar 18 Cent weniger pro Liter Diesel. Erstaunlich: Beide Tankstellen werden von Aral betrieben.

  • Noch günstiger wird es wenige Hundert Meter weiter an einer Tankstelle im Ort. Hier sparen Autofahrer im Vergleich zur Tankstelle an der Autobahn 27 Cent pro Liter beim Super und 36 Cent pro Liter beim Diesel.

Kritik an hohen Preisen für Benzin und Diesel

Die Preisaufschläge an der Autobahn sind laut Gregor Kolbe von der Bundeszentrale Verbraucherverband nicht mehr mit Argumenten zu erklären wie "man habe rund um die Uhr geöffnet". Aral musste die Vermarktungsrechte an der Autobahn nach eigenen Angaben zum Teil für hohe Summen ersteigern: Um die Standorte an der Autobahn wirtschaftlich betreiben zu können, sei eine Anpassung der Preise notwendig.

Geld sparen beim Tanken

  • Vorher informieren: Wer eine Reise auf der Autobahn plant, sollte sich vorher über günstigere Alternativen auf der Strecke informieren, wie Tankstellen in nahegelegenen Ortschaften.

  • Spritspar-Apps nutzen: Sie beziehen ihre Informationen von der Markttransparenzstelle des Bundeskartellamts und ermöglichen es, Spritpreise bundesweit zu vergleichen und günstige Alternativen in der Nähe zu finden.

  • Auf Autohöfe ausweichen: Sie liegen höchstens einen Kilometer von einer Anschlussstelle entfernt, sind ebenfalls 24 Stunden pro Tag geöffnet und liegen meist deutlich unter dem Preisniveau von Tankstellen und Raststätten direkt an der Autobahn.

  • Zur richtigen Uhrzeit tanken: Laut ADAC zahlen Verbraucher zwischen 14 und 17 Uhr und zwischen 18 und 21 Uhr bis zu drei Cent pro Liter weniger für Kraftstoff. In den Morgenstunden zwischen 6 und 9 Uhr sollte man es vermeiden zu tanken: Ein Liter Diesel kostet dann bis zu fünf Cent, ein Liter Benzin sogar bis zu 6 Cent mehr als im Tagesdurchschnitt.

  • Bonussysteme ausschöpfen: Mitglieder beim ADAC sparen bei Shell, Agip und Star einen Cent/l gegen Vorlage der ADAC-Clubkarte. Besitzer von Payback-Karten können bei Aral Punkte sammeln, mit der Deutschlandcard sammelt man Punkte bei Esso - im Gegenzug wird allerdings das Kaufverhalten der Kunden ausgewertet.

Mangelnde Hygiene bei kostenlosen WC-Anlagen

Wer an der Autobahn auf die Toilette muss, hat die Wahl:

  • kostenlose Toilettenhäuschen auf sogenannten unbewirtschafteten Parkplätzen
  • kostenpflichtige Toiletten des Anbieters Sanifair: Der Gang auf das WC kostet in der Regel 70 Cent. Die WCs reinigen sich nach jeder Nutzung selbst, außerdem überwacht Personal die Hygiene der sanitären Anlagen.

In einer Stichprobe hat Markt die Hygiene der Anlagen überprüft und insgesamt 40 Proben von Klobrillen, Türgriffen und Wasserknöpfen an zwei Sanifair-Standorten und drei unbewirtschafteten Parkplätzen mit WC im Institut für Hygiene des Universitätsklinikum Hamburg Eppendorf untersuchen lassen.

Das Ergebnis der Laboruntersuchung:

  • Alle Proben von Sanifair waren unauffällig.

  • Die Ergebnisse der unbewirtschafteten Anlagen dagegen alarmierend: Bei allen Proben der Klobrillen wurden Darmbakterien gefunden.

Laut Professor Dr. Johannes Knobloch vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sollten vor allem immungeschwächte Menschen vorsichtig sein: Seiner Ansicht nach sollten die Bakterien nicht von der Haut im Oberschenkelbereich in die Atemwege gelangen. Dafür sei Händehygiene besonders wichtig. Zudem könnten sich Frauen auf einer mit Darmbakterien verschmutzten Toilette leicht eine Harnwegsinfektion einfangen.

Sanifair-Toiletten: Das Geschäft mit den Wertbons

Für die Nutzung der Bezahltoiletten von Sanifair zahlen Autofahrer 70 Cent. Dafür erhalten sie einen 50-Cent-Wertbon, den man in einem Shop einlösen kann. In der Stichprobe fällt auf, dass man mit den Wertbons oft nicht viel und manchmal auch gar nichts kaufen kann. Die Ausbeute:

  • An einem Standort gibt es für zwei Bons drei Kaugummis.

  • Im Shop der Raststätte Helmstedt an der A2 gibt es keinen einzigen Artikel für 50 Cent. Und eine 0,75-Liter-Flasche Gerolsteiner Mineralwasser für 3,19 Euro ist nach Abzug des 50-Cent-Wertbons viel teurer als im nächsten Supermarkt (69 Cent bei Rewe).

Tipp: Wer häufiger auf der Autobahn unterwegs ist und dort Sanifair-Bons bekommt, sollte sie im Auto sammeln. Es ist nämlich möglich, mehrere Bons auf ein Mal einzulösen. Allerdings verlieren sie nach drei Jahren ihre Gültigkeit.

Mangelnder Wettbewerb ist Grund für hohe Preise

Grund für die hohen Preisaufschläge an der Autobahn ist nach Ansicht vieler Experten vor allem der mangelnde Wettbewerb: Fast alle Tankstellen und Raststätten direkt an der Autobahn gehören dem Unternehmen Tank und Rast mit Sitz in Bonn. Das Unternehmen verfügt damit quasi über ein Monopol mit mehr als 400 Standorten in Deutschland. Das System funktioniert so:

  • Tank und Rast betreibt den Großteil der Raststätten nicht selbst. Sie werden meist von sogenannten Franchisepartnern geführt, die wiederum Abgaben an Tank und Rast entrichten.

  • Die Rechte, Kraftstoff an den Standorten von Tank und Rast vertreiben zu dürfen, werden zum Teil höchstbietend an Mineralölkonzerne versteigert.

Es sei kein Geheimnis, dass Monopole dazu neigen, Preise in die Höhe schießen zu lassen, sagt der Sozialwissenschaftler Professor Tim Engartner.

Ausländische Investoren verdienen, Bund macht Verluste

Früher war Tank und Rast ein staatliches Unternehmen. 1998 wurde es für 1,25 Milliarden D-Mark privatisiert. Seitdem wurden die sogenannten Nebenbetriebe der deutschen Autobahnen zum Spielball wechselnder Investoren. Zuletzt wurde das Unternehmen für mehr als das Fünffache an die neuen Besitzer verkauft - ein Investorenkonsortium aus

  • zwei Versicherungen
  • einem Rentenfonds aus Kanada
  • einem chinesischem Staatsfonds
  • dem Staatsfonds von Abu Dhabi.

Sozialwissenschaftler Engartner kritisiert, dass der Staatsfonds von Abu Dhabi auf dem Rücken der Autofahrer in Deutschland Gewinne erzielt und nicht die Bundesrepublik Deutschland an den Raststätten verdient.

Zudem macht der Bund am Rande der Autobahnen jährlich einen Verlust in hoher zweistelliger Millionenhöhe. Zwar erhält er jährlich eine Konzessionsabgabe von den Raststättenbetreibern, also auch von Tank und Rast, doch die deckt bei weitem nicht die Ausgaben für den Bau und die Erhaltung der Rastplätze und Parkplätze.

Dieses Thema im Programm:

Markt | 17.08.2020 | 20:15 Uhr

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