Stand: 22.11.2019 12:12 Uhr
Bestattung: Von der Pyramide zum Waldgrab
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Grabmale sind auch Spiegel der Zeit.
Die Geschichte der Bestattung ist auch die Geschichte von Wohlstand und Ständen. Das bekannteste Beispiel für prunkvolle Grabstätten sind die ägyptischen Pyramiden, erbaut in den Jahrhunderten um 2400 vor Christus. Bis heute spiegelt sich in Form und Größe der Grabstätte häufig der gesellschaftliche Rang des Verstorbenen wider. Entsprechend unterscheiden sich auch die Zeremonien einer Beisetzung.
Erde oder Feuer
Fakten zur Bestattung
- Sterbefälle in Deutschland pro Jahr: rund 930.000
- Feuerbestattungen: 68 Prozent
- Erdbestattungen: 32 Prozent
- Zahl der Bestattungsunternehmen: 4.300
- Zahl der Beschäftigten insgesamt: 27.000
- Anteil Friedhöfe an Gesamtfläche Deutschlands: 0,1 Prozent
Weltweit lassen sich zwei wesentliche Bestattungsarten unterscheiden: die Erdbestattung kompletter Leichname und die Verbrennung, auch Feuerbestattung oder Kremation (lat. cremare = verbrennen) genannt. Dabei hängt der Umgang mit Toten eng mit der Religion zusammen. So ist es Moslems und orthodoxen Juden verboten, sich verbrennen zu lassen. Bei Hindus und Buddhisten, also überwiegend im asiatischen Raum, wird es als selbstverständlich angesehen. In der christlichen Welt war die Erdbestattung jahrhundertelang alternativlos, da sie als Voraussetzung für eine Auferstehung galt.
Ein Rundgang durch 150 Jahre Bestattungskultur
Heller Sandstein und roter Backstein: Das Eingangsgebäude des Stadtfriedhofs Engesohde in Hannover im Rundbogenstil wirkt trotz seiner Größe leicht und luftig, fast orientalisch.
Die Pläne für das Gebäude mit einem Arkadengang stammen von Stadtbaumeister Ludwig Droste (1814-1875). Er gestaltete den Friedhof in den Jahren 1861 bis 1864.
Auf der Friedhofsseite des Eingangsgebäudes befinden sich in einem weiteren Gang erste aufwendig gestaltete Grabmale. Der Friedhof bietet eine Zeitreise durch 150 Jahre Grabmalkunst.
Oft lohnt ein genauer Blick auf die filigranen Meisterwerke der Steinmetzkunst, um Details wie diesen Schädel zu entdecken.
Im Freigelände empfängt ein metallener Bödeker-Engel mit Spendentruhe die Besucher. Pastor Hermann Wilhelm Bödeker (1799-1875) hatte 15 solcher Figuren in Hannover aufstellen lassen, um im 19. Jahrhundert Spenden für soziale Projekte einzuwerben.
Viele hannoversche Persönlichkeiten haben hier ihre letzte Ruhestätte gefunden. Rechts das Grab des Architekten und Stadtplaners Ferdinand Wallbrecht (1840-1905).
Georg Ludwig Friedrich Laves blickt seit 1864 vom Stein seines Grabes. Auch er gestaltete die Stadt mit, legte den Waterlooplatz an und zeichnete als Architekt unter anderem für das Opernhaus in der City verantwortlich.
Das Grabmal des Friedhofsplaners Ludwig Droste lässt nicht nur seine Tätigkeit als Baumeister erkennen. Es weist ihn auch als Vertreter des "Hannoverschen Rundbogenstils" aus.
Viele Gräber, auch von weniger prominenten Bürgern wie dem "grossen Sängerführer" Wilhelm Rodewald (1866-1926), gleichen Kunstwerken.
Ein Besuch des Friedhofs eröffnet immer neue Perspektiven in eine Parklandschaft, die viel Ruhe ausstrahlt.
Lebensgroße Frauenfiguren in demütigen Posen schmücken zahlreiche Gräber.
Üppiges Grün umrahmt die Grabmale, ...
... die manchmal so viel Patina angesetzt haben, dass Figuren aus Metall und Stein mit der Natur zu verschmelzen scheinen.
Diese sitzende, in wallende Gewänder gehüllte Muse trauert am Grab von Karl Ludwig Fischer (1816-1877), einem Mitarbeiter von Generalmusikdirektor Heinrich Marschner.
Der Friedhof Engesohde dient noch immer als Begräbnisstätte. Mit wenigen Metern Abstand trauern hier zwei Familien aus unterschiedlichen Jahrzehnten um ihre Kinder. Dem bunt geschmückten Grab eines kleinen Mädchens ...
... steht die Grabstätte eines 22 Jahre alten Soldaten gegenüber, der 1940 "für Führer u. Vaterland starb". So unterschiedlich die Gräber gestaltet sind, so ähnlich dürfte der Schmerz der Eltern über den Verlust ihrer Kinder gewesen sein.
Üppig Gesamtkunstwerke wie diese Frauengruppe am Grab des Baurats Heinrich Köhler (1830-1903) ...
... oder die tempelartige Grabanlage von Druckereibesitzer Hermann Schlüter (1864-1900) ...
... stehen auf dem Friedhof bescheidene neue Urnengräber weniger bekannter Stadtbewohner gegenüber.
Dass sich die Lebensleistung eines Menschen nicht in der Größe des Grabmals spiegeln muss, zeigt das Grab von Orli Wald (1914-1962). Wegen ihres Einsatzes für Häftlinge wurde sie, die selbst interniert war, "Engel von Auschwitz" genannt.
Einige Gräber gehen offen mit der politischen Gesinnung des Verstorbenen um. So prangt auf dem Grabstein des Kabarettisten und bekennenden Kommunisten Dietrich Kittner (1935-2013) ein roter Sowjetstern.
Eine stilisierte Herbstzeitlose schmückt das Grab des Künstlers Kurt Schwitters (1887-1948). Er hatte die Skultur der kleinen Pflanze um 1925 selbst geschaffen.
Auch der führende Vertreter des Dadaismus gibt über den Tod hinaus ein Stück seiner Geisteshaltung preis: "Man kann ja nie wissen -"
Kein Grabmal, sondern eine Brunnenfigur: Der goldene Engel blickt in eine Allee, deren Bäume als Kunstaktion zum diejährigen 150. Jubiläum des Friedhofs bunt "bestrickt" wurden.
Friedhöfe an den Kirchen
Christen bestatteten die Toten in die Nähe der Reliquien, legten Friedhöfe um die Kirchen an. Die besten und teuersten Plätze befanden sich möglichst dicht am Altarraum, privilegierte Gruften sogar im Gotteshaus. Mittellose endeten in schmucklosen Gemeinschaftsgräbern. Schon im Mittelalter wurden diese Friedhöfe zu klein und führten zu hygienischen Problemen. Mit der Reformation im frühen 16. Jahrhundert wurden die Friedhöfe an die Ränder der Städte oder nach außerhalb verlegt.
Das erste Krematorium
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Auch der Hamburger St. Marien-Dom bietet seit 2012 ein Kolombarium.
Die Aufklärung löste den Umgang mit Toten zunehmend von den Vorstellungen der Kirchen. Kommunale Friedhöfe und Leichenhallen sowie private Bestatter übernahmen teilweise deren Aufgaben. 1876 öffnete in Mailand das erste Krematorium der Welt, zwei Jahre später das erste deutsche im thüringischen Gotha. Inzwischen hat die Zahl der Verbrennungen mit fast 70 Prozent die der Erdbestattungen in Deutschland überholt. Die katholische Kirche erlaubt Feuerbestattungen erst seit den 1960er-Jahren. Heute liegt deren Zahl in katholischen Gegenden kaum noch niedriger als in protestantischen Regionen. In einer ehemaligen Kirche in Hannover öffnete 2010 das erste katholische Kolumbarium in Norddeutschland. Dort werden seitdem Urnen in einzelnen kleinen Kammern aufbewahrt.
Neue Bestattungsformen in der Natur
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Bei einer Waldbestattung wird die Urne an einem Baum beigesetzt.
Der Trend zur Feuerbestattung hängt auch mit modernen Formen der Beisetzung zusammen. So sind etwa Wald- oder Baumbestattungen nur im Zusammenhang mit einer Einäschung möglich. Auch bei Seebestattungen wird eine Urne im Meer versenkt. Allerdings machen diese sogenannten Naturbestattungen insgesamt nur einen geringen Teil der Begräbnisse aus. Wichtiger sei, dass bei einer Feuerbestattung geringere Kosten entstehen, insbesondere für Grabmale und -pflege, so der Bundesverband Deutscher Bestatter. Inzwischen bieten auch viele kommunale Friedhöfe Bestattungen unter Bäumen oder auf Wiesen an. Während es in Deutschland nicht gestattet ist, Urnen zu Hause aufzubewahren, gelten in Nachbarländern wie der Schweiz weitaus liberalere Regelungen.
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NDR 1 Radio MV |
14.10.2019 | 18:00 Uhr