Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) sind vor Sonnenaufgang zu sehen. © dpa Foto: Jens Büttner

Unsichere Gaslieferungen: Wie sich SH auf einen Mangel vorbereitet

Stand: 21.07.2022 17:08 Uhr

Die Gasversorgung ist momentan stabil, auch Russland liefert wieder Gas über Nord Stream 1. Doch noch ist nicht klar, ob das auch so bleibt. Politik, Institutionen und Wirtschaft in SH spielen verschiedene Szenarien durch.

Es fließt wieder Gas durch die Pipeline Nord Stream 1. Nach zehntägiger Wartung hat Russland seine Lieferungen doch nicht eingestellt. Das hatten zuvor viele Menschen aus Politik und Wirtschaft befürchtet. Trotzdem ist in vielen Punkten unklar, wie stabil die Gasversorgung bleibt und was im Winter auf uns zukommen wird.

Deshalb laufen in Schleswig-Holstein bereits seit Wochen Gespräche innerhalb der Landesregierung, aber auch mit Verbänden und Kammern. "Wir bereiten uns sehr gewissenhaft auf den Ernstfall vor", sagte Staatssekretär Joschka Knuth (Grüne), der für Energiewende zuständig ist. Dafür stehe man auch in engem Austausch mit der Bundesregierung.

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Rohrsysteme und Absperrvorrichtungen in der Gasempfangsstation der Ostseepipeline Nord Stream 1 und der Übernahmestation der Ferngasleitung OPAL. © picture alliance / dpa Foto: Stefan Sauer

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Finanzministerium arbeitet an Energiesparplan

Bund und Länder beraten ganz grundsätzlich darüber, wie mehr Gas eingespart werden kann, welche Ersatzlösungen es gibt und wie man überhaupt schneller unabhängig vom Gas werden kann. Parallel dazu macht man sich auch im Finanzministerium in Kiel Gedanken. Derzeit werde - so heißt es auf Anfrage schriftlich - ein umfassendes Konzept zum Energiesparen in den Landesliegenschaften erarbeitet.

IHK SH: "Unternehmen brauchen Klarheit"

Bei den Industrie- und Handelskammer (IHK) in Schleswig-Holstein trübt sich die Stimmung derweil weiter. Demnach hätte es noch einmal eine Verschlechterung im Vergleich zum ersten Quartal 2022 gegeben. Die IHK-Konjunkturprognose ist zuletzt noch einmal leicht gesunken auf jetzt 84,7. Der langjährige Durchschnitt lag bei über 110 Punkten.

"Der Blick in die Zukunft bleibt sorgenvoll. Energie und Rohstoffe sind bereits knapp", schreibt Hagen Goldbeck, Präsident der IHK Schleswig-Holstein, in einer Mitteilung. Die Unternehmen würden fürchten, dass sich die Lage weiter verschlechtert. "Umso wichtiger ist es, jetzt schnell und verlässlich Klarheit zu schaffen, wer wann mit Einschränkungen seiner Energieversorgung und damit seiner Produktion zu rechnen hat."

SH Netz AG will LNG-Terminal schnell ans Netz bringen

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Für die Schleswig-Holstein Netz AG lautet die wichtigste Botschaft: "Das Gas fließt wie gewohnt." Seriöse Prognosen, wie sich die Lage für die Kunden entwickeln könnte, könne das Unternehmen nach eigenen Angaben derzeit nicht abgeben. Trotzdem bereite sich der Netzbetreiber auch auf eine mögliche Gasmangellage vor.

So arbeite man zum einen daran, das schwimmende LNG-Terminal in Brunsbüttel zum Jahresende an die eigene Hochdruckleitung anzuschließen, zum anderen steht man in Austausch mit Kunden aus Gewerbe und Industrie, die zu den sogenannten nicht geschützten Kunden gehören. "Wir stehen in engem Kontakt mit den Fachhandwerksbetrieben, nachgelagerten Netzbetreibern sowie den zuständigen Ministerien in Kiel, um mögliche Gasmangelszenarien und die daraus resultierenden Maßnahmen abzuleiten", schreibt Pressesprecher Fabian Dahlem.

Uni Lübeck: Online-Lehre verschiebt das Problem

Die Universitäten in Schleswig-Holstein rechnen mit deutlich steigenden Energiekosten. Rund sechs Millionen Euro Mehrkosten könnten die aktuellen Steigerungen allein für die Uni Lübeck bedeuten. Deshalb wird dort überlegt, wie Strom- und Heizkosten eingespart werden können.

Eine Möglichkeit wäre, wieder mehr Online-Lehre anzubieten, wie schon während des Corona-Lockdowns, sagt Sandra Magens, Kanzlerin der Uni Lübeck und Mitglied der Landesrektorenkonferenz SH. Allerdings würde damit laut Magens das Problem eigentlich nur verschoben. Denn: Die Online-Lehre erhöhe wiederum den Stromverbrauch. Um die Raumtemperatur in den Unigebäuden abzusenken, müssten die rechtlichen Rahmenbedingungen verändert werden. "Dann kann man natürlich sehr gut darüber nachdenken, dass man die Dauer der beheizten Gebäude einfach verändert", sagt Magens. Einschnitte beim Strom wären aber gravierender für die stromintensive Forschungsinfrastruktur.

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Währenddessen hat Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) in Berlin neue Vorschläge für den Winter gemacht. So soll etwa zum 1. Oktober die Braunkohlereserve aktiviert werden. Das heißt, dass die bestehenden Kraftwerke an den Strommarkt zurückkehren und Erdgaskraftwerke ersetzen sollen.

Habeck plant auch neue, befristete Regeln um den Gasverbrauch in Betrieben, Bürogebäuden und privaten Haushalten zu senken. In öffentlichen Einrichtungen und Bürogebäuden sollen insbesondere Flure, große Hallen, Foyers und Technikräume, wo Menschen lediglich hindurchgehen, nicht mehr beheizt werden müssen. In Wohngebäuden sollen außerdem etwa Verpflichtungen in Mietverträgen für eine Mindesttemperatur in der Wohnung vorübergehend ausgesetzt werden.

Knuth: Sofortige Einschränkungen nicht zu befürchten

Doch auch, wenn derzeit über viele Szenarien diskutiert werden: "Klar ist aber auch: Sofortige Einschränkungen bei der Gasversorgung sind zunächst nicht zu befürchten", betonte Staatssekretär Knuth.

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Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Nachrichten für Schleswig-Holstein | 21.07.2022 | 07:00 Uhr

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