Der Pflanzenfreund, der seltene Arten vorm Aussterben rettet
In unserer Reihe "Nicht meckern, machen" stellt NDR Info Menschen oder Initiativen im Norden vor, die sich auf besondere Weise engagieren. Die Vorschläge dazu kamen im Oktober von Ihnen, unseren Hörern. Hartmut Pietsch aus dem nordfriesischen Leck bemüht sich seit mehr als 50 Jahren darum, eine fast ursprüngliche Heidelandschaft mit seltenen Pflanzen zu erhalten.
206 Hektar Naturschutzfläche sind im trüben, feuchten norddeutschen Herbst zunächst einmal vor allem eines: matschig-braun. Zwischen verblühtem Heidekraut, hüfthohem Pfeifengras und üppigen Moosflächen findet Hartmut Pietsch trotzdem sofort seine Schützlinge - auch wenn jeder nur ein von Rehen abgeknabbertes, halmdickes Etwas ist. "Das ist die Orchideenart Sumpfwurz, die hat eine wunderschöne Blüte, wenn das dann im Spätsommer so weit ist", sagt Pietsch. Er habe einmal alle Exemplare gezählt und sei auf über 1.000 blühende Sumpfwurze gekommen.
Seit 1969 auf Pirsch in der Heidelandschaft des Leckfelds
Der ehemalige Mathe- und Sportlehrer Pietsch ist 78 Jahre alt und hat seine familiären Wurzeln in Niebüll an der Nordseeküste. In Gummistiefeln, Wetterjacke und mit Terrier-Hündin Frida streift er durch die weite Heidelandschaft, die es so schon seit den 1880er-Jahren gibt.
"Wir sind 1969 nach Leck gekommen. Gleich im ersten Jahr habe ich abends bei Radtouren eine Pflanze gesehen, violett-blühend", erinnert sich Pietsch. "Das war das Violette Fettkraut - eine fleischfressende Pflanze."
Sumpfenzian, Orchideen und Büschelnelken: Viele Pflanzen auf Roter Liste
Bei weiteren Touren habe er den Orchideenbestand entdeckt. Dazu kommen Sumpfenzian, Büschelnelken, Arnika und viele andere seltene Pflanzen, die im November leider nur vor dem inneren Auge blühen. Insgesamt gibt es hier im sogenannten Leckfeld 260 Arten. Davon stehen knapp 60 Pflanzen auf der Roten Liste: Sie gelten also als gefährdet, stark gefährdet oder vom Aussterben bedroht.
Pietsch stand bei seiner Entdeckung in fast unberührter Natur: Die besteht aus Feucht- und Sandheide, einem kalkreichen Niedermoor, kleinen Gewässern. Und ihm war schnell klar, dass jemand sich hier einen Überblick verschaffen müsste, das Gelände kartieren, die Pflanzen zählen. Eine weise Entscheidung damals, gerade mit Blick auf den Flugplatz nebenan.
Protest gegen Flugplatz-Erweiterung erfolgreich
Der sollte Mitte der 1970er-Jahre erweitert werden. "Da sind wir aktiv geworden, haben versucht, Pläne zu bekommen", erinnert sich Pietsch. Alles sei damals zunächst unter Geheimhaltung gelaufen. Dennoch habe man etwas erreicht: "Dass der neue Zaun nicht hier entlang der Fichtenschonung gezogen wurde, sondern ein ganzes Stück Richtung Flugplatzgelände, sodass wichtige Teile erhalten geblieben sind."
Zu dieser Zeit gab es prominente Unterstützer wie Loki Schmidt, die Frau des damaligen Bundeskanzlers. Und erstmals zogen NATO und Bundeswehr ein Projekt zugunsten des Naturschutzes zurück.
Mähen, um Schattenwurf zu verhindern
Heute steckt viel Arbeit in der Fläche. Der Boden darf sich nicht verändern, Pflanzen in der Umgebung dürfen nicht zu hoch wachsen, damit es keinen Schattenwurf gibt. Zu den Aufgaben gehört auch stundenlanges Mähen, das Freiwillige übernehmen.
"Das gehört dann eben auch dazu, dass wir mit Freunden das Mähgut zusammentragen, sodass es nicht ein zusätzlicher Nährstoffeintrag ist. Weil all die Pflanzen auf nährstoffarmen Boden angewiesen sind."
Begeisterung von Eltern übernommen - und an Schüler weitergereicht
Hartmut Pietsch verdankt seine Begeisterung für Biologie und das Leckfeld seinen Eltern. Und er hat versucht, diese Begeisterung an seine Schüler weiterzugeben. "Während meiner aktiven Zeit als Lehrer habe ich Umwelttage gemacht. Wir haben hier Pflegemaßnahmen durchgeführt. Das Schöne ist: Gelegentlich treffe ich hier ehemalige Schüler, die vor 30 Jahren dabei waren und sagen: 'Ja, das war wirklich schön damals.'"
Auch sie kommen also immer noch für Natternzunge, Gelbsegge, Mondraute, Moorlilie und die vielen Orchideen, für deren Erhalt Hartmut Pietsch regelmäßig ins Leckfeld zieht.
