Missbrauchsstudie: Bischof Bode zeigt sich selbstkritisch

Stand: 20.09.2022 17:24 Uhr

Der Osnabrücker Bischof Bode hat betroffen auf erste Ergebnisse einer Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in seinem Bistum reagiert. Ein Zwischenbericht der Uni Osnabrück belastet auch Bode.

Der Bischof hat sich am Dienstagnachmittag in einem kurzen Statement zu dem Zwischenbericht geäußert, den die Forschungsgruppe am Vormittag vorgestellt hatte. "Jetzt beschäftigt es mich sehr, wie blind wir eigentlich gewesen sind und wie blind ich gewesen bin für das Leiden und die Perspektiven der Betroffenen", erklärte Bode. "Ich trage die Verantwortung dafür, auch für das System im Bistum." Was in dem 600 Seiten langen Zwischenbericht steht, hat das Bistum auch am Dienstag erst erfahren. Am Donnerstag will sich der 71-jährige Bischof ausführlich auf einer Pressekonferenz äußern.

VIDEO: Uni Osnabrück arbeitet an Studie zu sexualisierter Gewalt (21.09.2022) (1 Min)

Vorwurf: Nicht entschieden genug gehandelt

Wissenschaftler der Universität Osnabrück werfen Bode und seinen Vorgängern Helmut Hermann Wittler (1957 bis 1987) und Ludwig Averkamp (1987 bis 1994) vor, nach Missbrauchstaten mehrfach nicht entschieden genug gehandelt zu haben. Das Bistum, das Bode seit 1995 leitet, habe dadurch Kinder und Jugendliche in Gefahr gebracht, weiteren sexuellen Übergriffen ausgesetzt zu werden. "Die Bischöfe trifft bei der Entscheidung über den weiteren Einsatz Beschuldigter eine individuelle Verantwortung", sagte der Rechtswissenschaftler Hans Schulte-Nölke bei der Vorstellung des Zwischenberichts.

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Franz-Josef Bode © Screenshot
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Missbrauchsstudie: Osnabrücker Bischof Bode selbstkritisch (20.09.2022)

Nach ersten Ergebnisse der Studie gab es Versäumnisse bei ihm, seinen Amtsvorgängern und weiteren Verantwortlichen der Kirche. 3 Min

Wandel ab 2010: Beschuldigte werden schneller aus Amt genommen

Insgesamt haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für den Zwischenbericht den Fokus auf die Fälle von 15 beschuldigten Priestern und einem Diakon gelegt. Die verantwortlichen Bischöfe, auch Bode, hätten gefährliche Priester im Amt gelassen oder in eine andere Gemeinde versetzt, sagte Schulte-Nölke, der gemeinsam mit der Historikerin Siegrid Westphal das Forschungsprojekt zu Missbrauchsfällen im Bistum leitet. Lange Zeit seien "Geheimhaltung, die Verhinderung von Bekanntwerden" erkennbar "handlungsleitende Motive" der Verantwortlichen gewesen, sagte Westphal. Dies gelte vor allem für die Zeit unter Bodes Vorgängern. Ab etwa 2010 sei allerdings ein Wandel feststellbar, heißt es in dem Bericht. Beschuldigte Priester würden schneller aus dem Dienst genommen. Bode ist seit 1995 Bischof des Bistums Osnabrück und seit 2017 stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.

"Betroffene bürokratisch und abweisend behandelt"

In der Studie geht es zudem darum, wie das Bistum mit den Betroffenen umgegangen ist. Ihnen sei als Kindern durch Priester Schreckliches angetan worden, vielfach sei ihr ganzes Leben durch diese Gewalterfahrung beeinträchtigt, sagte der Juraprofessor Schulte-Nölke. "Die Aktenlage hat uns nicht den Eindruck vermittelt, dass das Bistum Osnabrück die Ansprüche der Betroffenen stets wohlwollend prüfte." Betroffene seien bürokratisch und abweisend behandelt worden. In den Anerkennungszahlungen sei die Diözese "knausrig" gewesen. Die Diözese hatte die Forschungsgruppe mit der 1,3 Millionen Euro teuren Aufarbeitung der Vorwürfe betraut. Das Bistum gewährte den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern freien Zugang zu Archiven und Dokumenten.

Zweiter Teil beleuchtet gesamtes Ausmaß sexualisierter Gewalt

Im zweiten Teil des auf drei Jahre angelegten Projekts soll das gesamte Ausmaß sexualisierter Gewalt im Bereich der Diözese seit 1945 ermittelt werden. Dafür wollen die Forscher Akten auswerten und soweit möglich Betroffene und Zeitzeugen interviewen. Vor allem aber wollen sie auf Menschen in Gemeinden und Nachbarschaften achten, die einen Verdacht hatten, aber nichts unternahmen, so Westphal. "Wie waren Bedingungen? Warum wurde verschwiegen, geschützt, vertuscht?" Auf diese Weise hoffe man, auch das Dunkelfeld aufzuhellen bei den insgesamt 2.800 Klerikern, die das Bistum seit 1945 hatte. Die Arbeit wird von einer Steuerungsgruppe begleitet. Zu den sieben Mitgliedern des Gremiums gehören auch drei Betroffene von sexualisierter Gewalt in der Kirche.

Dieses Thema im Programm:

Hallo Niedersachsen | 20.09.2022 | 19:30 Uhr

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